Meldung | 27.07.2015

Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" geht an die Öffentlichkeit

Piktogramm Gerichtsdokumente

Eine Allianz aus mehr als 40 Vereinen und Stiftungen - darunter Germanwatch - trat am 6.7.2015 mit Forderungen zur Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts an die Öffentlichkeit. Sie kritisiert, wie stark die geltenden Regeln die politische Willensbildung in der Bundesrepublik behindern, da auf ihrer Grundlage die Finanzämter immer wieder die Gemeinnützigkeit von Organisationen in Frage stellen. Nur Spenden an gemeinnützige Organisationen können von der Steuer abgesetzt werden. Zudem sind gemeinnützige Vereine selbst steuerbefreit und können Zuschüsse erhalten. Die nachträgliche Aberkennung schafft ihnen daher meist enorme Probleme und kann sogar existenzbedrohend sein. So befindet sich das globalisierungskritische Netzwerk attac beispielsweise seit mehr als einem Jahr im Widerspruchsverfahren gegen die Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit.

Die Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" stellt fest, dass der gesellschaftliche und politische Konsens darüber, was gemeinnützig ist, von den im Gesetz definierten Kriterien abweicht. Die Allianz fordert daher, dass die Politik die allgemein geteilte Definition von Gemeinnützigkeit klar und deutlich in die Abgabenordnung schreibt, so dass für gemeinnützige Organisationen und die Finanzämter Klarheit und Rechtssicherheit besteht.

Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, kommentierte die Lage gegenüber den MedienvertreterInnen im Haus der Bundespressekonferenz Berlin: "Es kann nicht sein, dass Vereine veraltete Gesetzesvorgaben erfüllen müssen, um als gemeinnützig zu gelten, und dann noch befürchten müssen, dass man ihnen die Gemeinnützigkeit nachträglich wieder aberkennt."

"Wenn sich Menschen in einem Verein wie Attac zusammen tun und sich zum Wohl der Allgemeinheit in politische Debatten einmischen, wird dem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen und so die Beteiligung der Menschen ausgebremst", kritisierte Stephanie Handtmann, Geschäftsführerin von Attac Deutschland.

Einen globalen Trend, zivilgesellschaftliche Handlungsräume einzuschränken, beobachtet Julia Duchrow, Referatsleiterin Menschenrechte und Frieden bei Brot für die Welt. "Wir erleben bei Partnerorganisationen weltweit, dass ihre Arbeit von administrativen und gesetzlichen Regelungen stark eingeschränkt wird. Wir erwarten von Deutschland besonders vorbildliche Regeln für die Stärkung der Zivilgesellschaft, um so weltweit ein Signal zu setzen."

Zur politischen Willensbildung tragen die Parteien bei, so steht es in Artikel 21 des Grundgesetzes. Dies bedeutet, dass sie nicht die einzigen sind, die dazu beitragen. Wenn also Organisationen der Zivilgesellschaft an der politischen Willensbildung im Interesse der Allgemeinheit beitragen, sollte dies nicht von den Finanzbehörden behindert werden, wie es immer häufiger geschieht. Eine solche Arbeit gehört zur modernen Gesellschaft und das will auch die Politik.

Das langfristige Ziel der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” ist ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht. Kurzfristig will sie eine Änderung der Abgabenordnung erreichen, um einerseits klarzustellen, dass gemeinnützige Organisationen zur Erreichung ihrer Zwecke selbstverständlich Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen dürfen; und um andererseits zusätzliche Zwecke aufzunehmen, da die bisherigen Zwecke das Spektrum zivilgesellschaftlicher Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit nicht abdecken. Sie wird mit ihren Forderungen auf Politiker aller Parteien zugehen. Das Bündnis ist offen für weitere Mitglieder.

Ansprechpartner bei Germanwatch: Dr. Gerold Kier, Administrativer Geschäftsführer, kier@germanwatch.org, Tel. 0228 / 60492-12

Zuletzt geändert