Blogpost | 02 December 2015

Afrika schlägt Weg zu nachhaltiger Energieversorgung ein

Blog-Beitrag von Mohamed Adow (Christian Aid), Dezember 2015
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Der 1. Dezember 2015 war der stolzeste Tag in den sechs Jahren meiner Geschichte als Beobachter der UN-Klimakonferenzen. Mein erstes Jahr, 2009 bei der Klimakonferenz (COP15) in Kopenhagen, ließ sehr zu wünschen übrig. Aber am ersten Tag der COP21 in Paris gab der Gipfel bereits Anlass zur Freude.

Afrikanische Staatschefs gaben am 1. Dezember 2015 die Gründung der Africa Renewable Energy Initiative (AREI) bekannt, die es dem Kontinent ermöglichen soll, bis 2020 mindestens 10 Gigawatt neuer und zusätzlicher erneuerbarer Stromerzeugungskapazitäten aufzubauen. Die Initiative setzte sich zudem ein anzustrebendes Ziel von mindestens 300 Gigawatt zusätzlicher erneuerbarer Energien bis 2030.

Die AREI wird von den afrikanischen Staatsoberhäuptern und Umweltministern getragen und von der G7 unterstützt. Ihre Ziele sind es, nachhaltige Entwicklung in Afrika zu ermöglichen, universellen Zugang zu sauberer, angemessener und bezahlbarer Energie sicherzustellen, das Wohlergehen zu verbessern und stabile wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Zudem wird sie afrikanische Staaten befähigen, ihre Strategien emissionsarmer Entwicklung umzusetzen und gleichzeitig sowohl wirtschaftliche als auch Energiesicherheit zu verbessern - vor allem für die ärmsten und benachteiligsten Menschen.

Als Kenianer wie auch Klimapolitikexperte war ich noch nie so stolz. Die Bedeutung dieser Ankündigung kann nicht unterschätzt werden: es ist ein außergewöhnlicher Moment in Afrikas Geschichte und ein Durchbruch für den Kontinent.

Afrika hat ein großes Energiedefizit: Etwa 600 Millionen AfrikanerInnen leben ohne Zugang zu Elektrizität. Subsahara-Afrika hat derzeit insgesamt nur 150 Gigawatt Stomkapazität. Die Umsetzung der neuen Pläne würde diese Kapazität verdoppeln - und das mit komplett sauberen und erneuerbaren Energien. Obwohl etwa 14 % der Weltbevölkerung dort leben, hat Afrika den kleinsten CO2-Fußabdruck weltweit. Das ineffiziente Energiesystem des Kontinents zeichnet sich durch Energieimporte und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Brennholz aus, ist teuer und ökologisch nicht nachhaltig.

Schon jetzt leidet Afrika unter einigen der schlimmsten Folgen des Klimawandels. Das ist die Ungerechtigkeit der Klimakrise. Die gute Nachricht ist, dass Afrika sich nicht in die Riege der Klimasünder einreihen will. Tatsächlich leistet der weltweit energieärmste Kontinent mit der neuen Initiative einen entscheidenden Beitrag nicht nur zum weltweiten Ziel, Klimaverschmutzung zu verringern, sondern auch zu seinem eigenen Ziel, den Energiebedarf zu decken.

Afrika hat, zum Glück, nicht so viel schmutzige Energieinfrastruktur, die viele andere Teile der Welt verschmutzt hat. Unser Kontinent befindet sich nicht in Geiselhaft fossiler Energieträger. Vielmehr ist er mit unglaublichen Möglichkeiten für erneuerbare Energie gesegnet - ob Solar- oder Windenergie, Kleinwasserkraft, Geothermie oder Biomasse. Der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank hat kürzlich erklärt, dass Afrika das Potenzial hat, 11 Terawatt aus Solarenergie, 350 Gigawatt aus Wasserkraft, 11 Gigawatt aus Windenergie und 15 Gigawatt aus Geothermie zu gewinnen. Deswegen hat Afrika eine realistische Chance, eine weltweite Führungsrolle einzunehmen in der Nutzung dieser einfach zugänglichen und bislang nicht ausgelasteten natürlichen Ressourcen, die es erlauben, einen kohlenstoffarmen Weg einzuschlagen und eine grüne Zukunft für seine bislang energiearme Bevölkerung zu sichern.

Der frühere nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo schrieb: "Den afrikanischen Verantwortlichen bietet sich bei der Klimakonferenz in Paris eine großartige Möglichkeit... der Gipfel stellt ein wichtiges Sprungbrett für die afrikanischen Staaten dar, ihre vorhandenen Chancen zu nutzen." In der Tat gehen die afrikanischen Regierungen mit gutem Beispiel voran, anstatt mit moralischen Argumenten nichts zu tun und nur von anderen zu verlangen, dass sie handeln. Afrika setzt sich große Ziele in einem Zeitrahmen, der helfen kann, bei der Klimakonferenz insgesamt die ambitonierten Anstrengungen durchzusetzen, die wir so dringend von allen brauchen. Dies ist Afrikas neue Klimadiplomatie - eine konkrete und lösungsorientierte Herangehensweise, um drängende Probleme zu lösen.

Meine KollegInnen und ich von der internationalen Entwicklungsorganisation Christian Aid glauben, dass eins der Kernelemente, welches in Paris beschlossen werden muss, eine klare, gemeinsame und langfristige Reduktionsverpflichtung ist, die auf dem weltweit vereinbarten Ziel aufbaut, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°Celsius zu begrenzen. Dies würde eine gemeinsame Leitlinie für emissions- und kohlenstoffarmes Leben bis zur Mitte des Jahrhunderts ergeben.

Aber Afrika will nicht bis 2020 warten, wenn mit der Implementierung der beabsichtigten nationalen Klimabeiträge (INDCs) zur Erreichung des vereinbarten Ziels begonnen werden soll. Es ist bereit, jetzt zu handeln, in der Periode vor 2020. Indem es jetzt zusätzliche Beiträge zu den gemeinsamen INDCs vorlegt, nimmt Afrika eine Führungsrolle ein, die nach Einschätzung vieler BeobachterInnen in den Klimaverhandlungen fehlte.

Was wir nun von den weltweit führenden PolitikerInnen brauchen, ist der Wille, Afrikas Energie-Revolution zu unterstützen. Die Afrikanische Union, ein Zusammenschluss von 54 Staaten, plant 20 Milliarden Dollar für die Erneuerbaren-Initiative zu mobilisieren. Sie rechnet damit, dass es dabei Überschneidungen mit den 100 Milliarden Dollar geben wird, die die reichen Länder den Entwicklungsländern zugesagt haben, um dabei zu helfen, den Klimawandel abzumindern und sich an die Auswirkungen anzupassen.

Um ehrlich zu sein: Klimafinanzierung ist das zentrale Problem in diesen Gesprächen. Finanzierung und technologische Unterstützung für die Entwicklungspfade armer Staaten sind das, was es braucht, um Paris zu einem wirklichen Erfolg zu machen, um dem Klimawandel zu begegnen und die Welt auf den Weg zu erneuerbaren Energien zu bringen.

Vielleicht wird die Ankündigung vom 1. Dezember die öffentliche Wahrnehmung der AfrikanerInnen verändern - sie nicht länger als Bittsteller darstehen lassen, die sich auf Unterstützung des globalen Nordens verlassen, sondern als Pioniere des grünen Wandels. Ich bin froh darüber, dass wir als Schrittmacher in Paris agieren.


Mohamed Adow ist in Kenia aufgewachsen und arbeitet heute als Referent für Klimawandel bei Christian Aid. Die Originalfassung dieses Beitrags erschien zunächst auf Englisch bei Thomson Reuters Foundation News: http://news.trust.org//item/20151202163623-hdjem/?source=dpagetopic.
Übersetzung: Inga Melchior und Lutz Weischer.


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