Blogpost | 23.10.2019

Ozeane und Kryosphäre im Klimastress

In seinem jüngsten Sonderbericht beschreibt der Weltklimarat minutiös die dramatischen Folgen des Klimawandels.
Luftaufnahme Eisberge

Foto: William Bossen/unsplash

Der Weltklimarat IPCC deckt mit seinem Sonderbericht vom 25. September, dem Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, den überwiegenden Teil der Erde ab. Schließlich machen Ozeane, Kryosphäre und Hochgebirge gemeinsam 81 Prozent der Erdoberfläche aus (71 Prozent sind von Ozeanen bedeckt, weitere 10 Prozent der Landfläche ist von Gletschern und Eisschilden überzogen). Damit beschreibt der Bericht die Lebenswirklichkeit von 680 Millionen Menschen in Küstengebieten, 670 Millionen Menschen in Hochgebirgen, 65 Millionen Menschen in kleinen Inselstaaten und 4 Millionen Menschen in der Arktis (davon 400.000 Indigene), die in teils dünn besiedelten Gebieten zu Hause sind.

Die menschgemachte Klimaänderung führt dazu, dass die Ozeane wärmer und saurer werden. Das hat wiederum zur Folge, dass sie ihre Funktion für das Erd- und Klimasystem weniger produktiv erbringen können. Denn die Ozeane wirken als Temperatur-Puffer: 90 Prozent der Wärme, die durch den menschengemachten Treibhausgaseffekt zusätzlich auftritt, wird bislang von den Ozeanen aufgenommen. Die von uns stärker wahrgenommene Erwärmung der Atmosphäre, macht also nur einen kleinen Teil davon aus.

Aber nicht nur das. Der IPCC hält außerdem fest, dass der Zustand der Ozeane und der Kryosphäre mit vielen Aspekten der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen interagiert: So bestehen Wechselwirkungen zwischen den Menschen und Ozeanen und/oder Kryosphäre in den Bereichen Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, Erneuerbare Energien, Gesundheit und Wohlbefinden, Kultur und Tourismus, Handel und Verkehr.

Auswirkungen der Klimakrise

Der Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert um 15 cm angestiegen. Dieser Anstieg verläuft mittlerweile mehr als doppelt so schnell. Er liegt bei 3,6 mm pro Jahr für die Jahre 2006–2015 und beschleunigt sich weiter. Der Beitrag von Gletscher- und Eisschmelze (1,8 mm pro Jahr) übersteigt den der thermischen Ausdehnung (1,4 mm pro Jahr). Kleine Gletscher drohen bis 2100 mehr als 80 Prozent ihrer Eismasse zu verlieren, so der Sonderbericht. Im Hochemissionsszenario steigt der Meeresspiegel im Jahr 2100 um 1,1 m an. Das sind 10 cm mehr, als im Fünften Sachstandsbericht des IPCC von 2013 angegeben. Sollte es den Menschen gelingen, die Emissionen stark einzuschränken, wird der Meeresspiegel danach nicht weiter ansteigen. Gelingt dies nicht, wird er im Jahr 2300 um 3,5 m höher liegen als heute.

Mit steigendem Meeresspiegel wird auch die Häufigkeit damit zusammenhängender Extremereignisse, wie zum Beispiel Sturmfluten, zunehmen. Mit einem Grad zusätzlicher Erwärmung werden Ereignisse, die in der Vergangenheit einmal im Jahrhundert auftraten, bereits Mitte dieses Jahrhunderts in vielen Regionen jährlich(!) stattfinden.

Die Erwärmung des Ozeans reduziert außerdem den Wasseraustausch zwischen verschiedenen Schichten des Ozeans und vermindert dadurch die Versorgung mariner Lebewesen mit Sauerstoff und Nährstoffen. Unter marinen Hitzewellen versteht man relativ lange Zeitspannen ungewöhnlich hoher Meerestemperaturen in einer Region. Sie sind bei Korallenriffen seit 1997 öfter aufgetreten und haben weltweit zur Verschlechterung des Zustands der Riffe beigetragen. Die allgemeine Häufigkeit mariner Hitzewellen hat sich seit 1982 bereits verdoppelt. Nimmt man eine globale Erwärmung von 2 Grad an, würden sie zwanzigmal häufiger gegenüber vorindustriellem Niveau auftreten – bei ungebremstem Emissionsanstieg sogar fünfzigmal. Auch die Intensität mariner Hitzewellen hat zugenommen.

Seit den 1980ern haben die Ozeane zwischen 20 und 30 Prozent der menschgemachten Kohlendioxidemissionen aufgenommen, was zu einer Ozeanversauerung führte. Nehmen die Ozeane bis 2100 weiterhin kontinuierlich Kohlenstoff auf, wird auch die Versauerung weiter zunehmen. Diese Versauerung, die Erwärmung des Ozeans und die Abnahme des Sauerstoffs im Ozean ändern die Nährstoffversorgung im Meer, was die Verteilung und die Menge marinen Lebens beeinflusst. Veränderungen der Fischpopulationen haben bereits das Fischfangpotential vermindert. Der IPCC-Bericht dokumentiert, dass die Ausdehnung arktischen Meereseises zurückgeht. Gelänge es, die Erwärmung bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu stoppen, wäre die Arktis lediglich einmal im Jahrhundert eisfrei – bei einer Erwärmung von 2 Grad käme dies einmal in drei Jahren vor.

Auch die arktischen Regionen sind immer stärker betroffen, zeigt der aktuelle IPCC-Bericht. Die schnelle Veränderung in den gefrorenen Teilen der Erdoberfläche zwingt Menschen in abgelegenen Siedlungen der Arktis, ihren Lebensstil fundamental zu ändern. Selbst wenn es gelingt, die Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, werden 25 Prozent des bodennahen Permafrosts (3 bis 4 Meter Tiefe) bis 2100 auftauen. Bei einem Szenario mit höheren Emissionen und einem Temperaturanstieg von über 4 Grad wären es sogar 70 Prozent. Im arktischen und borealen Permafrost ist beinahe doppelt so viel Kohlenstoff eingebunden, wie die Atmosphäre enthält. Durch das Auftauen des Permafrosts kann die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre also erheblich zunehmen.

Der Rückgang der Gletscher ändert die Trinkwasserverfügbarkeit und -qualität. Das wirkt sich auf viele Sektoren, wie Landwirtschaft und Wasserkraftnutzung, aus und betrifft nicht nur die Menschen im Hochgebirge, sondern auch diejenigen, die flussabwärts leben – bis hin zur Mündung.

Reaktionsmöglichkeiten

Dieser jüngste Bericht des Weltklimarates stellt heraus, wie dringlich es ist, ambitionierte und koordinierte Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen und prioritär umzusetzen, um auf noch nie dagewesene und dauerhafte Änderungen in den Ozeanen und in der Kryosphäre zu reagieren. Er liefert neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Vorteile und den Nutzen, wenn die Erwärmung so weit wie nur möglich begrenzt wird.

Es wird nur möglich sein, die Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, wenn in allen Teilbereichen der Gesellschaft, insbesondere im Energiesektor, in der Landnutzung, in den Städten und auch in der Industrie, eine bisher nicht gesehene Transformation stattfindet.

Der Bericht zeigt den globalen Nutzen von ambitionierten und wirkungsvollen Anpassungsmaßnahmen, aber schildert auch die zunehmenden Kosten und Risiken von verspätetem Handeln. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass Anpassung sowohl von den Kapazitäten einzelner Menschen als auch von Gemeinschaften und deren Ressourcen abhängt. Besonders Betroffene müssen besonders geschützt und unterstützt werden.


Mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt und der Stiftung Mercator.
Für den Inhalt trägt Germanwatch die Verantwortung.

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