Pressemitteilung | 01.07.2022

180.000 Tiere: Mega-Hähnchenmastanlage verstößt mutmaßlich gegen neues EU-Recht zum Antibiotikaeinsatz

Vor Erörterungstermin in Niedersachsen: Germanwatch hält routinemäßigen und hohen Einsatz von Antibiotika bei Mastanlage dieser Größe für unvermeidbar – und damit für einen Verstoß gegen die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung
Pressemitteilung

Berlin/Wittingen (1. Juli 2022). Mit Blick auf den absehbaren Antibiotikaeinsatz in einer geplanten Hähnchenmastanlage in Brome (Niedersachsen) sieht die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch einen Verstoß gegen die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung als unausweichlich an. Am kommenden Dienstag findet im nahe gelegenen Wittingen die öffentliche Erörterung von Einwendungen gegen den Bau der Anlage mit drei Ställen mit je 60.000 Tierplätzen statt. Germanwatch hat bereits im Mai eine entsprechende Einwendung beim zuständigen Landkreis eingereicht.
 
Konstantinos Tsilimekis, Leiter des Teams Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch: „Diese Anlage mit insgesamt 180.000 Mastplätzen, in der Tiere unter für den Tierschutz problematischen Bedingungen gehalten würden, würde nicht ohne den hohen und routinemäßigen Einsatz von Antibiotika auskommen. Vor dem Hintergrund von immer mehr Resistenzen gegen Antibiotika, und vor allem gegen die für Menschen besonders wichtigen Reserveantibiotika, muss ein solcher Antrag abgelehnt werden.“
 
Dr. Davina Bruhn von der Kanzlei Rechtsanwälte Günther (Hamburg), die Germanwatch bei der Erörterung in Wittingen vertreten wird, ergänzt: „Seit Januar dieses Jahres ist die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung in sämtlichen Mitgliedstaaten anzuwenden. Untersagt ist damit insbesondere der routinemäßige Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. Wir beobachten nun genau, wie sich die zuständige Behörde in Niedersachsen bei ihrer Entscheidung über den Bau der Hähnchenmastanlage dazu verhält. Eine krankheitsförderliche Haltung, wie sie hier vorgesehen ist, darf nicht mehr mit der Gabe von Antibiotika ausgeglichen werden.“
 
Jedes Jahr sterben 1,3 Millionen Menschen an resistenten Erregern
 
Mit jährlich 1,3 Millionen Todesfällen weltweit und 670.000 Erkrankungen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern allein in der EU zählen Antibiotikaresistenzen schon jetzt zu einer der größten Bedrohungen der globalen Gesundheit. Dass insbesondere die Hähnchenmast in Deutschland unter den bislang vorherrschenden Bedingungen zu einer alarmierenden Resistenzsituation in Zusammenhang mit einem hohen Antibiotikaeinsatz führt, belegt u.a. das aktuelle offizielle Zoonosen-Monitoring (2020, Link s.u.). Vor diesem Hintergrund muss der Staat auf allen Ebenen verantwortungsvoll handeln. Wie in einem von Germanwatch beauftragten und von Dr. Bruhn erstellten Gutachten jedoch bereits im März dieses Jahres aufgezeigt wurde, ist bislang beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung noch von einer generellen „Schutzpflichtverletzung des Gesetzgebers“ auszugehen (Link s.u.).