Die novellierte Düngeverordnung ist ein fauler Kompromiss

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Die novellierte Düngeverordnung ist ein fauler Kompromiss

Interview mit Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V (BDEW)
Weitblick 3/2017 Porträt Martin Weyand

Foto: BDEW

 
Herr Weyand, Ihr Verband setzt sich für eine grundlegende Reform des Düngerechts in Deutschland ein. Warum werden die Wasserwerke zu einem agrarpolitischen Thema aktiv?

In einigen Regionen Deutschlands werden die Felder von der industriellen Agrarwirtschaft seit Jahrzehnten massiv überdüngt. Die Böden sind überlastet und verlieren zunehmend ihre Funktion als natürlicher Filter. Inzwischen sind die Nitratwerte mancherorts alarmierend. Das schadet der Umwelt und sorgt für einen erheblichen Mehraufwand bei der Trinkwasseraufbereitung, und damit auch für deutlich höhere Kosten. Aus unserer Sicht kann es aber nicht sein, dass am Ende der Verbraucher für die Sünden der industriellen Agrarwirtschaft geradesteht.

Deshalb setzen wir uns mit Nachdruck für eine Verschärfung des Düngerechts ein, damit endlich ein wirksamer Umwelt- und Gewässerschutz gewährleistet werden kann. Gemeinsam mit neun Umweltverbänden und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben wir die Initiative „Stoppt die Gülle-Verschmutzung – Schützt unser Wasser!“ ins Leben gerufen. Diese ungewöhnliche Koalition zeigt, dass die Nitratverschmutzung der Gewässer alle gesellschaftlichen Gruppen betrifft. Wir müssen alle am gleichen Strang ziehen.

Der Deutsche Bauernverband weist darauf hin, dass der Nährstoffüberschuss auf den Feldern in den letzten Jahren – wenn auch langsam – gesunken ist. Zudem wurde auf Druck der EU das Düngerecht verschärft. Ist Deutschland schon auf dem richtigen Weg?

Da spricht der Nitrat-Bericht der Bundesregierung aber eine andere Sprache: An fast einem Drittel der Messstellen wurde der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter teils massiv überschritten. Seit Jahren verstößt Deutschland gegen die Nitrat-Richtlinie der EU und muss sich hierfür nun vor dem Europäischen Gerichtshof rechtfertigen. In Vorfeldmessungen wurden vielerorts Nitratwerte von bis zu 400 Milligramm Nitrat gemessen. Und trotzdem werden die Felder immer weiter überdüngt und tonnenweise Gülle aus Nachbarstaaten importiert.

Das novellierte Düngerecht ist ein fauler Kompromiss mit zahlreichen Ausnahmen und Schlupflöchern. Um nur ein Beispiel zu nennen: Es sollen zunächst nur Großbetriebe verpflichtet werden, ihre Stoffstrombilanzen offenzulegen. Somit wird sich bei 90 Prozent der Betriebe nicht kontrollieren lassen, wieviel Stickstoff tatsächlich in den Hof rein- und wieviel rausgeht. Wie kann damit ein nachhaltiger Schutz unserer Gewässer und Böden erreicht werden?

Was erwartet der BDEW vom gerade neu gewählten Bundestag und der Bundesregierung bezüglich des Düngerechts?

Wir fordern, dass die Politik strenge Grenzwerte für die Düngung einführt und Ausnahmen nur in begründeten Fällen zulässt: Die geplante Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar Ackerfläche muss für alle stickstoffhaltigen Düngemittel gelten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Mineraldünger von dieser Regelung ausgenommen sein soll. Auch müssen die Vorgaben zur Düngebilanzierung alle landwirtschaftlichen Betriebe erfassen. Wird an einem Standort der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser überschritten, muss ein sofortiger Düngestopp erfolgen. Damit Böden und Gewässer sich regenerieren können, müssen gefährdete Gebiete ausgewiesen und Aktionsprogramme eingeleitet werden.

Reichen wirksamere rechtliche Rahmenbedingungen beim Düngerecht aus, um die Qualität des Wassers zu sichern?

Für den langfristigen Umwelt- und Gewässerschutz braucht Deutschland eine konsequente und nachhaltige Agrarwende: Weg von der industriellen Landwirtschaft, hin zu einer nachhaltigen Nutzung der Böden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten EU-Agrargelder stärker in den ökologischen Landbau umgeschichtet werden. Die nächste Bundesregierung sollte sich bei der EU für die Umschichtung der Gelder stark machen.
 

Interview: Tobias Reichert

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