Pressemitteilung | 18.01.2017

Reserveantibiotika in der Tierhaltung: Umetikettierung von Wirkstoffen behebt keine Missstände

Germanwatch warnt vor Gesundheitsgefahr: Mehr Resistenzen gegen Notfall-Antibiotika drohen - Widerstand der Länder gefordert
Pressemitteilung

Berlin (18. Jan. 2017).    Das Bundeslandwirtschaftsministerium plant offenbar zwei Antibiotikaklassen von der Liste der sogenannten Reserveantibiotika zu streichen. Damit würde sich auch das Risiko für Menschen vergrößern, dass sich gegen diese Antibiotika resistente Keime bilden, warnt die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Denn diese Arzneimittel könnten dann in deutlich größerem Umfang in der Tierhaltung eingesetzt werden. Reserveantibiotika werden von der Weltgesundheitsorganisation WHO als "besonders wichtig" für die Humanmedizin angesehen, da sie eingesetzt werden wenn herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken.

Das Landwirtschaftsministerium hatte im September ein Eckpunktepapier mit strengeren Regeln für den Einsatz von besonders wichtigen Reserveantibiotika in der Tierhaltung vorgelegt und angekündigt, den Verbrauch dieser Arzneimittel im Stall zu verringern. Diesen Schritt in die richtige Richtung droht Landwirtschaftsminister Schmidt nun auszuhebeln, indem er schlicht zwei Antibiotikaklassen von der Liste der sogenannten Reserveantibiotika streichen will. Germanwatch-Agrarexpertin Reinhild Benning: "Damit riskiert der Verbraucherschutzminister, dass diese Mittel im Stall nach Gutdünken der Tierärzte, ohne Wirksamkeitstests und ohne Limit eingesetzt werden und somit zunehmend resistente Bakterien entstehen. Antibiotikaresistenzen gegen diese Mittel bergen große Gesundheitsgefahren für Menschen, insbesondere auch für Kinder, die auf die Wirksamkeit dieser Notfall-Antibiotika angewiesen sind. Der jüngste Fall einer Patientin in den USA, die nach dem erfolglosen Einsatz von 26 Antibiotika an einem multiresistenten Keim starb, zeigt noch einmal, wie wichtig es ist, der Wirksamkeit von Antibiotika absolute Priorität zu geben."

Germanwatch: Plan des Landwirtschaftsministers verstößt gegen UN-Vorgaben
Anlässlich der heute beginnenden Agrarminister-Konferenz von Bund und Ländern fordert Germanwatch die Länder auf, die Pläne des Landwirtschaftsministeriums im Bundesrat zu stoppen und die Gesundheitsgefährdung durch Missbrauch von Reserveantibiotika im Stall entschieden zu bekämpfen. Aus Sicht von Germanwatch verstößt der Plan des Landwirtschaftsministeriums auch gegen den UN-Leitsatz "Eine Gesundheit für Mensch und Tier" (One-Health-Ansatz). Im Rahmen dieses Ansatzes habe die Weltgesundheitsorganisation WHO die Autorität, Antibiotikawirkstoffe als "besonders wichtig" für den Menschen einzustufen. Die einzelnen UN-Staaten sind laut WHO gehalten, für ihren jeweiligen humanmedizinischen Bedarf gegebenenfalls Arzneimittel zu der nationalen Liste dieser Wirkstoffe hinzuzufügen, nicht aber von der UN-Liste zu streichen, so wie es das Landwirtschaftsministerium plane.