Ziel: Große Transformation

Weitblick Artikel

The aim: a Great Transformation

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Ziel: Große Transformation

Die Grenzen des Planeten geben den Impuls zum Umgestalten
Weitblick-Bild: 4/2012-Ziel: Große Transformation

Foto: alphaspirit - Fotolia.com

 
Seit 2008 erleben wir in dichter Folge globale Krisen – Energie, Rohstoffe, Klima, Ernährung, Finanzen, Wirtschaft. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Grenzen des Planeten nicht nur theoretisch beschrieben, sondern zunehmend praktisch erlebt werden. Dies wirft globale Fragen auf, aber auch solche für jeden Einzelnen.

Wie wollen wir leben? Es fängt bei uns selbst an: mehr Zeit für Freunde, Familie, uns selbst. Freiräume schaffen und gestalten, in der Natur, in Gruppen oder Vereinen. Nachhaltig einkaufen in einer Welt, in der die Preise durch politische Rahmensetzungen den sozialen und ökologischen Fußabdruck widerspiegeln. Nachhaltigere und vielleicht auch weniger Mobilität, insbesondere weniger (Fern-)Flüge. Für immer mehr arme Menschen – vor allem in Entwicklungsländern, aber auch bei uns – heißt es zuallererst das Recht auf ausreichend gesunde Nahrung und Wasser. Es bedeutet hier wie dort auch Zugang zu Energie, Erneuerbarer Energie, letztlich Zugang zu Entwicklung.

Die Schwellenländer kopierten bislang oft westliche Konsummodelle. Nachhaltige Wirtschaftsformen und Lebensstile sind kaum (noch) vorhanden. Mit großem Interesse wird dort das Experiment der Energiewende in Deutschland beobachtet. Gelingt sie, könnte Deutschland als Industrieland ohne Atom- und nahezu ohne fossile Energie global ein Zeichen setzen. Bislang lähmt das fehlende Vertrauen in den Erfolg dieser Transformation, das fehlende gelebte Beispiel eines post-fossilen Industrielandes, die internationalen Fortschritte.

Es ist eine große Herausforderung, von einem fossilen in ein post-fossiles Wirtschaftssystem überzugehen. Doch im Rahmen der Großen Transformation ist dies nur der Übergang in einem ersten Sektor in Richtung Kreislaufwirtschaft, um auf die Grenzen des Planeten zu reagieren. Schlüssige Antworten auf soziale Fragen wie die Generationengerechtigkeit gehören ebenso dazu.

Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Karl Polanyi prägte 1944 den Begriff Große Transformation. Er analysierte, wie im Zuge der industriellen Revolution die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden, Geld – und mit ihnen die Menschen – ihre kulturelle Einbettung verloren und dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage unterworfen wurden. Existenziell gefährdet reagierten viele Menschen, indem sie nach einem starken Staat riefen – in kommunistischen Staaten, im nationalsozialistischen Deutschland. Die heutige Situation ist in vielen betroffenen Ländern ähnlich herausfordernd, nachdem im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise oder der Ernährungskrise Menschen zu Spielbällen des Marktes wurden. Der Ausgang der jetzigen Situation ist offen, aber gestaltbar. Deshalb geht es jetzt gerade um die Rückeinbettung: des Finanzsystems ins Wirtschaftssystem, des Wirtschaftssystems ins sozio-kulturelle System und die Einbettung dieses Systems in die natürliche Umwelt. Keine Frage – eine große Herausforderung für unsere Generation und die kommenden.

Stefan Rostock