Ein zukunftsfähiger Finanzmarkt als Hebel für wirtschaftlichen Wandel

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Ein zukunftsfähiger Finanzmarkt als Hebel für wirtschaftlichen Wandel

Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet alle Staaten, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf möglichst unter 1.5 °C zu begrenzen. Dafür muss es gelingen, dass bis 2050 die Volkswirtschaften treibhausgasneutral wirtschaften – also dann nicht mehr CO2 freisetzen, als gebunden wird. Die notwendige Transformation kann nur durch das massive Umlenken der Investitionsströme gelingen. Jedes Unternehmen sollte sich an 5-Jahres-Meilensteinen für die Transformation orientieren und der Finanzmarkt diese Szenarien in einem Stresstest prüfen.

Das größte Hindernis: Noch agieren Finanzmärkte extrem kurzfristig, während die Folgen des Klimawandels überwiegend mittel- bis langfristig wirken. Das notwendige klare Signal an die Realwirtschaft, sich auf Wetterrisiken und Klimaklagen vorzubereiten und nicht durch den Bau fossiler Energieanlagen gegen Klimaziele des Pariser Abkommens zu wetten, werden so nicht ausreichend adressiert. Dies kann in absehbarer Zeit sogar die Stabilität des Finanzmarktes gefährden. In einer wirkmächtigen Rede vor dem Versicherungsmarkt Lloyd‘s of London im Jahr 2015 bezeichnete Mark Carney, Gouverneur der englischen Zentralbank, dies als „Tragödie des kurzfristigen Horizonts“.

Doch Politik, Aufsichtsbehörden und Finanzwollenmarkt haben gerade erst begonnen, Ausmaß und Dringlichkeit dieser Herausforderungen zu verstehen. Drei Dinge werden entscheidend sein, die Tragödie des kurzfristigen Horizonts aufzulösen:

  • Eindeutige politische Signale, unter anderem durch einen CO2-Preis mit Lenkungswirkung und verlässliche Reduktionspfade auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität
  • Verbindliche Rahmenbedingungen für den Finanzsektor, die Zukunftsszenarien der Realwirtschaft und die Konsequenzen für das eigene Portfolio einem Stresstest zu unterwerfen
  • Ein Umdenken und -lenken in Finanz- und Realwirtschaft selbst

Eine Vorreiterrolle sollten öffentliche Geldinstitute – wie Sparkassen oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – einnehmen. Sich konsequent am 1,5 °C-Limit des Pariser Klimaabkommens und an der menschenrechtsbasierten Umsetzung der nachhaltigen UN-Entwicklungsziele (SDGs) auszurichten, gehört zu ihrem Gemeinwohlauftrag.

Im Vergleich zu Vorreitern wie den Niederlanden, Frankreich oder Norwegen und teilweise auch China und Kanada nahm Deutschland bislang nur eine Beobachterrolle ein. Manche Finanzmarktakteur_innen sind schon einen Schritt weiter. Immer mehr Investor_innen greifen der Politik vor, etwa mit Ankündigungen, zunehmend nur noch in Unternehmen und Infrastruktur zu investieren, die eine glaubwürdige Strategie für die notwendige Transformation haben. Im Jahr 2019 aber hat die Bundesregierung endlich frischen Wind in die Debatte gebracht. Dem neuen Sustainable Finance-Beirat hat die Bundesregierung das Mandat gegeben, Vorschläge vorzulegen, wie Deutschland zu einem der führenden Standorte für nachhaltige Finanzen werden kann. Daran arbeiten nun seit Juni diesen Jahres 38 Mitglieder und Beobachter_innen aus Finanz- und Realwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft im Auftrag von Umwelt-, Finanz- und Wirtschaftsministerium gemeinsam. Germanwatch ist durch den Politischen Geschäftsführer Christoph Bals vertreten. Schon im Frühjahr soll es ein erstes Paket an konkreten Handlungsempfehlungen und einen Zeitplan zu deren verbindlicher Umsetzung geben. So könnte Sustainable Finance künftig als Querschnittsthema eine Hebelwirkung über alle sektoralen Tranformationsprozesse hinweg einnehmen.

Christoph Bals, Franziska Marten und Milena Ostrower