Das Grüne Gift - Sojaanbau in Argentinien und die Folgen für die Gesundheit der Menschen

Weitblick Artikel

Das Grüne Gift - Sojaanbau in Argentinien und die Folgen für die Gesundheit der Menschen

Interview mit Sofia Gatica, Goldman-Preisträgerin 2012*, und Maria del Milagro Godoy von der Umweltgrupe "Mütter von Ituzaingó" aus Cordoba, Argentinien
Weitblick-Bild: 3/2012_Das Grüne Gift

Sofia Gatica (links) und Maria del Milagro Godoy kämpfen gegen den Sojaanbau in Argentinien. Foto: Volker Gehrmann

Wie sieht die Situation beim Anbau von Soja in Ihrem Land aus?

Sofia Gatica (SG): Auf über 19 Millionen Hektar wird ausschließlich Soja angebaut. Das sind 80 Prozent unserer landwirtschaftlichen Fläche. Für den Anbau werden nicht nur Kleinbäuerinnen und -bauern von ihren Feldern verdrängt. In meiner Region Cordoba gibt es zudem nur noch fünf Prozent Wald, der Rest wurde für das Soja gerodet. Das ist mittlerweile zu nahezu 100 Prozent gentechnisch verändert und wird intensiv mit Pestiziden, vor allem Glyphosat, besprüht.

 

Was sind für Sie die wichtigsten Treiber bei dieser Entwicklung?

SG: Es gibt zwei wichtige Treiber: die Unternehmen und die Regierung. Der Anbau von Soja wird vor allem von großen, oft multinationalen Agrarunternehmen beherrscht. Für sie ist das ein riesiges Geschäft. Dabei gibt es eine gewisse Komplizenschaft zwischen der Regierung und den multinationalen Konzernen. Seit 1996 ist gentechnisch verändertes Soja bei uns zugelassen. Aber auch die gegenwärtige Regierung unternimmt nichts zum Schutz der Bevölkerung. Im Gegenteil, sie fördert den Anbau von Gen-Soja sogar. Priorität haben dabei die Gewinne und nicht die Gesundheit der Bevölkerung vor Ort.

Welche Rolle spielt Europa und sein wachsender Soja-Bedarf für die Tierfütterung?

Maria del Milagro Godoy (MMG): Europa spielt als einer der Hauptabnehmer eine sehr bedeutende Rolle. Unsere Regierung will immer mehr produzieren. Dabei sind wir jetzt schon drittgrößter Exporteur von Soja. Rund zwölf Millionen der etwa 40 Millionen ArgentinierInnen leben in Orten, die von Soja- und Maisfeldern umgeben sind.

Welche Folgen hat das?

SG: Auch unser Dorf ist von drei Sojafeldern umgeben. Mein Haus, in dem ich 22 Jahre lang lebte, liegt nur 50 Meter davon entfernt. Der massive Pestizideinsatz macht uns alle krank. Bei 80 Prozent unserer Kinder wurden mittlerweile Agrochemikalien im Blut nachgewiesen und 33 Prozent der Bevölkerung sterben an Tumoren.

MMG: Ja, aber auch die Europäer müssen aufpassen. Egal, ob ihr Gen-Soja anbaut oder es importiert: es hat die gleichen Folgen. Bei uns werden Menschen durch das Glyphosat bereits krank, sie sterben daran. Europa importiert dieses Soja und verfüttert es an seine Tiere. So gelangt es auch dort in die Menschen, die dann natürlich auch geschädigt werden. Wenn also der Import von gentechnisch verändertem Soja nicht gestoppt wird, sehe ich für Europa eine düstere Zukunft.

Sie sind für einen Importstopp?

SG: Ja, ich fordere von der EU einen Importstopp von gentechnisch verändertem Soja aus Argentinien. Alles andere macht uns und euch weiter krank und zerstört den Planeten.

Ein geringerer Import der EU bzw. die Einführung von Nachhaltigkeitsstandards für den Soja-Anbau sind für Sie keine effektiven Lösungsansätze?

SG: Nein. In Lateinamerika stellt sich die Frage nach nachhaltigem Soja nicht. Das ist nicht mehr möglich. Hier ist die gentechnisch veränderte Sojapflanze überall präsent, in Argentinien, in Paraguay, in Uruguay. Es geht also darum, in Europa gesundes Futtermittel nachhaltig anzubauen; Leguminosen etwa.

Seit Jahren kämpfen Sie gegen den Pestizideinsatz beim Sojaanbau in Ihrem Land. Im August wurden nun erstmals ein Sojaproduzent und ein Eigentümer eines Kleinflugzeuges, wenn auch auf Bewährung, wegen der Sprüheinsätze verurteilt. Welche Bedeutung hat das Urteil für Sie?

MMG: Auch wenn sie nicht wirklich bestraft wurden und nicht ins Gefängnis müssen: Es ist ein sehr wichtiger Präzedenzfall. Pestizide in Gebieten auszubringen, wo Menschen wohnen, ist seit Jahren verboten. Es kümmerte nur keinen. Mit diesem Urteil wurde jetzt erstmals ein solcher Pestizideinsatz zu einem Delikt erklärt. Das bedeutet, dass von nun an überall in Argentinien diejenigen verurteilt werden können, die Pestizide in bewohnten Gebieten ausbringen. Das stärkt uns natürlich. Es kann aber nur der erste Schritt sein. Der Planet gehört allen. Wir haben nur einen. Unsere Vorfahren haben uns eine bunte Welt hinterlassen. Diese Biodiversität ist wichtig. Und die wollen wir bewahren.

Interview: Marco Klemmt

*Der Goldman Environmental Prize ist einer der bedeutendsten Umweltschutz-Preise. Er wird seit 1990 jährlich sechs „Umwelt-HeldInnen“ verliehen.

Zuletzt geändert