Berlin (13. Okt. 2025). Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch kritisiert, dass der Rechtsausschuss des EU-Parlaments für eine deutliche Abschwächung von Berichts- und Sorgfaltspflichten gestimmt hat. Zuvor hatte die Europäische Volkspartei (EVP) die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) und die Liberalen von Renew Europe mit einem Ultimatum unter Druck gesetzt. Sie forderte von den Mitte-Parteien die Zustimmung zu ihrem Vorschlag und drohte andernfalls den Schulterschluss mit den extremen Rechten an. Damit brachte sie die beiden anderen Parteien letztendlich trotz Vorbehalten zum Einlenken.
„Wer mit einem gemeinsamen Vorgehen mit rechtsradikalen Parteien droht, wertet einerseits undemokratische Parteien auf und gräbt andererseits das Grab für konservative Parteien der Mitte, wie verschiedene Beispiele zeigen. Wenn das Vorgehen zudem die Handlungsfähigkeit der EU untergräbt, wirft das die Frage auf, welche Werte Konservative in der Zukunft bewahren wollen“, kritisiert Christoph Bals, Politik-Vorstand von Germanwatch. „Die Europäische Volkspartei verspielt ihre wichtige Rolle zur Stabilisierung der politischen Mitte, wenn sie droht, Einigungen durch die Androhung einer Mehrheit mit der extremen Rechten zu erzielen. Wenn sie zudem Errungenschaften des europäischen Green Deals untergräbt, zerstört sie einen von Ursula von der Leyen mit aufgebauten Markenkern ihrer Partei.“
CSRD: Einschränkung des Anwendungsbereiches gegen Empfehlungen
Der Rechtsausschuss schlägt vor, die Schwellenwerte bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung noch weiter anzuheben als von der Kommission vorgesehen. Damit folgt er einer kurzsichtigen Deregulierungsagenda: Die Ausnahmen sollen vordergründig für Entlastung sorgen, gehen aber langfristig auf Kosten von Transparenz und Wettbewerbsfähigkeit.
„Wer den Anwendungsbereich so stark einschränkt, dass nur noch zehn Prozent der ursprünglich vorgesehenen Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Daten offenlegen müssen, verschließt die Augen vor den klaren Warnungen von Investoren und der Europäischen Zentralbank. Auch zahlreiche Unternehmen hatten davor gewarnt und Verlässlichkeit gefordert“, so Eva Kleemann, Referentin für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch. „Für die kommenden Trilogverhandlungen fordern wir insbesondere die Bundesregierung und die Abgeordneten der EVP auf, den eigentlichen Zweck der CSRD wieder in den Blick zu nehmen: transparente und belastbare Daten in der Breite als Grundlage für Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit. Noch können sie die Fehlentscheidungen der vergangenen Monate, wie das Aufweichen der Schwellenwerte, korrigieren.”
CSDDD droht zum zahnlosen Tiger zu werden
Für die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) würde ein Bestand des Votums heute eine massive Abschwächung beim Schutz von Menschenrechten und Umwelt bedeuten. Durch die Streichung der EU-weit harmonisierten zivilrechtlichen Haftung wird Betroffenen der Zugang zum Recht erheblich erschwert. Durch die drastische Verkleinerung des Anwendungsbereichs sind nur noch wenige hundert deutsche Unternehmen überhaupt erfasst. „Wer jetzt die Richtlinie verwässert, sendet das fatale Signal, dass kurzfristige wirtschaftliche Interessen über grundlegenden Menschenrechten und Umweltschutz stehen“, so Juliane Bing, Referentin für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch. „Dem Lobbydruck internationaler Konzerne wie ExxonMobil darf die EU sich nicht beugen, wenn sie es mit Menschenrechten und Klima ernst meint.“
Jetzt kommt es entscheidend darauf an, dass sich die Bundesregierung im anstehenden Trilog für substanzielle Nachbesserungen einsetzt. Bing: „Die Lieferkettenrichtlinie muss praktikabel umgesetzt werden, darf aber nicht zu einem zahnlosen Tiger verkommen. Sie muss tatsächlich dazu beitragen, Rechte von Beschäftigten und Umwelt in globalen Lieferketten wirksam zu schützen.“
Politisches Erpressungsspiel der EVP führt zu Rückschritt bei Menschenrechts- und Umweltstandards
Germanwatch kritisiert Verwässerung der EU-Lieferkettenrichtlinie und der Nachhaltigkeitsberichtspflichten im EU-Rechtsausschuss / Bundesregierung im Trilog gefordert