Pressemitteilung | 22.02.2022

Klimaschutz als Unternehmenspflicht: Was kann das deutsche Lieferkettengesetz leisten und was ist vom geplanten EU-Gesetz zu erwarten?

Gemeinsame Pressemitteilung von Germanwatch, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und WWF Deutschland
Pressemitteilung

Berlin (22. Feb. 2022). Die EU-Kommission will morgen ihren Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz vorstellen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace und der WWF Deutschland legen aus diesem Anlass ihre Positionen zu klimabezogenen Sorgfaltspflichten vor und unterstreichen noch einmal ihre Forderung nach klimabezogenen Sorgfaltspflichten im geplanten EU-Lieferkettengesetz. In ihrem Papier kritisieren die Organisationen das deutsche Lieferkettengesetz zugleich als nicht ausreichend.

Seit Jahren wird versucht, Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihren Lieferketten zur Verantwortung zu ziehen. In Deutschland wurde jüngst das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) verabschiedet. Das auch Lieferkettengesetz genannte Regelwerk tritt 2023 in Kraft. Damit reagierte die letzte Bundesregierung auf Forderungen, Unternehmen auch für den Klimaschutz in ihren Lieferketten in die Pflicht zu nehmen. Denn die Lieferketten von EU-ansässigen Unternehmen schaden etwa dem Klima und der Natur – sei es durch Emissionen bei der Produktion und dem Transport von Zulieferteilen, durch von Zulieferern und Tochterunternehmen gewonnene fossile Energie oder Waldrodungen.

Ceren Yildiz vom BUND: „EU-ansässige Unternehmen profitieren von günstigen Produktionskosten und unzureichenden Umweltgesetzen im Ausland. Zugleich heizen sie die Klimakrise an. Die EU muss sie rechtlich verpflichten, Verantwortung für Klimarisiken und -schäden in ihren Lieferketten zu übernehmen. Das deutsche Lieferkettengesetz ist dabei kein gutes Vorbild, denn es enthält nur sehr schwache eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten.“

Das LkSG regelt, welche Pflichten Unternehmen ab einer bestimmten Größe im Verhältnis zu ihren Zulieferern auferlegt werden. Demnach müssen Firmen vor allem Menschenrechtsrisiken in den eigenen Lieferketten identifizieren. Eine ausdrückliche klimabezogene Sorgfaltspflicht enthält es dagegen nicht. Dem Positionspapier zufolge lässt das LkSG die Möglichkeit klimabezogener Sorgfaltspflichten aber durchaus zu. Entscheidend ist, wie der Begriff der Luftverunreinigung interpretiert wird. Unternehmen müssen laut LkSG sicherstellen, dass Luftverunreinigungen durch ihre Zulieferer weder die natürlichen Grundlagen zum Erhalt und Produktion von Nahrung beeinträchtigen noch eine Gesundheitsschädigung bei Menschen hervorrufen können.

„Luftverunreinigung schließt aus unserer Sicht menschengemachte Treibhausgasemissionen mit ein. Letzten Endes ist nämlich Zweck der Vorschrift der Schutz von Leben und Gesundheit. Dass die Klimakrise diese Menschenrechte bedroht, ist unstreitig“, betont Susan Grzybek, WWF Deutschland. So sah es auch das Europäische Parlament, als es sich am 10. März 2021 mit Empfehlungen zur Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht von Unternehmen an die EU-Kommission wandte. „Industrielobbyisten haben sich massiv gegen die Aufnahme von Klimasorgfaltspflichten in das EU-Lieferkettengesetz gewehrt. Hier darf die EU-Kommission nicht einknicken. Das EU-Parlament hat einen guten Entwurf vorbereitet. Die Kommission muss jetzt nachziehen und Unternehmen für ihre Klimarisiken und -schäden zur Verantwortung ziehen“, kommentiert Tina Lutz von der Deutschen Umwelthilfe.

Klimabezogene Sorgfaltspflichten werden schon jetzt gerichtlich ausgefochten. So etwa in Frankreich und den Niederlanden, wo Umweltverbände erfolgreich die Ölkonzerne Total und Shell verklagten. „Insbesondere das Shell-Urteil hat gezeigt, das Unternehmen eine Pflicht zur Emissionsverminderung nicht nur im eigenen Geschäftsbereich, sondern darüber hinaus entlang ihrer gesamten Produktion auferlegt werden muss. Wer mit internationalen Lieferketten Profit macht, muss auch dafür sorgen, dass die Emissionen entlang der gesamten Produktionskette mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind“, erläutert Viola Wohlgemuth von Greenpeace.

Das Positionspapier leitet aus diesem Urteil zwei Kernforderungen ab: „Die Bundesregierung soll sich auf deutscher Ebene für eine Erweiterung des Lieferkettengesetzes um umfassende umweltbezogene Sorgfaltspflichten einsetzen. Zusätzlich soll sie sich auf EU-Ebene dafür stark machen, dass ein wirksames Instrument für Unternehmensverantwortung schnell verabschiedet wird. Hierzu gehören eindeutig klimabezogene Sorgfaltspflichten“, fordert Johanna Sydow von Germanwatch.