Blogpost | 21 September 2021

CO2-neutral ist nicht gleich klimaneutral!

Fliegen aus Klimasicht
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Das Flugzeug ist ein praktisches Fortbewegungsmittel. Es ist schnell und jagt in mehreren tausend Metern Höhe durch die Luft. Doch genau hier liegt das Problem. Auf den ersten Blick wirkt sich die Höhe, in der Kerosin verbrannt wird, nicht auf die Emissionen aus – und doch ist sie der entscheidende Faktor. Wenn wir die Klimakrise bekämpfen wollen, müssen wir die Erwärmungswirkung der ausgestoßenen Treibhausgase in den Blick nehmen. Es reicht nicht aus, das Volumen oder die Masse von Wasserdampf, CO2 oder Methan in der Atmosphäre zu messen.

Da kommen nun die Kondensstreifen ins Spiel. Wenn Kondensationskeime vorliegen, bilden sich aus Wasserdampf Kondensstreifen (und daraus wiederum Zirruswolken). Bei der Verbrennung von Kerosin entstehen solche Kondensationskeime. Außerdem fallen dabei Stickoxide an, die unter anderem für die Ozonbildung verantwortlich sind. Die – im Vergleich zum CO2 hohe – klimaschädliche Erwärmungswirkung der Kondensstreifen kommt durch die Strahlungswirkung der Formationen zustande und macht nach aktuellem Stand der Forschung 50 bis 66% der Erwärmungswirkung der Flugemissionen aus. Damit haben sie einen weit größeren Anteil als das viel beachtete CO2. CO2-neutrales Fliegen ist somit längst nicht klimaneutral!

Große Herausforderungen, kleine Schritte

Der kommerzielle Flugverkehr ist weltweit für über 2% der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich, doch zumindest internationale Flüge sind weder im Kyoto-Protokoll mit Emissionsreduktionszielen noch explizit im Pariser Abkommen enthalten. Denn deren Emissionen werden nicht bestimmten Ländern angerechnet, sodass beispielsweise ein deutsches Klimaschutzgesetz gar nicht die Möglichkeit zur Minderung der Emissionen hat.

Doch dies nimmt dem Flugverkehr natürlich nicht die Verantwortung, zur Minderung der Emissionen beizutragen. Dabei spielen die International Civil Aviation Organization (ICAO) und die International Air Transport Association (IATA) eine wichtige Rolle: Die ICAO ist eine der UN untergeordnete Organisation, bei der die Verantwortung für Emissionsminderung im internationalen Flugverkehr liegt. Die IATA ist der dazugehörige internationale Branchenverband der Luftfahrt, der zusätzlich Klimaziele verfolgt.

Die ICAO verabschiedete in der Vollversammlung 2016, ganze 19 Jahre nach Einführung des Kyoto-Protokolls, das Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA). Dieses völlig unzureichende Klimaschutzinstrument gibt vor, dass über das CO2-Emissionslevel von 2019/20 hinausgehende Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr kompensiert werden müssen. CORSIA soll also nur ein CO2-neutrales Wachstum der Flugbranche ermöglichen – die vom bestehenden Niveau ausgehende Klimabelastung durch CO2 war kein Verhandlungsgegenstand.

Die Corona-Pandemie führte zu zahlreichen Flugausfällen und damit zu drastischen Emissionssenkungen. Dadurch kam die ICAO seit März 2020 aus der Schusslinie von Akteuren, die von ihr Zielverschärfungen einfordern.

In Übereinstimmung mit CORSIA wurden parallel bis dato drei Ziele von der IATA gesetzt: Die Effizienz in der Treibstoffnutzung sollte zwischen 2009 und 2020 in jedem Jahr um 1,5% gesteigert werden, außerdem sollen die CO2-Emissionen auf dem Level des Jahres 2020 stabilisiert werden, trotz Wachstums in der Branche. Darüber hinaus sollen die jährlichen CO2-Emissionen bis 2050 auf 325 Millionen Tonnen gesenkt werden, was rund einem Drittel der heutigen Menge entspricht. Zur Erinnerung: Zu diesem Zeitpunkt müssten zur Einhaltung des 1,5°-Ziels bereits viele Länder klimaneutral sein. Die Bestrebungen reichen also längst nicht aus!

Es reicht nicht aus, die CO2-Emissionen zu senken

An der Emissionsminderungsstrategie der IATA und der ICAO mit CORSIA lässt sich vieles kritisieren: Internationale Flüge sind nur dann in CORSIA enthalten, wenn sowohl Start- als auch Zielland am Programm teilnehmen. Allerdings sind mit China, Indien und Russland wichtige Länder noch nicht Teil der Initiative. Weiterhin ist das Kompensieren von Emissionen eine zwiespältige Angelegenheit. Besonders bei Projekten zum Schutz von Wäldern (die schon heute von einzelnen Fluggesellschaften genutzt werden) ist die Emissionseinsparung nicht präzise zu messen und wird gerne überschätzt. Auch die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung sind häufig negativ, wenn ihr etwa Land weggenommen wird, um Projekte zum Emissionsausgleich umzusetzen. Dadurch können außerdem neue Konflikte innerhalb der Bevölkerung ausgelöst werden. Zudem sind die CO2-Reduktionsziele der IATA völlig unzureichend.

Am schwerwiegendsten ist jedoch, dass ICAO und IATA sich bei allen Zielen auf CO2-Emissionen beschränken. Da die Erwärmungswirkung des Fliegens nicht einmal zur Hälfte durch CO2-Emissionen verursacht wird, wird auch nur ein entsprechend geringer Anteil der von den Emissionen ausgehenden Erwärmung überhaupt vermindert. Die Erwärmung durch die restlichen Flugemissionen wird von ICAO und IATA ignoriert. Diese übergehen damit die Klimawissenschaft und tricksen in der Kommunikation gegenüber den Verbraucher:innen mit Formulierungen zur CO2-Einsparung.

Nicht nur die CO2-Emissionen beeinflussen die Klimabilanz des Fliegens.

Die beste Lösung: Kondensstreifen vermeiden

Wie sähe eine Emissionsminderung aus, mit der die Ziele der ICAO und IATA erreicht werden könnten? Um ausschließlich die CO2-Emissionen zu senken, bieten sich alternative Kraftstoffe an. Aktuell handelt es sich hier um Biokraftstoffe, nach weiterer Entwicklung werden in einigen Jahren synthetische Kraftstoffe oder auch Wasserstoff als Möglichkeit hinzukommen. Die CO2-Bilanz (!) dieser Alternativen ist null, denn Biokraftstoffe werden aus Pflanzen(resten) hergestellt, die sämtlichen beim Fliegen verbrannten Kohlenstoff vorher als CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht natürlich nur Wasserdampf.

Doch nach den beschriebenen Erkenntnissen sollte man bei diesen Lösungen stutzig werden. Denn wenn diese Kraftstoffe verbrannt werden, entstehen wie bei Kerosin grundsätzlich jene zusätzlichen Treibhausgase, die tatsächlich für zwei Drittel der Erwärmungswirkung verantwortlich sind, wenn auch teilweise in geringerem Ausmaß.

Alternative Kraftstoffe sind daher nicht die Lösung des Problems, zumindest nicht des gesamten. Und auch ihre Nebeneffekte müssen beachtet werden: Bei traditionellen Biokraftstoffen tritt z.B. oft die „Tank-Teller-Problematik“ auf. Ihre Herstellung konkurriert mit der Produktion von Nahrung, weshalb Germanwatch sie ablehnt.

Noch zu untersuchen ist, wie durch andere Flugverfahren das Auftreten von Kondensstreifen verhindert werden kann. Die Forschung ist in diesem Bereich allerdings noch nicht weit fortgeschritten, auch die Erwärmungswirkung der weiteren Treibhausgase ist mit höheren Unsicherheiten behaftet als die von CO2.

Kondensstreifen lassen sich aber auch durch das Ändern von Flugrouten bekämpfen. Sie bilden sich nur in bestimmten Schichten der Atmosphäre, und ein Großteil der Kondensstreifen entsteht bei einigen wenigen Flügen. Wichtig ist hier eine intensivere Forschung, um Kondensstreifen besser zu verstehen und Zonen vorherzusagen, in denen diese entstehen. Zudem muss eines besser untersucht werden: Welche Auswirkung hätte die Flugroutenveränderung auf die CO2-Emissionen?

Eine Vermeidung der Kondensstreifen und Stickstoffemissionen ist, einfach aufgrund ihres hohen Anteils an den nicht CO2-bedingten Emissionen, der effektivste Weg zur Verkleinerung der Erwärmungswirkung. Der Ausstoß von Stickoxiden kann eines Reports der European Union Aviation Safety Agency (EASA) zufolge vor allem durch finanzielle Anreize verringert werden. Diese sollten dann Fluggesellschaften bzw. Entwickler:innen zu einem Investment in Stickoxid vermeidende Technologien motivieren. Auch eine Einbindung z.B. aller von der EU ausgehenden Flüge in ihren Emissionshandel wäre denkbar.

Fazit

Fest steht, dass es einer weitreichenden Veränderung bedarf, um innerhalb weniger Jahrzehnte, bestenfalls bis 2050, einen nachhaltigen klimaneutralen Flugverkehr errichten zu können. Einerseits stellt die Dekarbonisierung des Flugverkehrs eine große Herausforderung dar, die noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Andererseits ist das Vermeiden von Kondensstreifen und Zirruswolken durch neue Flugverfahren möglicherweise eine Problemlösung. Trotzdem ist aber nicht auszuschließen, dass klimaneutraler Flugverkehr vielleicht nie ganz erreicht werden kann.

Daher sollte sich die Politik (auch) der Alternative annehmen: dem Ausbau des Schienenschnellverkehrs in Europa, länderübergreifend. Denn es braucht einen attraktiven klimaneutralen Verkehrsträger, welcher das klimabelastende Flugzeug auf Entfernungen bis 1.500 km ersetzen kann.


Literatur:

Author(s)

Björk Lucas, Dr. Manfred Treber

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