Wie die Wahrnehmung von Gerechtigkeit die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen beeinflusst

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Wie die Wahrnehmung von Gerechtigkeit die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen beeinflusst

Inwiefern eine politische Maßnahme gesellschaftlich breit akzeptiert wird, hängt maßgeblich davon ab, ob sie als gerecht wahrgenommen wird. Auch diese Einschätzung wird natürlich von der im vorherigen Artikel genannten Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen beeinflusst, hängt aber darüber hinaus von weiteren Faktoren ab. Am Beispiel von CO2-Preisen weisen Dr. Sara Maestre-Andés und ihre Kollegen in einem Review u.a. auf die Verwendungen der durch CO2-Preise generierten Finanzmittel als zentralen Einflussfaktor hin.

Germanwatch zitiert und übersetzt hier Passagen aus dem englischsprachigen Fachjournal „Climate Policy“.

„[…] die CO2-Bepreisung ist eine systemische Politikgestaltung [zum Klimaschutz], die CO2-intensive Wirtschaftszweige und Produkte weniger attraktiv für Produzent*innen und Konsument*innen machen und eine erneuerbare Energieproduktion stimulieren soll. CO2-Preise generieren außerdem Einnahmen, die für öffentliche Investitionen in Klimaschutz- oder -anpassungsmaßnahmen oder zur Kompensation von ungleichen Belastungen durch die CO2-Preise genutzt werden können. […]

[Trotzdem] steht diesem politischen Instrument in vielen Ländern immer noch beträchtlicher öffentlicher sowie politischer Widerstand entgegen […]. Eine geringe öffentliche Akzeptanz von CO2-Preisen korreliert signifikant mit einer wahrgenommenen (Un)Gerechtigkeit von CO2-Preisen (u.a. Clayton, 2018). […]

Wir untersuchen, welche Aspekte wahrgenommener Gerechtigkeit bisher untersucht wurden und wie sie die Akzeptanz politischer Maßnahmen beeinflussen. Dabei berücksichtigen wir Bedenken aus der breiten Öffentlichkeit sowie teilweise von einzelnen Akteur*innen wie Politiker*innen oder Entscheidungsträger*innen aus der Wirtschaft. […]

Inwiefern sind Kosten und Nutzen gerecht verteilt?

Ein Urteil darüber, ob eine politische Maßnahme „gerecht“ ist, wird beeinflusst von der Wahrnehmung möglicher persönlicher Konsequenzen [für mich selbst] und der Konsequenzen für andere Personen [gesellschaftliche Verteilungseffekte] dieser Maßnahme sowie der Art und Weise, wie sie eingeführt wurde [vgl. Abbildung 2]. […]

Angenommene persönliche Konsequenzen: Mehrere Studien zeigten, dass sich die Befürchtung, die CO2-Preise würden zu höheren Energie-Preisen und einer geringeren Kaufkraft führen, negativ auf die Akzeptanz derselben auswirkte. […] Ein mehrfach gefundener positiver Effekt für die Akzeptanz von CO2-Preisen war die Annahme, dass CO2-Preise die persönliche Entscheidungsfreiheit nicht einschränken würden. […]

Abbildung 2: Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten wahrgenommener Gerechtigkeit und der Akzeptanz von CO2-Preisen (Eigene Übersetzung des Modells basierend auf Mastre-Andrés et al. (2019)

 

Verteilungseffekte: In mehreren Studien wurde deutlich, dass eine Kostenaufteilung, bei der eine CO2-Steuer abhängig vom Einkommen der Bürger*innen berechnet wurde, die Akzeptanz deutlich erhöhte. […] Darüber hinaus vergrößerte eine an Bedürfnisse/ Umstände gebundene Ausgestaltung, die z.B. Menschen in ländlichen Gebieten, die stärker auf ein Auto angewiesen sind, weniger stark belastete, die Akzeptanz. […] Die Akzeptanz für einen CO2-Preis war außerdem höher, wenn auch Unternehmen diesen zahlen mussten. […]

Wie sieht der Prozess aus, in dem die Maßnahme eingeführt wird?

Mehrere Studien weisen darauf hin, dass die Akzeptanz eines CO2-Preises umso höher ist, je eher Bürger*innen zufrieden mit den Informationen bzw. der Transparenz waren, die eine Regierung darüber zur Verfügung stellte sowie je stärker das Vertrauen der Bürger*innen in die Regierung war. […]

Wofür werden die Einnahmen aus den CO2-Preisen verwendet?

Das Akzeptanzniveau ist nach aktuellem Forschungsstand stark davon abhängig, wie Einnahmen aus den CO2-Preisen verwendet werden (u.a. Klenert et al., 2018). […]
Unser Review deutet darauf hin, dass einige Befragte – obwohl sie große Sorge bezüglich einer ungleichen Verteilung der Last eines CO2-Preises ausdrücken – eine Verwendung der Einnahmen durch CO2-Preise für Umwelt-/ Klimaschutzprojekte gegenüber einem Ausgleich von ungleichen CO2-Preis-Belastungen bevorzugen. Die Umverteilung der Einnahmen [Rückgabe an finanziell schwächere oder durch ihre ländliche Wohnlage besonders von einem CO2-Preis betroffene Haushalte, Anm. d. Red.] war jedoch die am zweithäufigsten favorisierte Option zur Nutzung der Einnahmen, die signifikant die Akzeptanz von CO2-Preisen erhöht. […]

[Gründe dafür könnten sein, dass viele Bürger*innen] das Hauptziel eines CO2-Preises (Verhaltensänderung von CO2-intensiver hin zu CO2-freier Produktion und Konsum) mit dem Ziel einer Einkommenssteuer (Gelder für öffentliche Investitionen zu generieren) verwechseln und es daher naheliegender finden, die Gelder in Umweltschutzprojekte zu investieren. […]

Carattini et al. (2017) zufolge führt das explizite Aufzeigen von Verteilungseffekten zu einem verstärkten Bevorzugen der Verwendung der Gelder aus einem CO2-Preis für einen Ausgleich von ungleichen Belastungen für schwächere Bevölkerungsgruppen. […]

Insgesamt sprechen unsere Ergebnisse für eine Kombination der Verwendungszwecke der Einnahmen in einen Belastungsausgleich auf der einen Seite und weitere Klimaschutzmaßnahmen wie Investitionen in Erneuerbare Energien auf der anderen Seite, um die Akzeptanz für klimapolitische Maßnahmen wie einen CO2-Preis zu erhöhen.“

Quelle: Maestre-Andrés, S., Drews, S., & Van den Bergh, J. (2019). Perceived fairness and public acceptability of carbon pricing: a review of the literature. Climate Policy, 19:9, 1186-1204.

 

Vergleiche als Mittel zur Beurteilung von Gerechtigkeit

Eine genauere Betrachtung der Vergleiche, die von Menschen zum Teil bewusst, zum Teil unbewusst vorgenommen werden, um zu beurteilen, ob sie eine politische Maßnahme als gerecht empfinden, und – wie im obigen Text deutlich wurde – dementsprechend eher unterstützen, wurde von Schuitema, Steg und Van Kruining (2011) vorgenommen.
Auf Basis verschiedener Studien zur Akzeptanz von verkehrspolitischen Maßnahmen haben die Verhaltenswissenschaftler*innen eine Übersicht intra- und interpersoneller sowie intergenerationaler Vergleiche erstellt.

Germanwatch übersetzt diese Übersicht ergänzend zum obigen Text und skizziert beispielhaft Reaktionen, wie sie potentiell aus den Vergleichen bei der Einführung einer von den Fluggesellschaften an die Kunden weitergegebenen Kerosinsteuer aufgrund von erwarteten oder subjektiv erlebten Auswirkungen erfolgen könnte.

Abbildung 3: Eigene Übersetzung von Schuitema, G., Steg, L., & Van Kruining, M. (2011). When are transport policies fair and acceptable? Social Justice Research, 24, 66-84 u. Anwendung auf das Bsp. Kerosinbesteuerung.