Pressemitteilung | 16.09.2010

Atom und Kohle bremsen das erhebliche Potenzial des Energiekonzeptes aus

Pressemitteilung

Bonn, 16. September, 2010. Germanwatch hat, unterstützt von der jüngst gegründeten Smart Energy for Europe Platform, heute eine Kommentierung des Entwurfs des Energiekonzepts der Bundesregierung vorgelegt. Der Entwurf ist nach Auffassung von Germanwatch geprägt durch einen eklatanten Widerspruch: Einerseits wirke die beschlossene Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke als massive Investitionsbremse für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Die Einnahmen durch abgeschriebene Atomkraftwerke als "Gelddruckmaschine" verstärkten zudem die Marktmacht der großen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) weiter. Auf der anderen Seite enthalte der Entwurf gerade bei Energieeffizienz, bei Erneuerbaren Energien und dem dazu notwendigen Aus- und Umbau des Stromnetzes ehrgeizige Ziele.

"Die Regierung steht auf der Bremse und kündigt zugleich an, Gas zu geben. Den Widerspruch versucht sie durch einen Fonds zu überbrücken, durch den abgeschöpfte Gewinne aus den AKW-Laufzeitverlängerungen den Neuaufbruch in Richtung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien mit finanzieren sollen. Doch wieso sollten Energiekonzerne massiv in Erneuerbare Energien investieren, wenn dies ihre Einnahmen schmälern würde? Dies ist jetzt mehr denn je der Fall. Zugleich dürfte die Marktmacht der EVUs weiter zementiert werden, zum Nachteil des Wettbewerbs," kommentiert Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. Als weitere Investitionsbremse wirke sich aus, dass unklar ist, wieviel Geld im Fonds landet. Denn dieser soll ab einer gewissen Höhe des Eigenbeitrags der EVUs auch die Sicherheitsnachrüstungen der Atomkraftwerke finanzieren.

Die Bundesregierung hat erstmals nicht nur für 2020, sondern auch für die Jahre 2030, 2040 und 2050 Ziele gesetzt. Als sehr ambitioniert bewertet Germanwatch die Ziele bis 2050 die Primärenergienutzung um 50% und den Stromverbrauch um 25 % zu reduzieren. Ambitioniert sind nach Auffassung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation auch die Ansagen, den Endenergiebedarf im Verkehrsbereich bis 2050 um 40 Prozent zu reduzieren und die Sanierungsrate für Gebäude zu verdoppeln. Diese Ziele werden allerdings von Teilen der Bundesregierung schon wieder in Frage gestellt, bevor sie überhaupt endgültig beschlossen sind [1].Die angekündigten Langfristziele für den Treibhausgasausstoß (80%) reichen hingegen nicht aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem globalen Kurs beizutragen, der den globalen Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad begrenzt. Der Treibhausgasausstoß müsste hierfür um 95% reduziert werden. Auch bleiben die Ausbauziele für Erneuerbare Energien (80% bis 2050) hinter dem auch von Umweltminister Röttgen beschworenen Ziel zurück, die Energieversorgung zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien umzustellen. Die Ziele sind nicht verbindlich - sollen aber alle drei Jahre einem Monitoringprozess unterworfen werden. "Eine Festlegung der Ziele und Maßnahmen sowie eine genaue Regelung des Monitorings in einem Klimaschutzgesetz würde erheblich mehr an Investitionssicherheit schaffen," so Milke.

"Erfreulich ist, dass die Bundesregierung kein reines Kernenergiekonzept vorlegen will. So zentrale Themen wie die Frage des Aus- und Umbau der Stromnetze und die erhebliche Steigerung der Energieeffizienz gehören ebenso nach ganz oben auf die Tagesordnung wie die Frage des zukünftigen Energiemixes", so Christoph Bals, Politischer Geschäftsfüher von Germanwatch. Im Einzelnen lege die Regierung vor allem in Hinblick auf die Gebäudesanierung, den Offshore-Windenergie-Ausbau und den Stromnetzausbau sehr beachtliche Maßnahmenpakete vor. Auch die Initiative für einen Energieeffizienzfonds habe nach Einschätzung von Germanwatch Potential.

Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob und in welchem Ausmaß die angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden. Schon macht der BDI-Chef Hans-Peter Keitel gegen die Vorgaben zur Gebäudesanierung und zur Stromeinsparung mobil: "Wir werden der Regierung in der nächsten Zeit darlegen, was machbar ist. Da wird im parlamentarischen Prozess sicher noch nachgearbeitet werden." [2] Bals kommentiert: "Man wird sehen, ob sich die Bundesregierung der angemaßten Richtlinienkompetenz des BDI-Präsidenten unterwirft. Entscheidend wird jetzt sein, die  angegriffenen Maßnahmenpakete zu verteidigen, zu konkretisieren und zügig umzusetzen. Dann wird man sehen, was vom Aufbruch ins regenerative Zeitalter übrig bleibt."

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Fußnoten:

[1] "Enteignung, Protest, Zwangssanierung", Tagesspiegel, 13.09.2010, S.7.
[2] Hans-Peter Keitel (Interview), "Mit Umweltminister Röttgen war nicht zu reden", SZ, 13.09.2010, S. 18. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bdi-chef-keitel-mit-umweltminister-roettgen-war-nicht-zu-reden-1.998995