Mehr Fleisch und Milch - koste es, was es wolle

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Mehr Fleisch und Milch - koste es, was es wolle

Exportorientierte Tierproduktion schadet Klima und Umwelt
Weitblick-Bild: 3/2012_Mehr Fleisch und Milch

Tierhaltung ist die mit Abstand wichtigste Treibhausgasquelle in der Landwirtschaft. Foto: Fred Dott

Die Tierhaltung in Deutschland und der EU unterliegt seit Jahrzehnten einem dramatischen Strukturwandel hin zu größeren Betrieben. Fast zwei Drittel aller Mastschweine stehen in Ställen mit über 1.000 Tieren und fast drei Viertel der Masthühner in Betrieben mit über 50.000 Tieren. Die Betriebe konzentrieren sich in Deutschland im Nordwesten, vor allem Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Zuwächse sind aber auch in Ostdeutschland zu verzeichnen.

Diese Entwicklung ist vor allem das Ergebnis eines zunehmenden Kostendrucks, dem die meisten Betriebe durch Rationalisierung und Expansion begegnen. So reduzieren sie die Kosten pro Kilogramm Fleisch oder Liter Milch. Das ist in den letzten Jahren so weit gelungen, dass Deutschland nun Nettoexporteur von Schweinefleisch ist und sich mit Hühnerfleisch fast selbst versorgen kann. Noch vor zehn Jahren war es bei beiden Produkten auf umfangreiche Importe angewiesen. Bei Milch und Rindfleisch blieb die starke Position als Nettoexporteur unverändert.

Dass Deutschland sich nun auch in der Landwirtschaft zum Exportmeister aufschwingt, geht allerdings massiv auf Kosten von Klima und Umwelt. Nach Schätzungen des bundeseigenen Thünen-Instituts für Agrarforschung entstehen drei Viertel der Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft in der Tierproduktion, einschließlich des Futtermittelanbaus(!). Die Emissionen aus Importfutter wie Sojaschrot sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Den Löwenanteil machen die Rinder aus, deren Verdauungssystem das klimaschädliche Methan freisetzt. Gleichzeitig geht durch die intensivere Produktion die Weidehaltung zurück. Diese hat jedoch das Potenzial, Kohlenstoff im Boden zu binden und so dem Klimawandel entgegen zu wirken.

Die intensive Landwirtschaft ist zudem auf die Zufuhr von mineralischem Stickstoff angewiesen. Dies führt zu höheren Emissionen des stark klimaschädlichen Lachgases, aber auch zu anderen Umweltbelastungen wie Nitrat im Trinkwasser. Dessen Konzentration ist vor allem in Regionen mit intensiver Tierhaltung besonders hoch. Die Tierhaltung ist nach Analyse des 2011 von der Europäischen Wissenschaftsstiftung veröffentlichten „European Nitrogen Assessment“ auch hierbei der wichtigste Faktor, da ein Großteil der europäischen Getreideernte – und damit des Stickstoffdüngers – der Tierfütterung dienen. Der zunehmende Anbau von Futtergetreide, gerade von Mais, gefährdet darüber hinaus in vielen Regionen die Biodiversität und die Bodenfruchtbarkeit.

Auch für die menschliche Gesundheit drohen Gefahren. So erfordern die nicht tiergerechten Haltungsbedingungen, vor allem von Hühnern, den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika. Dadurch können sich Resistenzen verbreiten, die die Behandlung von Krankheiten beim Menschen erschweren. Durch den Einsatz von Pestiziden und gentechnisch veränderten Pflanzen beim Anbau von Futtermitteln, sind beim Verzehr von Fleisch weitere Gefährdungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht auszuschließen (siehe Interview: Das Grüne Gift).

Eine Tierproduktion, die den derzeitigen Konsum von Fleisch und Milch in Deutschland deckt und dazu noch Exporte ermöglicht, ist mit umwelt- und klimafreundlichen Methoden nicht zu erreichen. Agrarpolitik und KonsumentInnen müssen daher Anreize setzen, damit weniger und dafür höherwertiges Fleisch umwelt-, klima- und tierfreundlicher erzeugt wird.

Tobias Reichert

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