Obskurantismus

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Obskurantismus

Wider die "vertraulichen Erläuterungen" im BMZ-Haushalt

 

Die beiden größten Ausgabepositionen, bilaterale Finanzielle und Technische Zusammenarbeit (FZ und TZ), die im Bundeshaushalt für das BMZ, dem Einzelplan 23, eingestellt sind, machen insgesamt 3,079 Mrd. DM, d.h. über 40 % des BMZ-Haushalts 2000 aus. Sie werden im Einzelplan 23 selbst nicht spezifiziert sondern nach sog. "vertraulichen Erläuterungen" bewirtschaftet. Das bedeutet, daß nur ein ausgesuchter Kreis von Bundestagsabgeordneten vertraulich zu behandelnde Informationen erhält, die den Rahmen abstecken für die TZ- und FZ-Zusagen. Diese vertraulichen Erläuterungen enthalten im wesentlichen den Rahmenplan für die einzelnen Länderquoten sowie Listen von Projektvorschlägen und eventuellen Ersatzprojekten.
Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für andere als die veranschlagten Vorhaben dürfen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn diese als Austauschvorhaben in den "vertraulichen Erläuterungen" erfaßt wurden. Mit Einwilligung des Bundesfinanzministeriums dürfen jedoch auch Vorhaben, die dort nicht vorgesehen sind, finanziert werden, solange sie sich im Gesamtrahmen des jeweiligen Titels halten. Erst wenn ein zunächst nicht vorgesehenes FZ-Vorhaben einen Betrag von 50 Mio. DM überschreitet, müssen der Haushaltsausschuß und der Ausschuß für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (AWZ) zuvor unterrichtet werden. Inoffiziell wird dieses Verfahren (neben dem haushaltsrechtlichen Hinweis auf die Notwendigkeit der Angabe von Jahresbeträgen bei Verpflichtungen zulasten mehrerer Haushaltsjahre) zum einen damit begründet, daß die Ungewißheit auf seiten eines Entwicklungslandes hinsichtlich des Zusagevolumens die Verhandlungsposition des BMZ bei den jeweiligen Regierungsverhandlungen verbessert; zum anderen werden außenpolitische Rücksichten ins Feld geführt: Es sollen negative Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen vermindert werden, falls der maximale Zusagerahmen (aus welchen Gründen auch immer) nicht realisiert wird. Aus diesen  wie auch aus verfahrenstechnischen Gründen  sollen die in den "vertraulichen" Erläuterungen gesetzten Prioritäten nicht öffentlich bekanntgegeben werden.
Bedenklich ist diese Geheimhaltung aber nicht nur, weil der deutschen Öffentlichkeit (und den meisten Unternehmern der deutschen Wirtschaft) die konkreten Planungen hinsichtlich der Zusagen an einzelne Entwicklungsländer verborgen bleiben, sondern auch, weil eine frühzeitige Einflußnahme der Bevölkerung in den Entwicklungsländern hierdurch ausgeschaltet wird. Damit wird nicht nur eine kritische Diskussion von Projektalternativen wesentlich erschwert, sondern darüber hinaus strukturell ein Einfallstor für Korruption in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit geschaffen. Angesichts eines Lieferbindungsanteils von über 50 % an der gesamten bilateralen Öffentlichen Ent-wicklungshilfe geht es immerhin um ein Auftragsvolumen von 1,5 Milliarden DM an deutsche Unternehmen jährlich. Nach Abschluß der bilateralen Verhandlungen (wenn nicht erst mit Veröffentlichung der jeweiligen völkerrechtlich bindenden Vereinbarung) werden die Betroffenen dann vor vollendete Tatsachen gestellt. Dieses Regelung verhindert auch, daß die Institutionen der zivilgesellschaftlichen Entwicklungszu-sammenarbeit ihre Programmplanungen an dem staatlichen Vorgehen orientieren können. Dies bedeutet, daß die jeweiligen Partnerorganisationen in den Empfängerländern ihre Projekt-/Programmstrategie meist nicht an staatlichen Programmen orientieren können, was nicht nur Synergieeffekte ausschließt, sondern auch gegensätzliche Entwicklungsbestrebungen verursachen kann.
Fazit: Die bilaterale TZ und FZ sollte nicht mehr nach "vertraulichen" Erläuterungen bewirtschaftet werden. Das bisherige kryptische Verfahren sollte aufgegeben werden zugunsten eines transparenten, für öffentliche Diskussion zugänglichen Vorgehens.

Rolf Saligmann

 

 

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