Wie misst Deutschland Fortschritte zur nachhaltigen Landwirtschaft?

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Wie misst Deutschland Fortschritte zur nachhaltigen Landwirtschaft?

„Kein Hunger”, so lautet die Kurzfassung des zweiten der siebzehn im Jahr 2015 international beschlossenen, globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs). In Deutschland muss kaum jemand hungern – ist damit für uns das Ziel schon erreicht? Nein, denn SDG 2 hat wie auch die anderen Ziele mehrere Dimensionen, bei denen es nicht nur um Hunger, sondern auch um gute Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft geht. Hier hat Deutschland besonders großen Nachholbedarf. Die Statistikkommission der Vereinten Nationen schlägt für SDG 2 insgesamt 14 Indikatoren vor. In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich eigentlich an den SDG orientiert, liegt der Fokus ganz auf nachhaltiger Landwirtschaft, allerdings werden dazu nur zwei Indikatoren festgelegt: Den Stickstoffüberschuss auf 70 kg pro Hektar zu verringern und den Anteil der ökologischen Landwirtschaft an der Agrarfläche auf 20 Prozent zu steigern. Angesichts der zahlreichen negativen Effekte von Stickstoffüberschüssen und den Vorteilen ökologischer Landwirtschaft sind beide Indikatoren an sich sehr relevant. Doch reichen sie aus?

Das Projekt 2030Watch vergleicht die von der Bundesregierung definierten Indikatoren mit anderen Nachhaltigkeitsindikatoren. Dabei zeigt das Projekt Themen auf, die im Nachhaltigkeitsmonitoring vernachlässigt werden oder zu denen es keine ambitionierten Ziele gibt. Aus dieser Sicht sind einerseits die Zielgrößen der Indikatoren nicht ehrgeizig genug, zum anderen können sie die Situation der Landwirtschaft in Deutschland nicht ausreichend abbilden:

  • Viele ExpertInnen halten einen Stickstoffüberschuss von 70 kg pro Hektar für deutlich zu hoch. Daher schlägt 2030Watch in Anlehnung an das Umweltbundesamt und den Sachverständigenrat für Umweltfragen einen Zielwert von 50 Kg pro Hektar vor.
  • Um den Anteil von ökologischer Landwirtschaft an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche bis 2030 auf 20 Prozent zu steigern, sind noch große Anstrengungen nötig: 2016 lag der Anteil erst bei 6,8 Prozent.

Im dieses Jahr erstellten internationalen ExpertInnengutachten zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird empfohlen, weitere Indikatoren aufzunehmen. In Anlehnung daran fordert 2030Watch drei weitere Indikatoren:

  • Verringerung des Einsatzes von Antibiotika in der Fleischproduktion, der in Deutschland im europäischen Vergleich besonders hoch liegt und damit die Gefahr der Entwicklung resistenter Keime und deren Verbreitung durch Fleischexporte birgt.
  • Verringerung des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft, von denen Deutschland ebenfalls vergleichsweise viele einsetzt, was zahlreiche Risiken für Umwelt und Biodiversität hat.
  • Verringerung des Fleischkonsums pro Kopf, der in Deutschland doppelt so hoch liegt wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen.

Auch mit diesen zusätzlichen Indikatoren würden nicht alle Aspekte der Landwirtschaft abgedeckt. Sie machen aber deutlich, dass der Handlungsbedarf hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft deutlich größer ist, als es in der aktuellen Berichterstattung der Bundesregierung dargestellt wird. Eine ambitionierte Nachhaltigkeitspolitik erfordert auch ambitionierte Nachhaltigkeitsindikatoren, denn nur was gemessen wird, wird auch erledigt.

Rebecca Varghese Buchholz & Claudia Schwegmann