Rindfleischexporte und anderer Irrsinn

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Rindfleischexporte und anderer Irrsinn

 

Nun soll also Nordkorea mit europäischen Rindfleischüberschüssen beliefert werden? Welch eine Ausgeburt völlig verfehlter Agrarpolitik! Die industriell geprägte Landwirtschaft verfuhr immer nach dem Prinzip: fördern ohne Grenze, und wenn dann die Überschüsse nicht mehr absetzbar sind: vernichten oder exportieren. Mit den ungeheuren Massen an nicht absetzbaren Rindern infolge des Nachfragerückgangs wegen BSE wurde aber eine Grenze überschritten, denn die Verbraucher spielen nicht mehr mit. Dabei gibt es einen klassischen Zielkonflikt, in dem man nur noch den Teufel mit dem Beelzebub austreiben kann: wenn schon zu viele Tiere da sind, was soll nun mit ihnen geschehen? Es gibt (unter der Annahme, dass alles Fleisch als BSE-frei getestet wurde) folgende Möglichkeiten:

  1. Verbilligte Abgabe an die europäischen Verbraucher. Dies wäre wirksam, würde aber den Verbraucher wiederum zum Kauf von qualitativ bedenklichem, nicht nachhaltig produziertem Fleisch animieren und wahrscheinlich die Fleischberge nicht wirklich abbauen.
  2. Verarbeitung zu Haustierfutter. Dies wäre die beste Möglichkeit. Allerdings steht zu befürchten, dass die Verbraucher solches Tierfutter genau so wenig akzeptieren würden, wie sie selbst bereit sind, das Fleisch für den eigenen Verzehr zu kaufen.
  3. Exporte sind keine Option, da sich die Industrieländer weitgehend weigern, weitere Mengen aufzunehmen und für Entwicklungsländer (einschließlich der Länder der ehemaligen Sowjetunion) die bekannten Nachteile der Marktstörung nicht zu vermeiden wären (s. unten das Beispiel Westafrika 1991-93).
  4. Einlagerung ist nur begrenzt möglich, Rindfleisch ist auch gefroren nur befristet (max. 6.9 Monate) haltbar. Zudem ist das Eindosen sehr energieaufwendig, und für Dosen gibt es nur einen sehr kleinen Markt.
  5. Bleibt noch Nothilfe. Nordkorea hat um eine Lieferung gebeten und den Auflagen des BMZ u.a. bezüglich Transparenz der Verteilung und Garantien, dass die Lieferungen bei den Armen ankommen, zugestimmt. Märkte gibt es nicht, sie können also nicht gestört werden. Auch soll der Entwicklungshaushalt nicht mit diesen Lieferungen belastet werden. Aber es bleiben viele Bedenken:
  • Die dringend notwendige Förderung der nordkoreanischen Landwirtschaft durch den Staat unterbleibt, es wird eine Abhängigkeit in der Nahrungsversorgung von Europa induziert und möglicherweise längerfristig festgeschrieben.
  • Die Chance einer Versöhnungsgeste (Südkorea hat auch angeboten zu liefern) wird vertan.
  • Es gäbe viele Möglichkeiten, die Eiweissversorgung Nordkoreas preiswerter und an die Ernährungsgewohnheiten angepasst zu gewährleisten.
  • Wegen der leichten Verderblichkeit kann Fleisch (ob gefroren oder in Dosen) unter den vorliegenden schlechten Hygieneverhältnissen und bei der geringen Erfahrung mit Fleisch als Lebensmittel in Nordkorea verstärkt zu Magen-Darm-Erkrankungen führen.

Die Kosten werden enorm sein, letztlich wäre es billiger, die Tiere lebend nach Nordkorea zu schaffen, wenn dem nicht Bedenken bezüglich BSE entgegenständen (von ökologischen Bedenken einmal ganz abgesehen).

Es ist erkennbar, dass es entsprechend entwicklungspolitischer Kriterien nie zu einer solchen "Nothilfe-Aktion" gekommen wäre. Man kann nur hoffen, dass diese Entsorgungsaktion nicht auf die normale Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe zurückfällt, wenn nämlich durch die schlechten Hygieneverhältnissen und bei der geringen Erfahrung mit Fleisch als Lebensmittel negative Folgen im größeren Stil auftreten. Da es ja auch Vorschläge gibt, Rindfleisch nach Russland oder in die Mongolei zu liefern, sei hier noch einmal an das Rindfleischdumping Anfang der 90er Jahre in Westafrika erinnert. Die EU als damals weltweit größter Rindfleischexporteur hatte damals hoch subventioniertes Rindfleisch nach Westafrika exportiert und so die afrikanischen Preise unterboten. Die Auswirkungen auf den regionalen Viehhandel waren dramatisch. Zwischen 1980 und 1992 sank die Zahl der verkauften Tiere um mehr als 75 %. Gleichzeitig fielen die Preise für Rinder rapide. Viele Nomaden waren akut von Hunger bedroht, da der Viehverkauf ihre einzige Einkommensquelle ist.

Die alte Forderung der NRO, Exportsubventionen abzuschaffen, erhält also immer wieder neuen Auftrieb. Wichtig ist aber auch die Forderung nach einer wirksamen Abkehr von der Überschussproduktion. Durch eine Kombination von Flächenbindung (Reduzierung der Tierzahl pro Hektar), Auflagen bezüglich Haltung, Züchtung und Fütterung sowie gezielter Förderung muß muss gewährleistet werden, dass deutlich weniger Tiere gemästet werden und die Verbraucher mit Preisen konfrontiert werden, die artgerechte und nachhaltige Produktionsweisen ermöglichen.

Rainer Engels
 

 

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