Pressemitteilung | 12.12.2005

"Marktzugang ist für Entwicklungsländer kein Allheilmittel"

Pressemitteilung

Berlin/Hongkong, den 12.12.2005: Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und die Bauernorganisation Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) haben zum Beginn der 6. WTO-Ministerkonferenz in Hongkong betont, welche Maßnahmen den Kleinbauern in Entwicklungsländern ebenso nutzen würden wie den bäuerlichen Betrieben in Europa.

"Bisher ist keine Spur davon zu entdecken, dass es sich hier um eine so genannte Entwicklungsrunde handelt. Die Interessen der Entwicklungsländer werden kaum beachtet," berichtet Sarah Kahnert, Welthandelsreferentin bei Germanwatch, aus Hongkong von den WTO-Verhandlungen. "Die Öffnung der Märkte bestimmt wie ein Dogma die Debatte. Aber der Marktzugang in den Industrieländern ist für Entwicklungsländer nicht das Allheilmittel. Vielmehr müssen die Entwicklungsländer die Möglichkeit haben, ihre heimische Landwirtschaft und ihre lokalen Märkte durch Importzölle zu schützen", sagt Michael Windfuhr, Vorstand von Germanwatch. Von einer weiteren Marktöffnung würden vor allem die großen Agrar- und Nahrungsmittelindustrien profitieren, die auch den weltweiten Handel mit Agrarprodukten dominieren. "Sinkende Zölle bedeuten wachsende Märkte und steigende Gewinne für Nestlé und Co. Hauptverlierer sind die Kleinbauern im Süden und die bäuerlichen Betriebe in Europa, die mit den niedrigen Preisen auf dem Weltmarkt nicht konkurrieren können."

Die jüngsten Forderungen der so genannten G33 - einer Gruppe von Entwicklungsländern, darunter Brasilien und Indien - zum Schutz ihrer Märkte finden in der WTO bisher kaum Gehör. Der Schutz der heimischen Agrarmärkte ist dringend nötig, da die meisten Menschen in Entwicklungsländern nach wie vor von kleinbäuerlicher Landwirtschaft leben - mit Betrieben, die meist nic ht größer sind als ein bis zwei Hektar. Dies ist oft die einzige Möglichkeit für viele Menschen, Ernährung und Einkommen zu sichern. Außerdem ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft die treibende wirtschaftliche Kraft im ländlichen Raum.

Werden die Entwicklungsländer nun durch die WTO gezwungen, ihre Zölle für Agrarprodukte weiter zu senken, so werden ihre heimischen Märkte noch stärker als bisher der direkten Konkurrenz des verzerrten Weltmarktes ausgesetzt. Der Wettbewerb auf dem Weltmarkt ist verzerrt, weil viele Produkte aus Europa oder den USA mit Hilfe von massiven staatlichen Subventionen exportiert werden. So kommen sie unterhalb der Produktionskosten auf den Weltmarkt und drücken dort die Preise - sogenanntes Dumping.

"Die Exportsubventionen der Industrieländer wie der EU schaden nachweislich Kleinbauern in Entwicklungsländern und sind ohne Nutzen für die hiesigen Bauern", sagt der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, und fordert: "Es ist vorrangig, diese in den WTO-Verhandlungen sofort abzubauen. Die Verhandlungen müssen erreichen, dass jedwedes Dumping aus der EU unmöglich wird. Gleichzeitig müssen aber auch Regeln zugelassen werden, die in Europa ein Dumpen gegen ökologische, soziale und preisliche Kriterien verhindern. Der Importbedarf der EU an Nahrungsmitteln ist beträchtlich. Es ist notwendig, die Länder der dritten Welt an unserem Preisniveau zu beteiligen. Damit können sie ihre Volkswirtschaften entwickeln und so sind Hunger und Armut zu überwinden."
 

Für Rückfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:

  • Ralf Willinger, Germanwatch-Pressestelle, 030-2888356-0, willinger@germanwatch.org
  • Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), fgraefe@europarl.eu.int


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