Pressemitteilung | 09.11.2022

UN, EU und Bundesregierung müssen alles tun, um massive Behinderung der Zivilgesellschaft durch Ägypten zu beenden

Inhaftierungen, Überwachungsversuche, explodierende Hotelpreise: Teile der Zivilgesellschaft sehen sich im Umfeld der Weltklimakonferenz vielen Repressalien seitens der ägyptischen Regierung ausgesetzt, ein hungerstreikender Inhaftierter könnte sterben
Pressemitteilung

Scharm El-Scheich (9. Nov. 2022). Mit großer Sorge beobachtet die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Menschenrechtsverletzungen und groben Einschränkungen von Teilen der Zivilgesellschaft im Umfeld der Weltklimakonferenz COP27. „Die Bundesregierung, UN und EU müssen alles in ihrer Macht stehende tun, um weiter auf die ägyptische Regierung als Gastgeber dieser Weltklimakonferenz einzuwirken. Von willkürlichen Inhaftierungen über Überwachung bis hin zu weiteren Hürden für Klima- und Menschenrechtsaktivisten - all dies geschieht hier im Kontext der COP. Aber die Achtung der Menschenrechte und eine lebendige Zivilgesellschaft sind Grundlage für Demokratie, Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Das derzeit prominenteste Beispiel für Menschenrechtsverletzungen in Ägypten ist der sich dramatisch zuspitzende Fall von Alaa Abd el-Fattah. Der britisch-ägyptische Blogger und Aktivist befindet sich seit 220 Tagen im Hungerstreik und trinkt seit Beginn der Weltklimakonferenz auch kein Wasser mehr, um gegen seine erneut verlängerte Haft zu protestieren. Er droht noch während der COP zu sterben. Alaa Abd el-Fattah befindet sich seit September 2019 wegen des angeblichen Missbrauchs sozialer Medien zur Verbreitung von angeblichen Falschinformationen in Haft. Christoph Bals:Wir rufen die UN und die COP27-Präsidentschaft dazu auf, alles zu tun um sicher zu stellen, dass Alaa Ab del-Fattah frei kommt und nicht stirbt. Wenn das nicht erreicht wird, wird dies die gesamte Weltklimakonferenz überschattenWir fordern zudem die Bundesregierung und die EU dazu auf, weiterhin so deutlich wie in den vergangenen Tagen alle diplomatischen Hebel zu nutzen, um die Freilassung von Alaa Abd el-Fattah und anderer politischer Gefangener zu erreichen.“

Die Schwester von Alaa Abd el-Fattah sagte gestern bei einer Veranstaltung im deutschen Pavillon bei der COP27: „I hope he is saved. I hope he is among us, I think we need his ideas. And we need people like him to be with us to address crises like climate change.“

Während sich die Staats- und Regierungschefs auf der COP27 versammeln, befinden sich schätzungsweise weitere 60.000 politische Gefangene - darunter auch Klimaaktivist:innen und Umweltschützer:innen - in ägyptischen GefängnissenLaut Human Rights Watch behindert die ägyptische Regierung willkürlich die Finanzierung und Registrierung lokaler Umweltgruppen oder deren Forschungen und zwingt sie damit, ihre Aktivitäten einzuschränken oder aufzugeben. Wichtige Stimmen der ägyptischen Zivilgesellschaft wurden bisher von der COP ausgeschlossen, darunter die Egyptian Initiative for Personal Rights, das Cairo Institute for Human Rights Studies, das Center for Egyptian Women's Legal Assistance, die Association for Freedom of Thought and Expression und die Egyptian Commission for Rights and Freedoms, die sich nicht für die COP27 registrieren lassen konnten.  

Überraschende Aufpreise in Hotels von 500 Dollar pro Nacht

Medienberichten zufolge hat die ägyptische Regierung wenige Tage vor Beginn der COP ein hartes Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft eingeleitet und zahlreiche Menschen inhaftiert, um Proteste während des Klimagipfels zu verhindern. Hinzu kommen verschiedene Einschränkungen für bereits registrierte Teilnehmende der Klimakonferenz: Berichtet wurde über Videoüberwachung in Taxis und Durchsuchungen. Zudem gibt es konkrete Hinweise, dass die offizielle COP27-App des Gastgebers Ägypten aufgrund weitreichender Zugriffsrechte auf Nutzer:innendaten missbraucht werden könnte, um die Handys von deren Nutzer:innen zu überwachen. Außerdem wurden Teilnehmer:innen - auch aus der Germanwatch-Delegation - von kurzfristigen Stornierungen ihrer Buchungen sowie von bei der Ankunft in den gebuchten Hotels erhobenen plötzlichen “Aufpreisen” in Höhe von 500 US-Dollar oder mehr pro Nacht überrascht. Aus den Hotels ist zu hören, dies sei von staatlichen Stellen vorgegeben worden. Derartige Maßnahmen führen zu massiven Einschränkungen der Teilnahmemöglichkeiten - ein Großteil der Zivilgesellschaft aus Afrika wird so faktisch ausgeschlossen. Das untergräbt die freie Meinungsäußerung und schwächt massiv die Zivilgesellschaft, ohne die es keine großen Erfolge bei Klimagipfeln gegeben hätte.