Pressemitteilung | 25.01.2001

Neue Braunkohlekraftwerke verderben die deutsche Klimabilanz - CO2-Ausstoß stagniert im Jahr 2000

GERMANWATCH-Presseerklärung

Bonn, 25.1.2001: Der zum Erreichen des deutschen CO2-Ziels notwendige Rückgang der CO2-Emissionen im Jahr 2000 hat sich nicht fortgesetzt, sondern stagniert. Die GERMANWATCH-Berechnungen basieren auf den neuen vorläufigen Zahlen über den Energieverbrauch in Deutschland, die die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen vorgelegt hat. Diese unerfreuliche Entwicklung ist vor allem auf die starke Zunahme des Einsatzes von Braunkohle zurückzuführen. "Hier wirken sich die Beschlüsse der frühen 90er Jahre über den Neubau von Braunkohlekraftwerken aus, als der Klimaschutz noch keine große Bedeutung für die energiewirtschaftlichen Entscheidungen hatte" kommentiert Christoph Bals, Leiter der Kampagne RioKonkret von GERMANWATCH. "Wenn Deutschland dieses Jahr nicht die Trendwende bei den Emissionen schafft und sie durchhält, sehe ich schwarz für das Erreichen des Reduktionsziels von minus 25 Prozent CO2 bis zum Jahr 2005 gegenüber 1990."

Nach den Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hat der Jahresenergieverbrauch für das Jahr 2000 stagniert. (Sie ermittelt eine 0,2%ige Abnahme gegenüber dem Vorjahr).

Dabei gab es auch sehr gegenläufige Trends:

Aufgrund des sehr warmen Jahres - es war in Deutschland erneut das wärmste des vergangenen Jahrhunderts - und der höheren Ölpreise sank der Absatz von leichtem (minus 5,2%) und schwerem (minus 8,8%) Heizöl deutlich. Aus denselben Gründen ging in privaten Haushalten - obwohl mehr Wohnungen als bisher mit Gas beheizt werden - auch der Gasverbrauch leicht zurück.

Aufgrund des weltmarkt- sowie ökosteuerbedingten Preisanstiegs sank auch der Spritverbrauch wegen verringerter Fahrleistung sowie sparsamerer Fahrzeuge so deutlich wie noch nie seit 1994: um 4,3 %. Der Preisanstieg zeigt also eine deutliche Lenkungswirkung. Beim Verbrauch des Diesels konnte immerhin der Anstieg gestoppt werden. Dieser stagnierende Dieselverbrauch zeigt zweierlei. Erstens steigen Autofahrer vermehrt auf den effizienteren und kostengünstigeren Kraftstoff um. Also auch hier ist eine Lenkungswirkung der politik- und weltmarktbedingten höheren Spritpreise zu konstatieren. Zweitens könnte die Einführung einer kilometerabhängigen Schwerverkehrsabgabe dem ansonsten stark ansteigenden LKW-Güterverkehr entgegenwirken.

Gegenläufig wirkte sich hingegen das hohe Wirtschaftswachstum von 3 Prozent aus. Die Industrie hatte deshalb einen höheren Gasverbrauch. Der Verbrauch von Steinkohle war im Jahr 2000 mit 65,5 Mill. t SKE um 1,6 % höher als im Vorjahr, bedingt durch die günstige Konjunktur in der Stahlindustrie.

Als für die Treibhausgasbilanz besonders dramatisch erweist sich aber der Brennstoffswitch bei der Stromerzeugung. Im Kraftwerksbereich ging der Einsatz von Erdgas, also dem fossilen Energieträger, bei dessen Verbrennung am wenigsten Treibhausgase freiwerden, deutlich zurück. Der Steinkohleneinsatz in der Elektrizitätswirtschaft blieb annähernd stabil. Auch die Stromerzeugung der Kernkraftwerke veränderte sich gegenüber dem Vorjahr kaum (der Ausstiegsbeschluß aus der Kernenergie hat also noch keine Konsequenzen für die im Jahr 2000 deutliche Veränderung des Brennstoffmixes der deutschen Kraftwerke). Hingegen legte die Braunkohle, der Energieträger, bei dessen Verbrennung mit Abstand am meisten Treibhausgase freiwerden, von allen fossilen Energieträgern am kräftigsten zu und verbuchte mit 52,6 Mill. t SKE ein Plus von 5 %. Mehr als 90 % der gesamten Braunkohlenförderung wurden zur Stromerzeugung eingesetzt. Vor allem wirkte sich hier die Inbetriebnahme der neuen ostdeutschen Braunkohlenkraftwerke in Lippendorf und Boxberg aus. Damit zeigt sich einmal mehr: hohe Wirkungsgrade von Kraftwerken helfen dem Klima nur, wenn damit weniger effiziente Braunkohlekraftwerke ersetzt werden. Sie sind jedoch klimapolitisch kontraproduktiv, wenn sie dazu führen, daß sich im Brennstoffswitch der Anteil des klimaschädlichsten Energieträgers, der Braunkohle erhöht. "Eine Ökosteuer, die auf den Treibhausgasausstoß und nicht einfach auf die Energiemenge bezogen wäre, würde hier eine deutliche Lenkungswirkung erzielen", so Christoph Bals.

Diese aus Klimasicht ausgesprochen negative Tendenz im Elektrizitätsbereich konnte auch dadurch nicht kompensiert werden, daß sich der Beitrag der Wasserkraftwerke und vor allem der Windkraftanlagen um insgesamt 23 Prozent erhöhte, denn letzteres erfolgt noch von sehr niedriger Basis aus.

Deutlich zeigt sich damit: Der Anstieg der Energieeffizienz in Deutschland genügt gerade, um den durch das hohe Wirtschaftswachstum bedingten höheren Energiebedarf zu kompensieren. Die Tendenz im Kraftwerkspark - weg vom Gas und hin zur Braunkohle - ist dafür verantwortlich, daß sich für das Jahr 2000 insgesamt trotz leichter Abnahme des Energieverbrauches um 1 Mio t SKE nur eine Stagnation beim CO2 ergibt. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend im Rahmen des Atomausstieges befestigt, wenn die Politik nicht durch entschiedene Rahmensetzung gegensteuert. Erst mittelfristig kann der vor allem durch das EEG beförderte steile Anstieg der Erneuerbaren Energieträger - wenn er denn weitergeht - das Erreichen der Klimaziele maßgeblich unterstützen. Die klimapolitschen Ziele Deutschlands (2005/2012) lassen sich auf diesem Weg allein nicht erreichen.

Wesentliche politische Rahmensetzung dafür könnte eine Umstellung der Ökosteuer auf den Treibhausgasverbrauch oder ein - von absoluten Treibhausgasreduzierungen ausgehendes - Emissionshandelssystem sein. Um den Anstieg des Dieselverbrauchs weiter abzubremsen, empfiehlt sich außerdem eine kilometerbezogene Schwerverkehrsabgabe für LKW. Kann die rot-grüne Regierung die notwendigen Reformen einleiten?
 

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