Pressemitteilung | 12/01/2018 - 15:54

Sondierungsergebnis: Nicht das nötige Aufbruchssignal für ökologisch modernisiertes Deutschland und Europa

Nachliefern der Koalitionsverhandler nötig u. a. bei CO2-Preis und UN-Nachhaltigkeitszielen
Pressemitteilung

Berlin/Bonn (12. Jan. 2018). Die Verhandlungsteams von CDU/CSU und SPD haben es nicht geschafft, ihr mögliches Regierungsprojekt mit einem Aufbruch in ein ökologisch modernisiertes, gerechtes Deutschland und Europa zu verbinden. Das ist Hauptkritikpunkt der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch am heute vorgelegten Sondierungsergebnis für eine neue Große Koalition.

"Wir freuen uns, dass Union und SPD Deutschlands Engagement für das Friedens- und Zukunftsprojekt EU stärken wollen", sagt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Doch wie kann es sein, dass sie diesen Aufbruch nicht systematisch verbinden mit den großen Themen Klimazielerreichung und nachhaltige Modernisierung? Es ist ein Skandal, dass die Nachhaltigkeitsziele, die die Staatengemeinschaft 2015 für arme und reiche Staaten beschlossen hat, mit keinem Wort vorkommen. Es ist sogar zu befürchten, dass Deutschland unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus die politische Handlungsfähigkeit der EU für Menschenrechte, mehr Gerechtigkeit und Umwelt weiter einschränkt. Diese Lücken konterkarieren das europäische Aufbruchssignal. Hier müsste in einem Koalitionsvertrag dringend nachgelegt werden", sagt Milke.

Klimazielerreichung nicht gesichert

"Für die klimapolitische Modernisierung Deutschlands versprechen Union und SPD statt der notwendigen Instrumente vor allem Kommissionen zur Erreichung der Klimaziele", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Bals weiter: "Es ist positiv, dass das Erreichen der künftigen Klimaschutzziele durch ein Gesetz abgesichert werden soll. Aber mit keinem Wort wird der CO2-Mindestpreis für alle Sektoren erwähnt, der notwendig ist, um dieses Ziel auch umzusetzen. Es ist erfreulich, dass nun angekündigt wird, die Handlungslücke zum 2020-Klimaziel so schnell und weit wie möglich zu schließen. Aber es spricht angesichts des Zeitdrucks für mangelnde Ernsthaftigkeit, wenn eine Kommission erst Ende des Jahres Vorschläge dafür vorlegen soll. Es ist erfreulich, dass es ein Ausstiegsdatum für die Kohle geben soll, aber es fehlt die klare Ansage, dass die entsprechende Kommission ein Ziel setzen muss, das zu den Klimazielen von Paris passt." Auch könne man sich nicht zur klimapolitischen Vorreiterrolle der EU bekennen, aber zugleich kein Wort von der notwendigen Anhebung des EU-Klimaziels für 2030 im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen aufschreiben.

Landwirtschaftskapitel mit Lücken

Im Landwirtschaftskapitel sieht Germanwatch auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft viele Lücken aber auch Fortschritte. Es fehle z. B. ein Bekenntnis zur Verringerung der Tierbestände. Diese ist auch für den Klimaschutz in der Landwirtschaft unumgänglich. Begrüßenswert ist grundsätzlich die Erwähnung der geplanten staatlichen Kennzeichnung zum Tierschutz, allerdings fehlt eine Verpflichtung zur Kennzeichnung. Positiv ist auch, dass die internationale "Wettbewerbsfähigkeit" der Landwirtschaft nicht mehr erwähnt wird, die bisher eine ideologische Grundlage für die Überproduktion an Fleisch und Milch mit ihren vielen Problemen bildete. Wie ernst der aufgeführte Wille zu mehr Transparenz bei der Zulassung von Pestiziden ist, muss eine neue Regierung nach der Verlängerung der Zulassung für Glyphosat durch den Alleingang von CSU-Minister Schmidt erst noch beweisen.

Bürokratieabbau als Deckmantel für weiteren Verlust der politischen Handlungsfähigkeit

"Es ist sehr bedauerlich, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene die politische Handlungsfähigkeit weiter schwächen will. Es ist kontraproduktiv, sich unter dem Etikett Bürokratieabbau für eine dirigistische Regel einzusetzen, die für jede neue Regulierung eine andere abschafft", kritisiert Christoph Bals. Die EU-Kommission hat sich im Oktober 2017 gerade von diesem Prinzip verabschiedet, eben weil sie die Politik dadurch zu sehr in ihrer politischen Handlungsfähigkeit eingeschränkt sieht.