Globale nachhaltige Entwicklungsziele statt TTIP und Welthandelsorganisation

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Globale nachhaltige Entwicklungsziele statt TTIP und Welthandelsorganisation

Weitblick-Bild 2/16: TTIP-Demo Berlin 2015

Kreativer Protest in Berlin, wo am 10. Oktober 2015 eine viertel Million Menschen gegen TTIP demonstrierten. Foto: Dietmar Putscher

 
Die 2001 begonnene sogenannte Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO stagniert seit Jahren. EU und USA wollen deshalb mit regionalen Abkommen wie dem TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und dem Transpazifischen Gegenstück TPP die Liberalisierung des Welthandels vorantreiben.

Die 10. WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2015 in Nairobi war der letzte Versuch, die seit Jahren festgefahrene Doha-Runde zu einem Abschluss zu bringen. USA, EU und Japan wollten einen Abschluss aber nur zu ihren Bedingungen zulassen, die wiederum für Entwicklungs- und Schwellenländer nicht akzeptabel waren. Damit erklärten die Industriestaaten die Doha-Runde faktisch für beendet. Immerhin war es in Nairobi noch gelungen, Exportsubventionen für landwirtschaftliche Güter dauerhaft zu verbieten. Praktisch hatten sie ohnehin keine Rolle mehr gespielt. Dass der Plan aufgeht, den Welthandel statt in der WTO nun in regionalen Abkommen der großen Handelsmächte zu deregulieren, ist angesichts der wachsenden Proteste gegen TTIP und TPP zu bezweifeln.

Für eine normative Neuausrichtung des multilateralen Handelssystems

Der bisherige Ansatz der internationalen Handelspolitik, Märkte immer weiter zu deregulieren, ist in eine Sackgasse geraten. Grund hierfür ist zum einen ihr eigener Erfolg. Für die meisten Produkte wurden Zölle und andere Handelsschranken so weit gesenkt, dass sich durch eine weitere Marktöffnung kaum noch nennenswerte Kostensenkungen umsetzen lassen. Zum anderen spielen gesamtgesellschaftliche Interessen wie Umwelt- und Verbraucherschutz, Menschen- und Arbeitsrechte sowie Armuts- und Hungerbekämpfung in Handelsabkommen bestenfalls eine Nebenrolle. Doch nicht zuletzt die vielen Demonstrationen gegen weitere Handelsverträge – zuletzt mit über 100.000 Menschen in Hannover – zeigen, dass diese Interessen immer wichtiger werden.

Internationale Handelsabkommen sollten andere und komplexere Ziele verfolgen als Marktöffnung und Deregulierung. Mit der Verabschiedung der globalen nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) durch die Vereinten Nationen im Herbst 2015 hat sich die Staatengemeinschaft einen Katalog von Aufgaben gesetzt, der zwar nicht bis ins Letzte kohärent, aber in Teilen durchaus fortschrittlich ist.

Eine glaubwürdige Politik muss die SDG auch als bindende Rahmensetzung für die Handels- und Investitionspolitik nutzen. Internationaler Handel ist kein Selbstzweck. Wenn er die SDG untergräbt, müssen Staaten gegensteuern können. Zugleich sollten Länder, die Exportgüter unter Bedingungen herstellen, die der Umsetzung der SDG (z. B. Erhalt der Biodiversität, Klimaschutz, Arbeitsrecht) zuwiderlaufen, an den Verhandlungstisch gebracht werden. Der Handel muss zum Motor der Umsetzung der SDG werden – nicht zu deren Bremsklotz.

Damit ließen sich freilich nicht alle Probleme des internationalen Handelssystems lösen. Es könnte allerdings den Einstieg in eine ergebnisoffene Veränderung der einseitig auf Deregulierung ausgelegten Handelsregeln bieten, der mit den derzeitigen Zielkatalogen und Verhandlungsmandaten nicht möglich ist.
 

Tobias Reichert

Dieser Artikel basiert auf einer Analyse von Sven Hilbig (Brot für die Welt) und Tobias Reichert im Sonderdienst des Informationsbriefs Weltwirtschaft und Entwicklung vom April 2014.