Allgemeine Fragen zu der Zukunftsklage

Alle Fragen und Antworten zur Zukunftsklage

Warum klagen wir?

Die Bundesregierung hat es bisher versäumt, ausreichende Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen. Deutschland ist nicht auf dem Pfad, seine Klimaziele und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2021 einzuhalten. Zudem erlaubt das Klimaschutzgesetz (KSG) immer noch zu viele Emissionen, obwohl das deutsche CO2-Budget in einigen Jahren ganz oder nahezu aufgebraucht ist. Insbesondere im Verkehrssektor werden zentrale Maßnahmen nicht ergriffen und es droht eine gravierende Zielverfehlung.

Anstatt ausreichende Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, hat der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung darüber hinaus das Klimaschutzgesetz in einiger Hinsicht abgeschwächt: Die verbindlichen Ziele für verschiedene Bereiche („Sektoren“) wie Verkehr und Gebäude wurden gestrichen. Die Bundesregierung ist nicht mehr verpflichtet, unverzüglich nachzusteuern, wenn Deutschland vom Kurs abweicht. Damit ist der Verschiebebahnhof für Emissionen möglich, dem das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorschieben wollte.

Deshalb haben wir gemeinsam mit Greenpeace und 54.584 Einzelkläger:innen – und unterstützt von Protect the Planet - eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Klimaschutz darf nicht zu Lasten der heute jungen und zukünftigen Generationen aufgeschoben werden, sondern muss zeitnah umgesetzt werden. Dies stellte bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem historischen Klimabeschluss im Frühjahr 2021 fest. 

Wir fordern die Umsetzung des Klima-Beschlusses mit schnellen und effektiven Maßnahmen und ein verfassungskonformes Klimaschutzgesetz.

Ist die Beschwerde erfolgreich, könnte das Bundesverfassungsgericht die Regierung verpflichten, für die Zielerreichung ausreichende Maßnahmen, vor allem im Verkehrssektor, zu ergreifen. Wir hoffen, dass die Änderungen im Klimaschutzgesetz, die die klare Verantwortung vernebeln und zeitlich einen Verschiebebahnhof ermöglichen, rückgängig gemacht werden.

Auf welcher rechtlichen Argumentation beruht die Verfassungsbeschwerde?

Unsere Verfassungsbeschwerde ruht auf drei Säulen, die inhaltlich miteinander verknüpft sind:

  1. Ambition
    Das deutsche KSG erlaubt immer noch zu viele Emissionen, über die wir in Deutschland – gemessen an der 1,5° Grad Grenze, die auch der Straßburger Menschengerichtshof bestätigt hat – nicht mehr verfügen können. Das Gesetz ist nicht ambitioniert genug um Menschenrechte ausreichend zu schützen. Das muss geändert werden.
  2. Anfechtung Klimaschutzgesetz
    Die gerade erst vom Bundestag verabschiedete Novelle des KSG ist verfassungswidrig. Sie verstößt gegen die vom Bundesverfassungsgericht bereits anerkannten Freiheitsrechte im Kontext der Klimakrise. Das Gesetz belässt es zwar bei den 2021 gesetzten Zielen (65% Reduktion bis 2030 und Treibhausgasneutralität bis 2045), schwächt aber die Umsetzung so, dass eine Verschiebung der notwendigen Maßnahmen – anders als 2021 vom Bundesverfassungsgericht gefordert -, ermöglicht wird. So ist Deutschland – wie der Expertenrat vorgerechnet hat – weder für 2030 noch für die Folgezeit auf Zielerreichungspfad.
  3. Erlass von Maßnahmen
    Das heutige Unterlassen von Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor verletzt intertemporale Freiheitsrechte. Bei weiterer Untätigkeit des Verkehrsministers sind später umso härtere, in die Freiheitsrechte eingreifende Maßnahmen unvermeidlich. Besonders betroffen sind von solchen Freiheitseinschränkungen eher ärmere Menschen im ländlichen Raum, wenn nicht Vorsorge für klimaverträgliche Moblititätsangebote getroffen wird. Obwohl § 1 des KSGs die Regierung auffordert beim Klimaschutz auf Sozialverträglichkeit zu achten, benachteiligt das Fehlen ausreichender Maßnahmen im Verkehrs- und auch Gebäudesektor gerade die sozial schwächeren Gruppen. Wer in Mietwohnungen wohnt oder sich als Pendler:in nur einen Gebrauchtwagen leisten kann, kann dann – ohne entsprechende Handlungsangebote – kaum angemessen reagieren.
An wen richtet sich die Verfassungsbeschwerde?

Wir erheben eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Bundesregierung (also Exekutive) und Bundestag (also den Gesetzgeber). Die Grundlage dafür liefert zum einen die Anfechtung des Klimaschutzgesetzes und die mangelhafte Klimaschutzpolitik der Regierungskoalition: Besonders aufgrund fehlender Maßnahmen im Verkehrssektor wird Deutschland seine verfassungsrechtlich gebotenen und gesetzlich vorgeschriebenen Klimaschutzziele langfristig verfehlen.

Wie läuft eine Verfassungsbeschwerde genau ab?

Wenn neu verabschiedete oder geänderte Gesetze Grundrechte verletzen, können Menschen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einreichen. Zudem kann eine Klage eingereicht werden, wenn Bundesregierung und Bundestag in bestimmten Bereichen keine oder nicht ausreichend effektive Gesetze erlassen und es so zu Verletzungen von Grundrechten kommt. Ist die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingegangen, gibt es eine Art Vorauswahl. Das Gericht kann die Beschwerde ablehnen, also gar nicht zur Entscheidung annehmen. Dann bekommt man einen Nichtannahmebeschluss – auch der kann nützlich sein und später genutzt werden, wenn er vom Gericht mit Begründung versehen wird.

Passiert die Beschwerde diesen Schritt, stellt das Verfassungsgericht sie der Bundesregierung und dem Bundestag zu, die dann Stellung beziehen können. Es kann auch weitere Akteure anfragen, wie z.B. Sozialverbände oder Gewerkschaften. Anschließend kommt es regelmäßig (aber nicht immer) zu einer mündlichen Verhandlung, in der Argumente ausgetauscht und manchmal Sachverständige gehört werden.

Schließlich fällen die Verfassungsrichter:innen ihr Urteil: Entweder sie weisen die Verfassungsbeschwerde ab oder sie erklären Gesetze für verfassungswidrig und verpflichten Bundesregierung und Bundestag innerhalb einer bestimmten Frist neue verfassungskonforme Gesetze zu erlassen.
 

Tag der Einreichung am 16.09.2024
Wer sind die Beschwerdeführer:innen?

Germanwatch und Greenpeace klagen als Umweltverbände gemeinsam mit 54.584 Einzelkläger:innen, die sich im Zeitraum von Ende Juni bis Ende August der Klage angeschlossen haben. Man konnte dafür eine Vollmacht für die Anwältin auf den Websites von Germanwatch und Greenpeace anfordern.  

Alle Zukunftskläger:innen  sind juristisch gleichgestellt. Allerdings werden in der Klageschrift auch Fälle vertiefend dargestellt, die neben dem Recht auf “intertemporale Freiheitssicherung” auch den mangelhaften Schutz von anderen Rechtsgütern argumentieren: zum Beispiel geht es um Eigentumsrechte oder Gesundheitsfragen. Einige von ihnen waren schon Beschwerdeführer:innen bei der letzten Verfassungsbeschwerde 2021, wie z.B. Lüke Recktenwald aus Langeoog.

Wie und weshalb konnte man sich der Zukunftsklage anschließen?

Der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 hat anerkannt, dass es im Kontext der Klimakrise um die Freiheit eines jeden Einzelnen geht. Nur rechtzeitiges Handeln schützt die im Grundgesetz geschützten Freiheitsrechte aller. Deswegen meinen wir als Verbände und die Beschwerdeführer:innen von 2021, dass wir auch jedem einzelnen ermöglichen sollten, den Rechtsschutz in die eigene Hand zu nehmen. Die über 54.000 Personen, die sich der Klage angeschlossen haben klagen nun auf rechtzeitiges und ausreichendes Handeln und müssen ihre persönliche Situation nicht weiter darlegen. Sie machen durch Ihren Namen deutlich, dass sie in der heutigen Lage ihre Grundrechte bedroht sehen. Die Phase, in der man sich der Zukunftsklage anschließen konnte, ist bereits beendet. Eine Anmeldung ist leider nicht mehr möglich.

Eine gemeinsame Verfassungsbeschwerde mit so vielen Mitkläger:innen hat es in dieser Form erst einmal in der deutschen Rechtsgeschichte gegeben. 2016 hatte das Bündnis “Mehr Demokratie” zusammen mit Foodwatch, Campact und rund 200.000 Menschen eine erste Verfassungsbeschwerde gegen das vorläufige Inkrafttreten von CETA, einem umstrittenen europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen, eingelegt. Sie war teilweise erfolgreich.

Kann ich mich der Zukunftsklage noch anschließen?

Die Phase, in der sich Menschen der Zukunftsklage anschließen konnten, ist bereits beendet. Leider ist es nicht mehr möglich, sich anzuschließen. Auch wenn Sie eine spezifische Betroffenheit vorbringen möchten, ist das leider nicht mehr zusätzlich möglich aber auch nicht nötig. Die Entscheidung des Gerichts geht über die individuellen Beschwerdeführer:innen hinaus.

Wie lange dauert das jetzt bis zum Urteil?

Das lässt sich nicht genau sagen. Bevor es zu einem Urteil kommt, passieren ja noch einige Zwischenschritte. Ist die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingegangen, gibt es eine Art Vorauswahl. Das Gericht kann die Beschwerde ablehnen, also gar nicht zur Entscheidung annehmen. Dann bekommt man einen Nichtannahmebeschluss – auch der kann nützlich sein und später genutzt werden, wenn er vom Gericht mit Begründung versehen wird.

Passiert die Beschwerde diesen Schritt, stellt das Verfassungsgericht sie der Bundesregierung und dem Bundestag zu, die dann Stellung beziehen können. Es kann auch weitere Akteure anfragen, wie z.B. Sozialverbände oder Gewerkschaften. Anschließend kommt es regelmäßig (aber nicht immer) zu einer mündlichen Verhandlung, in der Argumente ausgetauscht und manchmal Sachverständige gehört werden.

Schließlich fällen die Verfassungsrichter:innen ihr Urteil: Entweder sie weisen die Verfassungsbeschwerde ab oder sie erklären Gesetze für verfassungswidrig und verpflichten Bundesregierung und Bundestag innerhalb einer bestimmten Frist neue verfassungskonforme Gesetze zu erlassen.

Warum sprechen wir sowohl von Verfassungsbeschwerde als auch von Zukunftsklage?

Juristisch korrekt handelt es sich bei unserer Klage um eine Verfassungsbeschwerde. Formal sind es sogar so viele Beschwerden, wie sich Menschen beteiligen. Da die Verfassungsbeschwerde aber die Weichen für eine klimafreundliche Zukunft stellen soll, haben wir sie „Zukunftsklage“ getauft.

Wie wird die Klage finanziert?

Die Klage wird finanziert von Greenpeace und Germanwatch mit Unterstützung von der Sick-Umweltstiftung und der GLS Treuhand. Die Arbeit von Germanwatch im Bereich Klimaklagen beruht auf Spenden. Gerne können Sie uns durch eine zweckgebundene Spende unterstützen. Vielen Dank!

Wie kann ich Germanwatch bei dieser Klage unterstützen?

Natürlich freuen wir uns auch, wenn Sie Ihren Mitmenschen von der Klage erzählen und sich in Ihrem Umfeld für eine ambitioniertere Klimapolitik einsetzen. Die Arbeit von Germanwatch im Bereich Klimaklagen beruht auf Spenden. Gerne können Sie uns durch eine zweckgebundene Spende unterstützen.

Gibt es noch weitere Verfassungsbeschwerden?

Ja, es gibt neben unserer Zukunftsklage noch zwei weitere Verfassungsbeschwerden: eine geführt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, eine vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) und Einzelkläger:innen aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft. Die verschiedenen Beschwerden ermöglichen es dem Gericht unterschiedliche rechtliche Argumentationen zu prüfen.

Könnte die Zukunftsklage mit über 54.000 Mitklagenden zu einer Überforderung des Bundesverfassungsgerichtes führen?

Die unzureichende Klimapolitik von Bundestag und Bundesregierung verletzt die Grundrechte aller in Deutschland lebenden Menschen - daher haben wir uns dazu entschlossen, allen Menschen eine Beteiligung an der Verfassungsbeschwerde von Greenpeace und Germanwatch zu ermöglichen. Schon im Vorfeld der neuen Verfassungsbeschwerde haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wie wir gewährleisten können, dass diese Beteiligung das Bundesverfassungsgericht nicht überfordert. Dazu sind wir bereits mit der Verwaltung des Gerichts in Kontakt gewesen. Durch die Umstellung auf digitale Verfahren entsteht kein massiver Mehraufwand für das Gericht: Das Bundesverfassungsgericht stellt zum 1. August 2024 auf digitalen Datenverkehr um. Daher werden die Klageschrift und die Liste der Beschwerdeführer:innen digital über das elektronische Anwaltspostfach eingereicht. Unser Vorgehen ist nicht zu vergleichen mit tausenden von Briefen, die einzeln bei Gericht eingehen – solche Aufrufe hat es in der Vergangenheit gegeben. Insofern entsteht für das Gericht auf administrativer Ebene ein überschaubarer Mehraufwand. Individuelle Beschwerdegründe der Mitkläger:innen, die sich über eine Vollmacht für die Anwält:innen der Zukunftsklage angeschlossen haben, muss das Gericht nicht prüfen. Sie beziehen sich auf die vom BVerfG bereits als rechtmäßig bestätigte “Intertemporale Freiheitssicherung”.