Blogpost | 10 May 2022

In der Dekade der Umsetzung

Gelingt dem deutschen G7-Vorsitz ein kritisches Momentum für Ambition und Gerechtigkeit?
Bild mit den Flaggen der G7-Staaten

Die neue Bundesregierung hat Klima und Nachhaltigkeit zu Schlüsselthemen für die diesjährigen G7-Treffen gemacht. Germanwatch begleitet den Prozess kritisch-konstruktiv und setzt sich dafür ein, dass die Themen ambitioniert angegangen und umgesetzt werden. Germanwatch erwartet von der G7, eine Vorreiterrolle im nationalen und globalen Klimaschutz einzunehmen sowie ihrer Verantwortung gegenüber wirtschaftlich schwächeren und vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern gerecht zu werden. In unserer Arbeit legen wir einen besonderen Fokus auf die klima-, entwicklungs- und finanzpolitische Agenda.

Beweisprobe für deutsche Außenpolitik

Die diesjährige G7-Präsidentschaft ist der erste zentrale Test für die neue deutsche Klimaaußenpolitik. Bei diesem politischen Großevent, das Ende Juni wie bereits 2015 auf Schloss Elmau stattfindet, wird sich zeigen, wie ambitioniert die neue Bundesregierung multilaterale Klimapolitik gestalten will und wie gut sie mit anderen Ländern Brücken bauen kann. Die 2020er-Jahre sind das Jahrzehnt der Umsetzung, das heißt, alle Abkommen und Versprechen zu Klima und Nachhaltigkeit müssen jetzt umgesetzt werden, damit der 1,5-Grad-Pfad eingehalten werden kann.

Die Bundesregierung hat ihre G7-Präsidentschaft in fünf Themenbereiche gegliedert. All diese Prioritäten enthalten Fragen des Klimaschutzes und der Gerechtigkeit.

  1. Starke Allianzen für einen nachhaltigen Planeten
  2. Weichenstellungen für wirtschaftliche Stabilität und Transformation
  3. Starke Vorsorge für ein gesundes Leben
  4. Nachhaltige Investitionen in eine bessere Zukunft
  5. Gemeinsamer Einsatz für ein starkes Miteinander


Die Gruppe der Sieben: Dieses Jahr hat Deutschland die Präsidentschaft der Gruppe der Sieben (G7) inne. Die G7 ist ein informeller Zusammenschluss der zu ihrem Gründungszeitpunkt bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt und besteht aus Japan, den USA, Kanada, Großbritannien, Italien, Frankreich und Deutschland. Sie tauschen sich einmal im Jahr bei einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschef:innen sowie bei Treffen der Fachminister:innen aus. Themen sind verschiedene Fragen der Weltwirtschaft. Die Präsidentschaft wechselt jedes Jahr: Deutschland übernahm die Präsidentschaft von Großbritannien und wird sie Anfang 2023 an Japan abgeben.

 

Worauf es jetzt ankommt

In ersten Analysen haben wir unsere Prioritäten für die deutsche G7-Präsidentschaft zusammengefasst. Diese basieren auf vorangegangen G7-Gipfeln, Ergebnissen des letztjährigen Klimagipfels COP 26 in Glasgow sowie dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Wir heben hier vier Punkte hervor:

  • Ambition zeigen
    Auf der COP 26 haben sich die Vertragsstaaten darauf geeinigt, im Jahr 2022 neue und verbesserte Klimaziele vorzulegen. Aufgrund der historischen Verantwortung der G7-Staaten müssen sie hier vorangehen und zeigen, dass sie diese Verpflichtung ernst nehmen. Neben nationalen Verpflichtungen werden auch sogenannte Klimapartnerschaft en – also finanzielle Unterstützung, Technologietransfer und Kapazitätsaufbau für Länder aus dem Globalen Süden bei ihrer „Just Transition“ – eine wichtige Rolle spielen, also bei ihrem sozial gerechten Übergang in eine dekarbonisierte Wirtschaft. Als Beispiel für eine solche Partnerschaft kann die auf der Klimakonferenz initiierte Partnerschaft mit Südafrika dienen, die eine Just Transition in Südafrika als Fokus hat.
     
  • Von fossilen Energieträgern zu Erneuerbaren Energien
    Das im letzten Jahr veröffentlichte Szenario der Internationalen Energieagentur enthält die neuen Richtwerte für die Ziele im Energiesektor. Für die G7-Staaten folgt daraus, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen und ihre Stromsysteme bis 2035 komplett dekarbonisiert zu haben. Zudem müssen die G7 die Subventionierung fossiler Brennstoff e einstellen. Hierzu ist es wichtig, dass die G7-Staaten zunächst definieren, was ineffiziente Subventionen sind und sich dann zu transparenten Ausstiegsplänen verpflichten. Auch auf internationaler Ebene müssen alle G7-Staaten aus der Finanzierung fossiler Energieträger aussteigen und ihre Investitionen in nachhaltige Energieinfrastruktur umleiten.
     
  • Solidarität mit den Ärmsten und Verletzlichsten
    Kurz vor der COP 26 wurde klar, dass die Industrienationen das Ziel, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar in Klimafinanzierung zu investieren, nicht erreichen würden. Deswegen müssen sich die G7 als reichste Industrienationen dieses Jahr dazu verpflichten, dieses Ziel bereits in 2022 einzuhalten. Zudem sollten sie anerkennen, dass eine massive Steigerung der Klimafinanzierung nötig sein wird. Diese muss sich an den Bedarfen der Ärmsten und Verletzlichsten orientieren – dies gilt insbesondere für Schäden und Verluste, die schon jetzt durch die Klimakrise entstehen. Viele Staaten befinden sich bereits in einer Schuldenkrise, die durch die Corona-Pandemie und die Klimakrise drastisch verschärft wird. Auch hier müssen die G7 sich für Lösungen einsetzen, um diese Staaten so schnell wie möglich zu entlasten.
     
  • Versprechen der Klimakonferenz einhalten
    Initiativen gestartet, wie z. B. die Methan-Pledge, in der sich über 100 Länder dazu verpflichtet haben, ihre Methan-Emissionen bis 2030 um 30 % zu verringern. Angesichts der Vielzahl neuer Zusagen sollten die G7 Mechanismen initiieren und unterstützen, mit denen einfach nachzuverfolgen ist, ob diese Versprechen eingehalten und bereits durch nationale Klimaziele abgedeckt werden.

 

Zivilgesellschaftliche Vernetzung

Germanwatch arbeitet außerdem auch in zwei offiziellen Engagement-Gruppen mit, die den G7-Prozess begleiten. Zum einen engagiert sich Germanwatch in Arbeitsgruppen der Zivilgesellschaft (Civil Society 7) und zum anderen ist Germanwatch auch an dem Prozess der Think Tank 7 beteiligt. Beide Engagement-Gruppen wurden ursprünglich von der G7 (ehemals G8) ins Leben gerufen. Sie erarbeiten Forderungen, die im Rahmen von Veranstaltungen im Mai präsentiert und an die G7-Präsidentschaft übergeben wurden.
 

Und nach dem Gipfel?

Obwohl die G7 nur wenige Staaten umfasst, sollte deren Relevanz nicht unterschätzt werden. Ein starkes Ergebnis des G7-Gipfels kann weiteren politischen Meilensteinen des Jahres, wie z. B. der Klimakonferenz oder dem G20-Gipfel im November, neue Dynamik verleihen. Zudem haben diese Staaten eine historische Verantwortung, als Motor für Gerechtigkeit und ambitionierte Klimapolitik zu dienen.

 


Dieser Beitrag erschien zuerst in der EINBLICK-Ausgabe 1/2022, dem Germanwatch-Magazin für Unterstützer:innen.

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Referentin für Klimaaußenpolitik

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Referentin für Klima-Risikomanagement;
Koordinatorin für Klimaaußenpolitik und G7