Blogpost | 26 November 2021

Kreislaufwirtschaft und Ressourcenpolitik – Was können wir in den nächsten vier Jahren erwarten?

Analyse des Koalitionsvertrags
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Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel „der Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und geschlossener Stoffkreisläufe“ und will hierzu den bestehenden rechtlichen Rahmen anpassen und endlich klare Ziele definieren. Das ist sehr zu begrüßen und bedeutet eine Richtungsänderung in der Rohstoffpolitik. Diese muss aus Reduktion des Rohstoffverbrauchs, langer Nutzung der Rohstoffe, bzw. der Produkte in denen sie verwendet werden, und einer Stärkung des Sekundärrohstoffmarktes (d.h. Nutzung und Gewinnung von recycelten Materialen) bestehen. Richtigerweise benennt die Koalition auch die Kreislaufwirtschaft als eine wichtige Maßnahme zum Klima- und Ressourcenschutz, zum nachhaltigen Wirtschaften, wie auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen. 

Endlich weg von einem alten Verständnis der „Kreislaufwirtschaft“ hin zur Circular Economy

Bei den im Vertrag genannten Maßnahmen ist hervorzuheben, dass sich die Koalition endlich dem ganzheitlicheren europäischen Verständnis der Circular Economy annähert und damit über die bisher in Deutschland sehr enge Interpretation der Kreislaufwirtschaft vornehmlich als Recyclingwirtschaft hinausgeht. Die Koalition macht hierbei deutlich, dass die Circular Econmomy schon beim Produktdesign beginnend mitgedacht werden muss und die neue Regierung sich für die Stärkung der Abfallvermeidung einsetzen will. Dementsprechend erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie sich für starke Maßnahmen auf EU-Ebene im Rahmen des EU Circular Economy Action Plan engagiert, u.a. für eine längere Nutzungsdauer von Produkten. Wichtig bleibt aber zusätzlich, dass auch auf nationaler Ebene die Potentiale und Kompetenzen ausgeschöpft werden und hierdurch dann wichtige Impulse für die Arbeit auf EU-Ebene gesetzt werden. Hierzu zählen zum Beispiel Maßnahmen zum Erhalt des reparierenden Gewerbes, um das anvisierte Recht auf Reparatur überhaupt umsetzen zu können.

Recht auf Reparatur

Ein Recht auf Reparatur soll laut Koalition kommen und der Koalitionsvertrag nennt auch bereits einige Anhaltspunkte, wie sie dieses umsetzen möchte. So will sie zum Beispiel das Problem der Nutzungsverkürzung durch Software angehen und Hersteller über eine Auskunft zur erwarteten Mindestlebensdauer verpflichten. Das sind Forderungen, für die wir uns mit dem Runden Tisch Reparatur seit langem einsetzen. Bei der Umsetzung kommt es dann auf die Details an. Beim Recht auf Reparatur geht es nämlich nicht nur um Zugang zu Ersatzteilen, den die Koalition gewährleisten will, sondern auch um deren Preise, damit Reparatur rentabler und attraktiver wird. Inwiefern das Recht auf Reparatur wirklich kommt und auch für herstellerunabhängige Akteure, wie unabhängige Werkstätten, wirksam wird, hängt noch von der genauen Ausgestaltung ab.

Rohstoffpolitik

Wie oben bereits geschrieben, will die neue Bundesregierung klare Ziele zur Reduktion der Primärrohstoffnutzung setzen und nennt hier folgerichtig bereits einige Maßnahmen zur Stärkung des Sekundärrohstoffmarktes, wie u.a. mit Mindestquoten für den Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen auf dem europäischen Markt. Kritisch sehen wir hingegen die Offenheit gegenüber Tiefseebergbau, dessen ökologische und soziale Folgen noch bei weitem nicht erforscht sind. Auch auf Grund der Erfahrungen unserer Südpartner:innen und der Sensibilität des Ökosystems lehnen wir – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – diesen aus Vorsorgegründen entschieden ab. Ebenfalls im Widerspruch zu dem formulierten Ziel der Reduktion des Primärrohstoffbedarfs steht die pauschale Stärkung der Ungebundenen Finanzkredite. Dieses Instrument der Außenwirtschaftsförderung, was explizit der nationalen Sicherung des Primärrohstoffbedarfs außerhalb Europas dienen soll, stand in der Vergangenheit immer wieder im Fokus von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Rohstoffabbaugebieten im Ausland. Ein jüngeres Beispiel ist eine Bauxitmine in Guinea, wo die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstands nicht sichergestellt werden kann. Eine Ausweitung der Nutzung dieses Instruments ohne eine wirkungsvolle Sicherung der Menschenrechte sehen wir sehr kritisch.

Sektorspezifisches Handeln

Letztendlich wird die Koalition nur einem Beitrag zum Ressourcenschutz – auch im Kontext des Klimaschutzes – leisten können, wenn sie tatsächlich alle Sektoren mitdenkt. Dafür braucht sie jedoch eine Strategie, wie die anvisierten Reduktionsziele für die ressourcenintensiven Verkehrs-, Energie-, Digitalisierungs- und Bausektoren ausgestaltet und umgesetzt werden können. Insbesondere für den ressourcenintensiven und klimapolitisch brisanten Verkehrssektor fehlt im Koalitionsvertrag trotz einiger Schritte zur Stärkung des Schienenverkehrs insgesamt ein ausreichendes Bekenntnis zu einer tiefgreifenden Mobilitätswende. Doch nur mit einer Mobilitätswende wird der Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf ressourcenschonende Verkehrsträger gelingen – eine wichtige Voraussetzung zur Erreichung der rohstoffpolitischen und Klima-Ziele.


 - Eine umfassende Germanwatch-Analyse des Koalitionsvertrages finden Sie hier. -

Author(s)

Johanna Sydow

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