Bildungsarbeit soll zu politischem Handeln befähigen

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Bildungsarbeit soll zu politischem Handeln befähigen

Barbara Riek, Referatsleiterin Inlandsförderung bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, fordert ausgehend von ihrer Erfahrung mit Projektberatung und -finanzierung politischere Ansätze in Bildungsprojekten, die junge Menschen zum politischen Handeln und Verändern von Strukturen befähigen.

Germanwatch dokumentiert Auszüge eines mündlichen Statements von Barbara Riek in der VENRO-AG Bildung als Reaktion auf das VENRO-Diskussionspapier zum Abschluss der UN-Dekade BNE. VENRO ist der Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen in Deutschland.

[In den Zielformulierungen der bei BfdW – EED eingereichten Anträge] liegen eine Reihe von Problemen. Hinsichtlich der Verantwortung wird meist nicht ausreichend differenziert, wer welches Maß an Verantwortung trägt. Ein Jugendlicher, der bei H&M auf Schnäppchenjagd geht, hat ein anderes Maß an Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in Bangladesch als ein H&M-Manager, der Zulieferer mit entsprechenden Verträgen knebelt. Dieser Unterschied muss analysiert und verstanden werden, sonst kann man das Problem nicht lösen. Aber da wir nur des Jugendlichen habhaft werden, verbleibt das Problem bei ihm. Damit zusammenhängend: Man kann nicht die Verantwortung von systembedingten Fehlentwicklungen Individuen aufladen, die wir mit unseren Bildungsangeboten zumeist zufällig erreichen. Und die Handlungen, die die Zielgruppen ergreifen sollen, bewegen sich in aller Regel auf der Ebene individueller Verhaltensänderungen und auf Konsumebene. Die Beteiligung am Fairen Handel ist sicher in mehr als der Hälfte der von uns geförderten Projekte das Mittel der Wahl, wenn es um die Lösung der Weltprobleme geht. Keine Frage: Die Stärkung des Fairen Handels ist ein wichtiges Instrument zur Sicherung von Zukunftsfähigkeit, aber Fairen Handel als Allzweckwaffe bei allen möglichen Problemen anzusehen ist – sorry – Respektlosigkeit gegenüber dem intellektuellen Horizont unserer Zielgruppen. Der normale Handel darf „unfair“ weitergehen? Zudem: Wer über keinen Geldbeutel verfügt oder beim Konsum keine Wahlmöglichkeit hat, kann demnach auch nichts tun. Wir reduzieren BürgerInnen zu KonsumentInnen. Wenn wir das Ziel ernst nehmen, dass Bildung auf gesellschaftlichen Wandel zielen soll, müssen wir uns auch für die Bildungsprojekte andere und ehrgeizigere Ziele vornehmen: Warum zielen die Projekte nicht auf die Befähigung zu politischem Handeln? Zum Beispiel auf Einflussnahme in der Schülermitverwaltung, auf Mitarbeit in der Schülerzeitung, auf das Einüben politischer Rede, auf die Beteiligung an politischen Diskussionen, auf den Streit mit Mandatsträgern, überhaupt auf die Bereitschaft und die Befähigung zum Streit, auf die Organisation von Demos, auf die Organisation kollektiver Boykottaktionen, auf die Mitarbeit in Parteien usw. usf. [...]

Wenn es bisher keine gezielte Transformation durch einen gesellschaftlichen Lernprozess gegeben hat, dann ist Bildung vielleicht schlicht damit überfordert und sollte sich diese Aufgabe und diese Verantwortung auch nicht aufladen lassen. Das würde bedeuten, dass wir uns – wieder einmal – fragen müssen, welchen Beitrag wir mit Bildungsarbeit zu einer gesellschaftlichen Transformation leisten können; ich denke, Bildung hat da eine Rolle. [...]
 

Quelle: Barbara Riek, mündlicher Beitrag in der VENRO-AG Bildung am 24.10.2014;
Link zum VENRO-Diskussionspapier: http://kurzlink.de/VENRO-Transformativ