Blogpost | 07 December 2017

Saúl Luciano Lliuya gelingt mit seiner "Klimaklage" ein historischer Durchbruch

Blog-Beitrag von Julia Grimm, Dezember 2017
Bild: Saúl Luciano Lliuya, Klaus Milke und andere bei der Kohledemo in Bonn, 4.11.2017

Zusammen mit Saúl Luciano Lliuya waren wir bei der großen "Klima schützen - Kohle stoppen"-Demonstration am 4. November in Bonn. Gemeinsam mit 25.000 Teilnehmenden haben wir ein starkes Zeichen für "Justicia Clìmática" gesetzt.

Großemittenten von Treibhausgasen wie RWE können grundsätzlich für Schutzmaßnahmen gegen Klimaschäden verantwortlich gemacht werden. Das bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm am 30. November im Fall „Saúl Luciano Lliuya gegen RWE“ mit der Verkündung der Entscheidung, in die Beweisaufnahme zu gehen. Schon während der mündlichen Verhandlung etwa zwei Wochen zuvor hatten die Richter des OLG Hamm klar zu erkennen gegeben, dass große Emittenten wie RWE grundsätzlich verpflichtet sind, von Klimaschäden betroffene Menschen in ärmeren Ländern zu unterstützen.


UmweltrechtlerInnen und KlimaschützerInnen weltweit erwarteten mit Spannung die Verkündung der Entscheidung des OLG Hamm am 30. November, denn die rechtliche Grundlage für diese Entscheidung existiert in ähnlicher Form in mehr als 50 Ländern. Konkret bedeutet dies, dass InvestorInnen und AktieninhaberInnen von Großemittenten weltweit nun entsprechende Klagerisiken mit berücksichtigen müssen. Natürlich ist es keine Lösung, dass die verletzlichsten Menschen weltweit nun alle ihr Recht mit Einzelklagen einfordern müssten. Deswegen setzt Germanwatch zusammen mit Saúl Luciano Lliuya auch darauf, dass die Politik zügig den Schutz der betroffenen Menschen ernsthaft anpackt und die VerursacherInnen in die Pflicht nimmt. Denn viele betroffene Menschen weltweit haben weder die Möglichkeiten noch die Mittel, solch einen Prozess zu führen.

Wichtiger Etappensieg für weltweite Klimagerechtigkeit

Saúl Luciano Lliuya hat mit dieser Gerichtsentscheidung im Kampf für Klimagerechtigkeit für sich und seine Mitmenschen in der Andenstadt Huaraz schon einen wichtigen Etappensieg errungen, aber die konkrete Klage noch nicht gewonnen. Mit dem Einstieg in die Beweisaufnahme in Saúl Luciano Lliuyas Fall wurde immerhin ein Stück Rechtsgeschichte geschrieben, das nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit von größter rechtlicher Bedeutung ist. Denn erstmals weltweit hat ein Gericht bejaht, dass ein privates Unternehmen für seine Mitverursachung von klimabedingten Schäden verantwortlich ist. Dies gilt, sofern ein Anteil konkreter Schäden oder Risiken für das Eigentum einer Privatperson den Aktivitäten eines Unternehmens zugeordnet werden kann.

Saúl Luciano Lliuya ist froh über diesen ersten Erfolg: Nicht nur für sich und seine Familie, sondern für alle Menschen in Huaraz und anderen Teilen der Welt, wo Klimarisiken drohen. Mit dem eindeutigen Votum des OLG Hamm gibt es für diese Menschen nun die reale Hoffnung, dass Unternehmen wie RWE, die erheblich zum Klimawandel beigetragen haben, Verantwortung übernehmen und zu Schutzmaßnahmen beitragen müssen.

Solidarität und Unterstützung geben Mut und Kraft

Mit dem Eintritt in die Beweisaufnahme geht Saúl Luciano Lliuyas Kampf für Klimagerechtigkeit nun in die nächste Runde. Jetzt müssen er und seine Anwältin Dr. Roda Verheyen konkret beweisen, dass RWE das Risiko einer Gletscherflut vor Ort mitverursacht hat und weiter mitverursacht. Das ist noch ein langer steiniger Weg, der vor Saúl Luciano Lliuya und seiner Anwältin liegt. Aber nicht nur das eindeutige Votum des OLG Hamm hat den peruanischen Bergführer und Kleinbauern in seinem Kampf bestärkt, sondern vor allem die Unterstützung und der Rückhalt der vielen Menschen weltweit, die sich gemeinsam mit ihm für mehr Klimagerechtigkeit einsetzen. Saúl Luciano Lliuya ist froh, aktiv geworden zu sein, denn nicht nur ihm und seinen Mitmenschen in Huaraz rennt die Zeit davon, sondern auch vielen weiteren Menschen im Globalen Süden, die von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. All das Interesse und die Unterstützung, die Saúl Luciano Lliuya in seinem Land und auch weltweit erfahren hat, geben ihm den Mut und die Kraft, weiter zu machen in seinem Kampf für Klimagerechtigkeit.



Begegnungen in Europa – vom Gerichtssaal bis zur Gletscherschmelze in den Alpen

Saúl Luciano Lliuya reiste Ende Oktober für gut zwei Wochen nach Deutschland, um an der mündlichen Verhandlung in seinem Verfahren gegen RWE teilzunehmen. Vor dem Oberlandesgericht Hamm sagte er am 13. November als Zeuge aus. Das Medieninteresse an Saúl Luciano Lliuya und seiner Klage war an diesem Tag riesengroß. Schon auf dem Weg zum Gericht am Morgen der mündlichen Verhandlungen folgten ihm die Kameras auf Schritt und Tritt. Bei Gericht angekommen, umgeben von einer Traube interessierter JournalistInnen, Kameras und Mikrofonen, sprachen Saúl Luciano Lliuya und seine Anwältin Dr. Roda Verheyen über ihre Erwartungen an die Anhörung. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste: Diese Erwartungen sollten von dem eindeutigen Votum der Richter des OLG Hamm weit übertroffen werden. Die Freude über diesen ersten Etappensieg war Saúl Luciano Lliuya und seiner Anwältin beim Verlassen des Gerichtssaals deutlich ins Gesicht geschrieben.

Aber nicht nur vor Gericht setzte sich der peruanische Bergführer und Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya für mehr Klimagerechtigkeit ein. Auch auf der großen Klimademonstration am 4. November zur COP 23 in Bonn beteiligte er sich aktiv und sprach vor Tausenden von UnterstützerInnen und AktivistInnen über die negativen Folgen des Klimawandels für seine Heimatstadt Huaraz in den peruanischen Hochanden. Als er von seinem Kampf für Klimagerechtigkeit gegen den Energieriesen RWE berichtete, jubelten ihm die Menschen begeistert zu. So viel Unterstützung und Solidarität zu spüren, gab dem Bergführer aus Peru viel Kraft und Mut für seinen weiteren Kampf.

Saúl Luciano Lliuya ist bewusst und hat auf seiner Reise nochmals persönlich vor Augen geführt bekommen, dass schwindende Gletscher nicht nur ein Phänomen in den peruanischen Anden sind, sondern eine globale Problematik darstellen. Auch in Europa ziehen sich die Gletscher mit einer dramatischen Geschwindigkeit zurück. Aus diesem Grund reiste er während seines Aufenthalts in Deutschland für zwei Tage in die Schweiz zum Großen Aletschgletscher. Dort tauschte er sich mit lokalen Betroffenen sowie Gletscherforschern aus und konnte den rapiden Gletscherrückzug in den europäischen Alpen selbst sehen. Der ansässige Bergführer Bruno Renggli zeigte ihm das dramatische Ausmaß des Gletscherrückzugs in der Aletsch-Arena und nahm ihn mit auf das einstmals geglaubte "ewige Eis". Der Große Aletschgletscher ist der flächenmäßig größte und mit 23 Kilometern längste Gletscher der Alpen mit einer Eisdicke von mehr als 900 Metern am Konkordiaplatz. Das ist beachtlich.
Gletscherschwankungen hat es zwar schon immer gegeben, doch in den letzten 30 Jahren hat sich der Große Aletschgletscher unverkennbar verstärkt zurückgezogen - deutlich über die normalen Schwankungen hinaus. Das ist eindeutig dem globalen Klimawandel zuzuordnen, sagt auch Gletscherforscher Christian Huggel, der Saúl Luciano Lliuya während seines Aufenthaltes in der Schweiz begleitete.
Die Gletscher in Peru und in der Schweiz ziehen sich drastisch zurück. Einen Unterschied gibt es jedoch: Die Menschen in der Schweiz haben viel bessere Möglichkeiten, sich an die negativen Folgen des Rückgangs der Gletscher anzupassen - während die besonders betroffenen Menschen in den peruanischen Hochanden oft auf sich alleine gestellt sind. Dies macht Saúl Luciano Lliuyas Kampf für Klimagerechtigkeit für sich und seine Mitmenschen in Huaraz umso wichtiger.

Solidarität mit Saúl gegen RWE: für die Menschen in Huaraz und globale Klimagerechtigkeit

Nachdem die rechtliche Begründung für diesen Fall vom Gericht akzeptiert ist, geht es in der nächsten Etappe des Falls - der wissenschaftlichen Beweisaufnahme - darum, die konkreten Klagepunkte vor Gericht zu belegen: Ist das Haus von Saúl Luciano Lliuya tatsächlich akut bedroht durch eine Gletscherflut? Betragen die historischen Emissionen von RWE tatsächlich etwa ein halbes Prozent der globalen Emissionen seit Beginn der Industrialisierung? Und kann bewiesen werden, dass dieser Anteil an den Emissionen zum Risiko einer Überflutung beigetragen hat? Die Klärung dieser und weiterer Fragen wird für den erfolgreichen Verlauf der Verhandlung eine entscheidende Rolle spielen.

Für die hierfür notwendigen Gutachten hat das Gericht Saúl Luciano Lliuya dazu aufgefordert, binnen eines Monats einen Vorschuss von 20.000,- Euro an die Justiz zu zahlen. Eine Summe, die er selbstverständlich nicht alleine tragen kann.

Bitte zeigen Sie sich solidarisch mit Saúl Luciano Lliuya und helfen Sie ihm mit Ihrer Spende, damit er bis Ende des Jahres die notwendigen 20.000,- Euro aufbringen kann, um diesen Präzedenzfall für die Betroffenen des Klimawandels weiter voranzutreiben. Alle Informationen zu den Spendenmöglichkeiten - wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung!

Quelle Bild Dr. Roda Verheyen und Saúl Luciano Lluyia im Gericht sowie Saúl Luciano Lluyia
in den schweizer Alpen: Alexander Luna |http://alexanderluna.exposure.co | Germanwatch

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Referentin für Klimafinanzierung und Anpassung