Die erste globale Entwicklungsagenda

Weitblick Artikel

Die erste globale Entwicklungsagenda

Sustainable Development Goals als Maßstab für Industrieund Entwicklungsländer

   
Bei der 70. UN-Generalversammlung Ende September in New York hat die Internationale Gemeinschaft einen wichtigen und angesichts der zerstrittenen Welt zuvor kaum für möglich gehaltenen Meilenstein erreicht. Globale nachhaltige Entwicklungsziele – Sustainable Development Goals (SDG) – sowohl für Entwicklungs- als auch Industrieländer sollen eine Entwicklungsagenda bis zum Jahr 2030 ermöglichen, die darauf abzielt, die individuellen und sozialen Menschenrechte innerhalb der planetaren Grenzen einzuhalten. Dabei ist klar: Die nachhaltigen Entwicklungsziele sind das Resultat von schwierigen Aushandlungsprozessen und ihre Umsetzung ist zwar angekündigt, aber nicht rechtlich bindend. Unklar ist beispielsweise, ob ihre Umsetzung eine höhere Priorität einnehmen wird als etwa das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen „TTIP“ zwischen der EU und den USA. Der Lackmustest der SDG wird die Übersetzung in nationale Politiken und die Umsetzung der 17 Haupt- und 169 Unterziele auf allen Ebenen sein.

Der Handlungsdruck für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele ist groß: Seit 1990 hat sich die Weltwirtschaft verdoppelt – die Entkopplung vom Umweltverbrauch ist jedoch noch nicht gelungen. Die CO2-Emissionen sind 40 Prozent höher, der globale ökologische Fußabdruck ist fast doppelt so hoch, wie es die Tragfähigkeit des Planeten hergibt. Ein Fünftel der Weltbevölkerung leidet schon jetzt unter Wasserknappheit. Der globale Wandel durch den menschlichen Einfluss auf den Planeten Erde ist im Jahr 2015 nicht mehr zu übersehen. Das bisherige Wohlstandsmodell der reichen Regionender Welt gerät an seine Grenzen. Auch die große Zahl von Flüchtlingen ist ein bezeichnendes Symptom dafür, dass sich diese Krisen zuspitzen.

Sind die Ziele hinreichend für die Herausforderungen der nächsten Dekade?

Die Umsetzung der SDG wird zu einer großen Herausforderung. Zum einen drohen die Krisensymptome – wie die Versorgung so vieler Flüchtlinge – den Kampf gegen die Krisenursachen in den Hintergrund zu drängen. Doch wäre es kurzsichtig und – wie es Papst Franziskus kürzlich in seiner Umwelt-Enzyklika ausgedrückt hat – ein „suizidaler Pfad“, wegen dieser akuten Krisen die Ursachen künftiger, weit größerer Krisen nicht entschieden anzugehen. Kurzfristiges Krisenmanagement muss mit langfristiger Krisenvorsorge Hand in Hand gehen. Zum anderen zeigen sich die Probleme eines ungezügelten kapitalistischen Wirtschaftssystems immer drängender: Gewinne werden privatisiert und negative Konsequenzen auf die Armen und die ökologische Mitwelt abgeschoben. Gemeingüter wie Atmosphäre, Ozeane und Böden werden zugunsten Weniger und zu Lasten der Mehrheit sowie künftiger Generationen ausgebeutet. Es darf nicht wieder – wie in der Dekade nach dem Erdgipfel von Rio 1992 – vorneherum über Nachhaltigkeit geredet und hintenherum die Bahn frei gemacht werden für einen ungezügelten Finanzkapitalismus.

Die nachhaltigen Entwicklungsziele und der UN-Klimagipfel im Dezember in Paris können zu einem wichtigen universellen Referenzrahmen werden für alle, die auf die anstehenden Krisen mit Horizonterweiterung statt angstbesetzter Horizontverengung reagieren. Doch die entscheidenden politischen Auseinandersetzungen lassen sich nur gewinnen, wenn sich Menschen in einer aktiven Zivilgesellschaft zusammenschließen, um gemeinsam zu handeln und Druck auf die Politik zu machen.
  

Sönke Kreft, Klaus Milke & Christoph Bals
  

Umfangreiche Informationen zu den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung finden Sie auf diesen Websites:

  

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