Pressemitteilung | 06.07.2021

EU-Tierarzneimittelverordnung: Verbände fordern, dass für Menschen besonders wichtige Antibiotika nicht in der Tierhaltung eingesetzt werden

Acht Organisationen aus Humanmedizin, Umwelt- und Tierschutz fordern EU-Parlament zu Änderungen auf: Ausbreitung von Resistenzen gegen Antibiotika stoppen
Pressemitteilung

Berlin (6. Juli 2021). Antibiotika, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Wirkstoffe mit höchster Priorität für Menschen eingestuft werden, sollen allein in der Humanmedizin eingesetzt werden. Dies fordern acht Organisationen aus Humanmedizin, Umwelt- und Tierschutz in einem gemeinsamen Brief an das Europäische Parlament.

Angeschrieben worden sind die Mitglieder des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI). „Der Ausschuss sollte sich klar dafür aussprechen, die für Menschen wichtigsten Antibiotika auch ausschließlich für die Behandlung von Menschen einzusetzen. Ihr massenhafter Einsatz in der Tierhaltung fördert nachweislich die Ausbildung von Resistenzen und birgt daher die große Gefahr, dass diese Wirkstoffe auch nicht mehr für die Humanmedizin zur Verfügung stehen werden. Es geht hier um Antibiotika, die für manche Erkrankungen bei einigen Menschen das letzte oder sogar einzige wirksame Mittel darstellen – wir können es uns nicht leisten, die Wirksamkeit dieser Antibiotika durch den Einsatz in der industriellen Massentierhaltung aufs Spiel zu setzen“, so Konstantinos Tsilimekis, Referent für Landwirtschaft, Tierhaltung und Antibiotika bei der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch.

Wie unabdingbar solche Antibiotika für den humanmedizinischen Einsatz sind, unterstreicht Dr. Miriam Schlangen vom Bundesverband Cystische Fibrose: „Für die Behandlung von Mukoviszidose ist der Einsatz von Colistin meist von entscheidender Bedeutung. Alternative Therapien stehen kaum zur Verfügung und sind zudem nicht so wirksam.“ Colistin darf immer noch in der Tierhaltung eingesetzt werden. In ihrem Schreiben unterstreichen die Organisationen auch die Bedeutung weiterer Antibiotikaklassen für Menschen, unter anderem speziell für Kinder.

Humanmediziner warnen vor laschen EU-Regeln

Hintergrund des Verbändeschreibens sind die Prozesse zur rechtlichen Konkretisierung der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung. Hier befindet sich derzeit ein zentraler Rechtsakt in der Prüfung durch den ENVI-Ausschuss. Dessen Votum wird maßgeblich für die Entscheidung des gesamten Europäischen Parlaments sein, den bislang ausgestalteten Rechtsakt zur Verabschiedung durchzuwinken oder aber die EU-Kommission aufzufordern, ihn noch einmal zu überarbeiten.

Die von der WHO als „highest prioritiy critically important antimicrobials“ eingestuften Antibiotika müssten nach Ansicht der Organisationen vom Einsatz in der Tierhaltung ausgeschlossen werden – ebenso wie es auch die WHO selbst empfiehlt. Im bislang durch die EU-Kommission ausgestalteten Rechtsakt fehlt eine solche klare Regelung.

Vom EU-Parlamentarier Martin Häusling wurde bereits ein Veto gegen die Verabschiedung der jetzigen Rechtsakt-Version eingelegt. Nun kommt es darauf an, dass auch der ENVI-Ausschuss und das Parlament das Veto unterstützen. Dabei spielt die Einschätzung von Vertretern der Humanmedizin eine wichtige Rolle. Mit der Bundesärztekammer und der Europäischen Ärztevereinigung (Comité Permanent des Médecins Européens, CPME) haben sich bereits gewichtige Stimmen kritisch geäußert.

Die mitzeichnenden Organisationen in alphabetischer Reihenfolge: Ärzte gegen Massentierhaltung, Cystic Fibrosis Europe, Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace Deutschland, Mukoviszidose - Bundesverband Cystische Fibrose, Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft.