Meldung | 28.11.2023

Mitgefühl, Menschenrechte und Völkerrecht – geeint für die Zukunft

Anlässlich der COP28 ein Kommentar von Germanwatch zu Terror und Krieg im Nahen Osten

Germanwatch möchte als Verein, der sich auf der Grundlage von Demokratie und Menschenrechten für die Umsetzung der von den Vereinten Nationen beschlossenen 2030-Agenda mit ihren Globalen Zielen einsetzt, kurz vor dem UN-Klimagipfel in unmittelbarer Nähe, zu Terror und Krieg im Nahen Osten nicht schweigen. Und das, obwohl wir in der Alltagsarbeit nicht zum Nahostkonflikt arbeiten. Vor diesem Hintergrund sprechen wir auch in diesem Statement in erster Linie grundsätzliche Orientierungen an. Wir hoffen, dass sie für eine konstruktive Debatte, gerade auch für den zivilgesellschaftlichen Dialog, in Deutschland und etwa beim UN-Klimagipfel in Dubai, wo wir beteiligt sein werden, relevant sind.

Zu den satzungsgemäßen Zwecken von Germanwatch gehört:
„Die Förderung der Verständigung zwischen den Völkern des globalen Nordens und Südens, deren Menschen gleichermaßen ein Recht auf nachhaltige Entwicklung zusteht; der internationalen Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und der friedlichen Gestaltung der gemeinsamen Zukunft auf der Welt […] Der Verein will das Bewusstsein dafür stärken, dass nur durch gegenseitiges Lernen und gemeinsame Verantwortung von Norden und Süden im Sinne einer multilateralen menschenrechtsbasierten Ordnung die überlebenswichtigen Probleme gelöst werden können.“

Zurzeit verfolgen wir mit großem Unbehagen eine Debatte in Deutschland und international. Sie sollte differenzierter sein, um zu vermeiden, dass Menschen und Regierungen auseinander und in destruktive Polarisierungen getrieben werden.

Wir sehen, dass jedes gesprochene oder nicht gesprochene Wort in dieser Situation Menschen verletzen kann auch deshalb, weil mit dem aktuellen Geschehen die Existenz berührende Traumata verknüpft sind, die Menschen der Region über die vergangenen Jahrzehnte erfahren haben. Einseitigkeiten in der Debatte – im Reden und Hinhören – können angesichts dieser existenziell prägenden Erfahrungen eine mögliche Folge sein. Vor diesem Hintergrund verstehen wir, dass es sehr unterschiedliche Perspektiven auf die Ereignisse im Nahen Osten gibt. Eine Grenze setzen wir allerdings dort, wo rassistische, antisemitische Positionen und generell Meinungsbekundungen die Würde anderer Menschen verletzen.

Auf dieser Grundlage sagen wir:

Als Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisation verurteilen wir alle Verstöße gegen die Menschenrechte und gegen das Völkerrecht, unabhängig davon, wer sie begeht. Menschenrechte gelten universell. Auf wechselseitiger Empathie, auf Menschenrechten und Völkerrecht müssen alle Wege aufbauen, die zum Frieden führen. Dafür setzen wir uns in allen Kriegen und angesichts aller Menschenrechtsverletzungen ein.

Der Schutz der Menschenwürde ist Grundlage der unverbrüchlichen Solidarität Deutschlands mit dem Staat Israel, und er ist gerade deshalb auch der Maßstab möglicher Kritik am konkreten Handeln der israelischen Regierung.

In Solidarität zu Palästina zu stehen, kann nicht bedeuten, den von der Hamas bewusst als Zivilisationsbruch inszenierten Terror und die anhaltende Geiselnahme vor allem israelischer Menschen zu verschweigen. Oder auch die Berichte zu verschweigen, die auf das Kriegsverbrechen der Hamas hinweisen, die Zivilbevölkerung in Gaza als Schutzschild zu nutzen.

Die Hamas ist keine Befreiungsorganisation im Kampf für Dekolonialisierung. Sie ist eine Terrororganisation mit autokratischer Herrschaft, demokratie- und frauenfeindlich, wie ein Blick in die Hamas-Charta von 1988 und von 2017 zeigt.

Solidarität den Menschen in Israel auszudrücken, muss nicht heißen, die möglichen Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, die zunehmende militärische Besetzung der Palästinensergebiete, die widerrechtliche Ausweitung der Siedlungen, die täglichen Demütigungen und Provokationen und die Rechtsradikalität der israelischen Regierung zu verschweigen.

Vor diesem Hintergrund möchten wir unsere Solidarität mit allen Menschen – insbesondere Zivilist:innen – zeigen, die von Terror und Krieg betroffen sind. Viel zu selten hören die Jüd:innen in Deutschland jenseits öffentlicher Verlautbarungen, wie tief wir Anteilnahme und Entsetzen nachfühlen über den unfassbaren Anschlag auf friedliche, teilweise tanzende Menschen. Viel zu selten hören die Palästinenser:innen in Deutschland, dass wir ihren Leidensweg der letzten Jahrzehnte wahrnehmen und es höchste Zeit ist, dafür eine Lösung zu finden.

Wir schließen uns den Forderungen an, baldmöglichst eine dauerhafte Friedenslösung zu verhandeln. Wir fordern die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, der unparteiischen Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen beider Seiten sowie der Gewährung von Zugang und Unterstützung für humanitäre Organisationen.

Das völkerrechtlich formulierte „Recht jedes Staates in der Region, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Drohungen oder Gewaltanwendung in Frieden zu leben“*, und die auch in UN-Resolutionen geforderte Beendigung der Besetzung Palästinas sind Grundlage für eine langfristige Lösung in der Region.

Entschieden treten wir allen Anfeindungen und Bedrohungen von Jüd:innen, Muslim:innen, von Israelis oder Palästinenser:innen, der menschenfeindlichen Stimmungsmache und der populistischen Instrumentalisierung für die Migrationspolitik entgegen überall, aber ganz besonders in Deutschland. Es ist unsere Aufgabe als Demokrat:innen für unsere Mitbürger:innen einzustehen, mit ihnen gemeinsam friedlich und würdig zusammenzuleben sowie auf ihren konstruktiven Schutz durch unsere Regierungen hinzuwirken.  

Krieg torpediert auch die Lösung der Klimakrise, eine weiter fortschreitende Klimakrise kann die Grundlage neuer Kriege werden. Als eine Organisation, die sehr stark im internationalen Klimaschutz aktiv ist, hat uns sehr angesprochen, was eine Gruppe von in Deutschland lebenden Jüd:innen und Muslim:innen – auch mit Blick auf den anstehenden Klimagipfel in Dubai – kürzlich geschrieben hat: Die Menschen im Nahen Osten brauchen gerade jetzt so viele Friedensbemühungen und so viel Klimaschutz wie möglich. Die klimatisch verletzlichen Regionen dieser Welt brauchen gerade jetzt eine Weltgesellschaft, die sich nicht in weitere Polarisierungen hineintreiben lässt und den existentiellen Herausforderungen unserer Zeit entschieden begegnet. Das weltweite Bemühen um Klimaschutz und Frieden braucht gerade jetzt möglichst viele gute Beispiele dafür, dass Verständigung und Zusammenhalt stärker sind als das Schüren von Ängsten und Feindseligkeit. Wir alle brauchen gerade jetzt eine Klimabewegung, die nicht durch einseitige Schuldzuweisungen zur Spaltung beiträgt und ihrer gemeinsamen Sache schadet, sondern die sich für den Zusammenhalt stark macht.“ In diesem Sinne setzen auch wir uns in den nächsten Tagen für ein wegweisendes Ergebnis der COP28 ein.

 


* Eigene Hervorhebung.