Pressemitteilung | 17.11.2016

EU muss gegen Antibiotikamissbrauch in der Tierhaltung vorgehen

Morgen ist Europäischer Antibiotika-Tag: Germanwatch warnt vor Verbreitung von Resistenzen und fordert strengere Vorgaben der EU
Pressemitteilung

Berlin (17. Nov. 2016). Zum morgigen Europäischen Tag zur Verbesserung des Bewusstseins für Antibiotikaresistenzen fordert Germanwatch, endlich politische Konsequenzen aus den Erkenntnissen über die Rolle der Tierhaltung zu ziehen. Vor fünf Jahren hatte die EU-Kommission in ihrer Strategie gegen Antibiotikaresistenzen bereits strengere Regeln für Antibiotika bei Nutztieren vorgesehen, ohne aber konkrete Maßnahmen zu ergreifen. "Wir wissen, dass in Europa pro Jahr mindestens 25 000 Menschen sterben, weil Antibiotika nicht mehr wirken. Wir wissen, dass industrielle Tierfabriken mit hohem Antibiotikaeinsatz die Entstehung und Verbreitung von Resistenzen verschlimmern. Wir wissen, dass Tiere in der industriellen Fleisch- und Milchproduktion in der EU mehr Antibiotika erhalten als kranke Menschen. Trotz des vorhandenen Wissens fehlen aber weiterhin wirksame EU-Tierschutzrichtlinien, mit denen hohe Antibiotikagaben endlich gebremst würden", sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch.

Germanwatch verweist auf Untersuchungen, denen zufolge "moderne" Masthühner fünf Mal mehr Antibiotika benötigten als langsam wachsende Rassen. Hähnchenfleisch in deutschen Supermärkten ist laut staatlichen Untersuchungen zu 66 Prozent mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Laut Europäischer Arzneimittelbehörde (EMA) besteht ein besonders enger Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Antibiotika bei Tieren und der Entstehung von antibiotikaresistenten Salmonellen und Campylobacter. Angesichts von EU-weit über 90 000 Menschen mit Salmonellenerkrankungen und 214 000 Menschen mit Campylobacter-Infektionen fordert Germanwatch Sofortmaßnahmen gegen die Ausbreitung der Superkeime. "In Europa werden in industriellen Tierhaltungen gewaltige Überschüsse bei Fleisch und Milch erzeugt. Dies geht mit einem systematischen Missbrauch von Antibiotika einher. Für die menschliche Gesundheit sind weniger Tiere und mehr Platz je Tier von wesentlicher Bedeutung", so Benning.

Germanwatch begrüßt vor diesem Hintergrund das Ziel des Europäischen Parlaments, den Antibiotikaeinsatz bei Nutztieren bis 2018 zu halbieren. Kritik äußert Germanwatch aber an den Vorschlägen der Europäischen Kommission, die Vorschriften zu Antibiotika im Futter und den Internethandel mit Antibiotika zu liberalisieren. Reinhild Benning: "Die EU-Kommission sollte dringend bei der anstehenden Überarbeitung der Strategie gegen Antibiotikaresistenzen klare Regeln setzen: Rabatte auf Antibiotika müssen untersagt werden. Die in der Humanmedizin wichtigsten Wirkstoffe, sogenannte Reserveantibiotika, sollten aus dem Stall verbannt werden. Mit einer Abgabe auf Veterinärantibiotika - gestaffelt nach der Bedeutung der jeweiligen Wirkstoffe für die Humanmedizin - muss Brüssel den Antibiotikamissbrauch bei Tieren ausbremsen. Gleichzeitig sollten die Einnahmen aus der Abgabe gezielt dazu verwendet werden, Tierhalter zu beraten wie sich Antibiotika im Stall reduzieren lassen."