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Herausforderung: Massive Erhöhung des Risikos von Flutkatastrophen durch den Klimawandel

Lösungsansatz: Verbesserung des Katastrophen- und Klimarisikomanagements

Die Hochwasserkatastrophe, bei der es am 14. Juli 2021 in weiten Teilen Mitteleuropas zu schweren Sturzfluten kam, hat sich tief in die Erinnerungen der Betroffenen eingebrannt. Besonders stark traf es den Landkreis Ahrweiler, wo das Hochwasser der Ahr Zerstörungen in extremem Ausmaß hinterließ. Wir haben mit drei Betroffenen aus dem Kreis Ahrweiler zu ihren Erfahrungen, dem Risikomanagement vor Ort und Wünschen für die Zukunft gesprochen.

Fest steht, dass die Lage von vielen Akteur:innen erheblich unterschätzt wurde. Trotz gut prognostizierter Pegelstände und mehrerer automatisierter Warnmails wurde der Katastrophenalarm im Landkreis Ahrweiler erst nach 23 Uhr ausgerufen. Viel zu spät, um z. B. Evakuierungen noch effektiv umsetzen zu können. Aber auch in der Bevölkerung fehlte es an Bewusstsein, sie konnte sich trotz Wasserstandsmeldung nicht vorstellen, was für eine Katastrophe da auf sie zukommt: „Mein Bruder hat die Pegelentwicklung verfolgt und sich das Ausmaß dennoch nicht vorstellen können. Dabei braucht man eigentlich nicht viel Fantasie, wenn 7,50m in Altenahr prognostiziert wurden und es 3,70m während des Jahrhunderthochwassers in 2016 waren“, berichtet Volker Danko, der in Bad Neuenahr-Ahrweiler lebt.

Eine Studie der World Weather Attribution Initiative konnte zeigen, dass der Klimawandel sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Heftigkeit der Flut deutlich erhöht hat. Jedes weitere Zehntel Grad an Erderwärmung wird die Anzahl und Intensität solcher Extremwettereignisse weiter verstärken. Dies bringt eine dreifache Botschaft mit sich: Erstens muss Deutschland ambitionierten Klimaschutz betreiben, selbst zügig aus Kohle, Öl und Gas aussteigen und andere dabei unterstützen. „Wir sehen jetzt, dass es teurer ist, die Folgen der Klimakrise zu bezahlen, als die Ursachen zu bekämpfen“, sagt Thomas Schröer aus Kreuzberg, das nach der Flut tagelang von der Zivilisation abgeschnitten war.

Zweitens muss das Risikomanagement vor Ort deutlich verbessert werden. Der UNO-Menschenrechtsausschuss rügte Deutschland erst kürzlich, weil die Bevölkerung nicht ausreichend vor den Folgen des Klimawandels geschützt werde. Hier kann Deutschland von Ländern wie Bangladesch, einem Hotspot für Flutkatastrophen, lernen. Laut dem Klimaforscher Saleemul Huq rettet das Wissen, was im Notfall zu tun ist, Leben. Er rät u.a. dazu, altbewährte Warnsysteme, etwa Sirenen, und eine funktionierende Notfallinfrastruktur aufzubauen.

Drittens müssen wir uns auch an die zukünftig häufiger auftretenden Extremwetterereignisse besser anpassen. Hierfür bedarf es eines bundesweiten Anpassungsgesetzes, das regional und lokal effektiv umgesetzt wird. Volker Danko bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen einen schnellen, aber wohlüberlegten Schritt, der unter der großen Überschrift des Umwelt- und Klimaschutzes die vielen Bausteine des Wiederaufbaus zusammenführt.“

Mut macht die große Solidarität der vielen Helfer:innen, die nach wie vor in die Region strömen. „Plötzlich stehen fremde Leute im Laden und packen an. Gigantisch gut – das hat mich zu Tränen gerührt“, sagt Danko. Dechant Jörg Meyrer, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler, drückt es so aus: „Im Ahrtal erleben wir, wie wir uns unsere Gesellschaft wünschen. Hier erfahren wir gelebte Solidarität und Achtsamkeit miteinander – und das gibt uns Kraft.“ So bleibt am Ende unserer Gespräche ein Gefühl der Hoffnung.

Kerstin Opfer und Laura Schäfer