Meldung | 21.04.2023

Saúl Luciano Lliuya gegen RWE: Gutachten im Sommer erwartet

Schild mit der Aufschrift "Ruta de Evacuación" vor einem reißenden Bach

Die Gefahrenlage ist in Huaraz allgegenwärtig. Ein Schild weist hier die Evakuierungsroute im Falle einer Flutwelle aus.

Saúl Luciano Lliuya – ein Andenbauer und Bergführer aus Peru – und mit ihm über 50.000 Bewohner:innen der Andenstadt Huaraz sind durch die Folgen der globalen Erwärmung akut von einer Flutwelle bedroht. Saúl hat sich daher entschlossen, Initiative zu ergreifen: Am 24. November 2015 hat er vor einem deutschen Zivilgericht eine Klage gegen den Energiekonzern RWE eingereicht.

Ein Jahr nach dem gerichtlichen Ortstermin in Huaraz wird in diesem Sommer endlich das Gutachten der Sachverständigen vorliegen. Mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm ist noch in diesem Jahr zu rechnen.

Bereits Ende 2017 hatte das Oberlandesgericht Hamm beschlossen, in die Beweisaufnahme im Fall gegen RWE einzutreten. Im Mai 2022 reisten Richter:innen des OLG Hamm, Rechtsbeistände und vom Gericht bestellte Gutachter nach Peru, um zu untersuchen, ob das Haus des Klägers und seiner Familie tatsächlich von einer möglichen Flutwelle des 4.500 Meter oberhalb der Stadt gelegenen Gletschersees Palcacocha bedroht ist. Die gesamte Gefahrenzone in Huaraz umfasst ein Gebiet, in dem rund 50.000 Menschen leben.

Das Gutachten über die Gefahrenlage wird voraussichtlich im Sommer vorliegen. Dr. Roda Verheyen, Anwältin des Klägers: „Es ist schwer verständlich, dass bald ein Jahr nach dem Ortstermin noch kein Gutachten vorliegt. Leider können wir als Klägervertreter da nichts beschleunigen – das ist allein Sache des Gerichts.“

Die Verzögerung des Gerichtsverfahrens ist angesichts der Gefahrenlage vor Ort besorgniserregend. Kläger Saúl Luciano Lliuya ist erleichtert, dass es nun bald weitergeht: „Die Gefahr einer Flut nimmt ständig zu. Es gibt bereits Warnungen von benachbarten Bergseen. Außer mir sind mehr als 50.000 Menschen von einer möglichen Flut bedroht.“

Sobald das Gutachten vorliegt, können die Prozessbeteiligten wahrscheinlich innerhalb von sechs Wochen schriftlich dazu Stellung nehmen. Danach wird das OLG Hamm einen Termin zur mündlichen Verhandlung ansetzen, um das Gutachten zu erörtern - voraussichtlich noch für dieses Jahr. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die vom Kläger behauptete Flutgefahr für ihn tatsächlich existiert, muss in der zweiten Beweisfrage geklärt werden, inwieweit der menschgemachte Klimawandel und die von RWE freigesetzten CO2-Emissionen mitverantwortlich sind für die Gefahr eines Gletscherseeausbruchs.

Saúl Luciano Lliuya fordert in seiner Klage, dass sich RWE an den Kosten für die dringend notwendigen Schutzmaßnahmen am See Palcacocha beteiligt. RWE ist laut Studien für 0,47 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich und trägt damit nach Ansicht der Klägerseite zum Abschmelzen der Gletscher in den Anden und zur Überschwemmungsgefahr in Huaraz bei. Die ist bisher weltweit die einzige ihrer Art, die es bis in die Beweisaufnahme vor einem höheren Gericht geschafft hat. Das Oberlandesgericht Hamm schrieb bereits 2017 mit diesem Fall Rechtsgeschichte. Denn mit dem Eintritt in die Beweisaufnahme hat das Gericht bestätigt, dass auf der Grundlage des deutschen Zivilrechts ein privates Unternehmen grundsätzlich für seinen Anteil an der Verursachung klimabedingter Schäden und Risiken zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch unterstützt die Klage wegen ihres Präzedenzcharakters schon seit der Klageeinreichung am Landgericht Essen. Die deutsche Stiftung Zukunftsfähigkeit hat sich verpflichtet, alle dem Kläger in diesem Verfahren entstehenden Kosten zu übernehmen und ruft dafür regelmäßig zu Spenden auf.