Press Release | 22 June 2022

Einigung im Europaparlament bei Emissionshandel und CO2-Grenzausgleich geht nicht weit genug

Enttäuschung beim Emissionshandel für Gebäude und Straßenverkehr / Leichte Verbesserungen des Kommissionsvorschlags beim Emissionshandel für Industrie / Bundesregierung jetzt in der Verantwortung, ambitioniertes EU-Klimapaket voranzubringen
Pressemitteilung

Berlin/Straßburg (22. Juni 2022). Das Europäische Parlament hat heute nach einem ersten gescheiterten Versuch vor zwei Wochen seine Position zur Weiterentwicklung des Emissionshandels und zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichmechanismus mit breiter Mehrheit beschlossen. Aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch wird das Europaparlament mit dem heutigen Kompromiss seiner wichtigen Klimavorreiterrolle nur eingeschränkt gerecht. „An mehreren Stellen geht das Parlament leicht über den Kommissionsvorschlag hinaus, an anderen bleibt es dahinter zurück. Insgesamt ist das ein zu kleiner Schritt für den jetzt notwendigen Klimaschutz, gerade vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Dringlichkeit, Europa unabhängig vom Import fossiler Energie zu machen“, so Anne Gläser, Expertin für CO2-Preise bei Germanwatch.

Rückenwind für Einführung des CO2-Grenzausgleich, aber mit Zugeständnissen an Industrie

Enttäuschend ist laut Germanwatch, dass Unternehmen noch zehn Jahre lang kostenlose Emissionszertifikate bekommen sollen. Dieser Kompromiss wird der gewaltigen Herausforderung einer schnellen Industrietransformation nicht gerecht“, so Gläser. „Immerhin wird die kostenlose Zuteilung an strengere Kriterien geknüpft. Dennoch entgehen der EU und den Mitgliedstaaten durch das Verschenken der Zertifikate Milliardensummen, die sonst als Investitionshilfen die Industrietransformation beschleunigen könnten.“ Begrüßenswert ist aus Germanwatch-Sicht dagegen die Einigung zur Aufnahme der Müllverbrennung in den Emissionshandel ab 2026 und zu strengeren Regeln für die Schifffahrt.

Positiv hervorzuheben sei ebenfalls die Einigung auf einen breiten Anwendungsbereich für den CO2-Grenzausgleich. Gläser: „Das gibt dem Kommissionsvorschlag zum wichtigen Grenzausgleich so viel Rückenwind, dass dessen Einführung nun sehr wahrscheinlich ist. Insbesondere die Position, den Ausgleich bis 2030 auf alle vom Emissionshandel abgedeckten Bereiche der Wirtschaft anzuwenden, ist ein starkes Signal, dass das Parlament hinter einem ernst gemeinten und funktionierenden Grenzausgleich steht“.

Was einen CO2-Preis fürs Heizen und Tanken betrifft, waren die Abgeordneten enttäuschend vorsichtig. „Statt für ein wirkungsvolles Preissignal in den Bereichen Gebäudewärme und Straßenverkehr in Kombination mit einem gut ausgestatteten Klimasozialfonds, votierten die Abgeordneten für einen völlig ausgehöhlten Mini-Emissionshandel: Nämlich für einen CO2-Preis nur für gewerbliche Emissionen und einen entsprechend geschrumpften Sozialausgleich“, so Gläser.

Bundesregierung muss vor Umweltrat EU-Klimapaket engagiert voranbringen

Nach diesem Votum des Parlaments steht nun die Bundesregierung in der Verantwortung, sich mit mehr Elan als bisher für ein starkes EU-Klimapaket einzusetzen. Während das Wirtschafts- und Klimaministerium den wichtigen EU-Themen zumindest bis jetzt nicht ausreichend Aufmerksamkeit schenkt, bremsen Kanzleramt und Finanzministerium an entscheidenden Stellen sogar. Gläser: „Wir erwarten mit Blick auf den entscheidenden EU-Umweltrat am Dienstag ein deutlich stärkeres Engagement der Bundesregierung für das Fit-for-55-Paket. Insbesondere bei zwei Punkten erwarten wir eine klare Unterstützung der Bundesregierung. Wir brauchen einen wirkungsvollen und solidarischen Klimasozialfonds als Ergänzung zu einem CO2-Preis für Gebäude- und Verkehrsemissionen. Und nachdem das EU-Parlament sich nur für eine begrenzte Rolle des CO2-Preises für Gebäude und Verkehr ausspricht, sind nun verbindliche Ziele für die Mitgliedstaaten für diese Sektoren wichtiger denn je. Die Bundesregierung sollte hier einlenken und sich auch für eine Verbesserung des Kommissionsvorschlags zur Klimaschutzverordnung einsetzen."