Pressemitteilung | 20.02.2006

Druckmittel für mehr Klimaschutz.

Berlin, den 20.2.2006. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch stellt heute die Ergebnisse eines neuen, internationalen Klimaschutz-Index der Öffentlichkeit vor. Der Index vergleicht die Klimaschutz-Leistungen von 53 Industrie- und Schwellenländern, die zusammen für 90 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Deutschland belegt in der Rangliste Platz 5, die USA sind Vorletzter, nur Saudi-Arabien schneidet noch schlechter ab. Auf den ersten drei Plätzen landen Island, Lettland und Großbritannien.

"Der Klimaschutz-Index soll helfen, den politischen und zivilgesellschaftlichen Druck auf diejenigen Länder zu erhöhen, die ihre Klimaschutz-Hausaufgaben bisher vernachlässigt haben," sagt Klimaexperte Jan Burck, der den Index gemeinsam mit Geschäftsführer Christoph Bals und Klimaexperte Manfred Treber von Germanwatch entwickelt hat. Der Index ermöglicht erstmals einen fundierten Ländervergleich, weil er nicht nur die absolute Höhe, sondern mehr noch den Trend der klimaschädigenden CO2-Emissionen berücksichtigt. Der Trend wird in den volkswirtschaftlichen Sektoren Energie, Industrie, Verkehr und Gebäude erfasst. Als dritter Faktor fließt die Klimapolitik der Länder in die Bewertung ein. Der Index basiert auf Daten der International Energy Agency (IEA); die Klimapolitik wurde von 30 internationalen Klimaschutz-Experten bewertet.

Einäugige unter Blinden

"Auch diejenigen, die in der Rangliste gut abgeschnitten haben, dürfen sich nicht zurücklehnen," betont Burck. "Der Index vergleicht die Länder nur miteinander. Da gleichen diejenigen, die vorne stehen, eher den Einäugigen unter den Blinden." Beim Klimaschutz müsse noch viel geschehen.

Dies unterstreicht Professor Hartmut Graßl, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, bei der Vorstellung des Index in Berlin: "Alle im Index verglichenen Länder haben die Klimarahmenkonvention unterzeichnet und sich damit verpflichtet, einen in großem Maßstab gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Dazu müssen bis Mitte des Jahrhunderts die Emissionen in Industrieländern um 80 Prozent und weltweit um 50 Prozent sinken. Die Politik muss dafür den Rahmen setzen. Der Klimaschutz-Index schafft Transparenz und damit zusätzlichen Druck, diese Aufgabe ernst zu nehmen."

"Wir werden durch den Index regelmäßig offen legen, welche Staaten ihrer Verantwortung mehr nachkommen und welche weniger", so Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals.

Die Länderrangliste zeigt deutlich, dass viele der Länder, die am meisten zum Klimawandel beitragen, dieser Verantwortung bisher nur unzureichend nachkommen. Gleich sechs der zehn größten CO2-Emittenten, die allein fast 60 Prozent der weltweiten Emissionen in die Luft blasen, sind im Index im hinteren Drittel zu finden. So ist Japan 34., Italien 38., Kanada 45., Russland 48. und die USA 52. und damit Vorletzter.

Deutscher Nachholbedarf bei Gebäudeheizung und Stromerzeugung

Der Index zeigt auch, dass Deutschland beim Klimaschutz nicht in allen Sektoren mit vorne liegt. So ist Deutschland zwar Spitzenreiter in der internationalen Klimapolitik und konnte als einziges Industrieland seine Verkehrsemissionen leicht senken (Rang 4). Doch im Gebäudesektor, der den Heizbedarf erfasst, liegt es nur auf Platz 31. Und während der überdurchschnittliche Zuwachs an erneuerbaren Energien seit 1998 zu einem guten zehnten Rang führt, reicht es bei der gesamten Stromerzeugung nur zu einem 23. Rang.

Germanwatch folgert aus diesen Ergebnissen, dass die Ökosteuer im Verkehrssektor und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus klimapolitischer Sicht ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Im Gebäudesektor werde sich zeigen, wie viel die kürzlich beschlossenen Förder-Maßnahmen für Gebäudedämmung und -sanierung bringen.

Wichtig für das zukünftige Abschneiden Deutschlands seien jedoch vor allem die anstehenden Entscheidungen bei den Kraftwerksneubauten. "Eine Tendenz in Richtung Kohle und Braunkohle würde Deutschlands gesamte Klimapolitik konterkarieren," warnt Christoph Bals. Auch ein Ausbau der Atomkraft könne aufgrund des Risikopotenzials, der Kosten und der Marktverdrängung von erneuerbaren Energien kein Weg aus der Klimamisere sein.

Nach Bals Einschätzung kann Deutschland seine CO2-Emissionen im Energiesektor nur dann massiv und nachhaltig senken, wenn sowohl auf der Angebots-, als auch auf der Nachfrage-Seite etwas geschieht. "Wir brauchen Investitionssicherheit für Energieeffizienz-Maßnahmen. Zudem müssen Wind-, Solar- und Biomasse-Anlagen weiter massiv ausgebaut werden."

Berechnungsmethode des Index

Für die Berechnung des Index wird zum ersten der CO2-Ausstoß eines Landes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, dem Energieverbrauch und der Bevölkerungszahl gesetzt. So fließt zum Beispiel mit ein, dass ein US-Amerikaner pro Jahr durchschnittlich zwanzig Mal mehr CO2 produziert als ein Inder. Zum zweiten werden die Emissions-Trends berechnet, d.h., wie haben sich die Emissionen von 1998 bis 2003 in den Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude und Industrie entwickelt. Dabei wird berücksichtigt, dass Schwellenländer wie China und Indien industriellen Nachholbedarf haben. Als drittes Kriterium fließt die Bewertung der nationalen und internationalen Klimapolitik eines Landes in den Index ein. So könnten die USA auf einen Schlag bis zu zehn Plätze im Index gutmachen, wenn sie ihre Blockade-Haltung in Sachen Klimapolitik aufgeben würden.

Das Beispiel Südkorea verdeutlicht, dass der Gesamtausstoß an CO2 nicht Ausschlag gebend für eine schlechte Bewertung im Index ist. Zwar produziert das Land weniger als die Hälfte der CO2-Menge von Indien. Und doch ist Südkorea 49., während Indien auf Rang 10 liegt. Indien ist damit neben Deutschland und Großbritannien der einzige Groß-Emittent, der im Index relativ weit vorne landet. China konnte sich mit Rang 29 im Mittelfeld platzieren. Aus der Gruppe der Entwicklungsländer sind nur 14 Schwellenländer - darunter China, Indien, Brasilien und Marokko - in der Rangliste zu finden. Alle anderen Entwicklungsländer gehören nicht zu den 53 weltweit größten Emittenten von CO2.

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