"Die Stadtbahn schiebt den Handel an"

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"Die Stadtbahn schiebt den Handel an"

Mit Athen, Dublin, London und Paris führen vier Hauptstädte der (alten) EU gerade vollständig neue Straßenbahnsysteme ein und kehren damit ihren Abschied vom schienengebundenen Oberflächenverkehr im dicht besiedelten Ballungsraum um. Dort, wo moderne Straßenbahnen kürzlich eingeführt wurden, weisen sie hohe Attraktivität auf. Auch sind sie in Zeiten knapper öffentlicher Mittel kostengünstiger als unterirdische Bahnen. Außerdem stellen sie ein exzellentes Instrument zur Belebung von Innenstädten dar und sind selbst bei bestehender hoher Motorisierung für viele Fahrtzwecke attraktiver als der PKW, den sie hinsichtlich Flächenverbrauch und Treibhausgasemissionen um Längen schlagen. Bedauerlicherweise findet in Deutschland ein Aufbruch zu diesem für Ballungsräume zukunftsfähigen Verkehrsträger lediglich in einzelnen Fällen statt. Wo dies geschieht, werden allerdings beachtliche Erfolge bei der Nachfrage verzeichnet. Mindestens ebenso wichtig ist in einer Zeit der Diskussion um die Schließung zahlreicher alteingesessener Warenhäuser, dass dabei gerade der lokale Einzelhandel spürbar profitiert. Am Beispiel von Heilbronn und der geplanten Strecke nach Öhringen wird gezeigt, welche Chancen vorhanden sind und wo die Hemmnisse liegen.

Germanwatch bringt Auszüge eines Beitrags von Thomas Naumann in stadtverkehr 10/04 (S. 27-33)

"(...) Es handelt sich im Bundesvergleich um einen wohlhabenden Landstrich; im Bedienungsgebiet des Heilbronner Verkehrsverbundes verfügen 1000 Erwachsene über 800 Pkw. (...) Nach heutigem Stand hat der Stadtbahnverkehr auf der Strecke Eppingen-Heilbronn zu Fahrgastzuwächsen in Höhe von 588 %, d.h. von knapp 2000 Fahrgästen zu DB-Zeiten auf nunmehr knapp 12.000 geführt. (...) Der SPNV-Betrieb läuft hier nach Angaben der kaufmännischen Projektleitung der Stadtbahn Heilbronn kostendeckend. (...) Schon ein Jahr nach der ersten Inbetriebnahme in die Heilbronner Innenstadt resümiert die örtliche Presse unter der Überschrift "Die Stadtbahn schiebt den Handel an" Tendenzen der seither zu beobachten Veränderungen: "Wir haben eine sehr viel stärkere Kundenfrequenz seitdem die Stadtbahn fährt" (...) "Die Bahnhofsstraße ist die einzige Achse, die in Heilbronn funktioniert ... wenn der Neckarturm nicht an der (Stadtbahn-)Trasse läge, würde er leer stehen" (Immobilienfirma); "Die Stadtbahn war für uns ein wesentlicher Faktor für die Entscheidung, in Heilbronn zu investieren ... die Mieter aus dem Einzelhandel bestätigen uns immer wieder, wie wichtig die Stadtbahn ist.

(...) Warum an dieser Stelle nun ein Blick in die Zukunft, der durchaus auch sorgenvolle Gedanken beinhaltet? Wird es gelingen, die Erfolgsgeschichte ungebrochen fortzuschreiben?

"Pachtmodell" ade?

Bei jenen Strecken abseits des Hauptstreckennetzes der DB (...) hat sich ein Umsetzungsmodell in jeder Hinsicht bewährt, bei dem die Streckeninfrastruktur von der DB Netz AG für einen bestimmten Zeitraum an den Betreiber AVG verpachtet wird, unter dessen Regie dann sämtliche Ausbaumaßnahmen umgesetzt werden und schließlich auch der Betrieb durchgeführt wird. (...) Einziger Grund, warum dieses so erfolgreiche Modell nun zumindest bei der Öhringer Strecke nicht zum Zuge kommt (...), scheint der zu sein, dass die DB AG mit ihren Töchtern selbst abwickeln will. (...) Dem steht gegenüber, dass in der "Öhringer Realität" seit die DB "mitverdienen" will die Kosten in einem Umfang explodiert sind - und weiter steigen -, welches alles weit in den Schatten stellt, was an Kostensteigerungen bei der Innenstadtquerung wie bei der Eppinger Bahn zu verzeichnen war. (...)

Ähnlich wie bei den Kosten verhält es sich bei den Zeitplänen - kaum ist ein neuer Termin verkündet, scheint er wieder bereits Makulatur zu sein (...).

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs e.V. (BAG-SPNV) hat untersuchen lassen, welche Vorgehensweisen bei DB Station und Service bzw. anderen Vorhabensträgern (z.B. NE-Bahnen) Planung, Bau und Finanzierung von Regionalbahnhöfen prägen und wie sich das auf die Kosten der Maßnahmen auswirkt. (...)

'Die mangelhafte interne Projektorganisation bei der DB Station & Service AG führt zu hohen Kosten und unbefriedigender Termintreue. Neben den zahlreichen Know-how-Verlusten durch die ständigen internen Strukturveränderungen sind die unflexiblen Freigabeprozeduren von Finanzierungsmitteln, die schleppend verlaufende Vergabe von Leistungen, die mangelhafte Qualität der Förderanträge, und der insgesamt problematisch zu bewertende Projektablauf zu nennen. Kostensteigerungen sind folglich der Regelfall und werden aufgrund eines häufig unvermeidlich erscheinenden Zeitdrucks vor Projektrealisierung noch bedeutender. Ärgerlich ist auch ein viel zu sehr an Jahresscheiben orientiertes Projektmanagement und Controlling, das z.T. dazu führt, dass Projekte von Jahr zu Jahr verschoben werden, weil Finanzierungssicherheiten erst Mitte des Jahres existieren, (...).' (...)"
 

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