Pressemitteilung | 20.11.2022

Mit großer Mühe: Weltgemeinschaft rettet wesentliche Elemente für globalen Klimaschutz

UN-Klimakonferenz COP27: Germanwatch lobt Durchbruch bei Fonds für Schäden und Verluste – jedoch schwierige Verhandlungen im kommenden Jahr absehbar / Angriff der fossilen Lobby weitestgehend abgewehrt / Aufruf zur Veränderung der globalen Finanzarchitektur
Pressemitteilung

Sharm El-Scheich (20. Nov 2022). Im rauen Fahrwasser der aktuellen Weltlage bleibt der Kahn „Klimaschutz“ nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch gerade noch auf Kurs. „Manche auf dem Weltklimagipfel wollten angesichts geopolitischer Spannungen das Pariser Klimaabkommen versenken. Durch den gemeinsamen Einsatz progressiver Länder und der Zivilgesellschaft konnte das im Wesentlichen abgewendet werden“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Das 1,5 Grad-Limit bleibt das elementare Ziel im globalen Klimaschutz – und es ist noch immer erreichbar.“

Die ägyptische COP-Präsidentschaft ist ihrer Aufgabe laut Germanwatch nicht gerecht geworden. Sie trat intransparent auf, schränkte die Zivilgesellschaft ein und fand keine Balance. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Staaten das Runterfahren aller fossiler Energien gefordert hatte, wurde das nicht in den Abschlusstext aufgenommen. Abschwächungen des Textes, die nur wenige Länder um Saudi-Arabien herum forderten, wurden hingegen den Staaten in „Friss-oder-Stirb“-Manier vorgelegt. „Die ägyptische Präsidentschaft hat nicht im besten Interesse der Ärmsten und Verletzlichsten der Klimakrise sowie der Bevölkerung Afrikas gehandelt. Stattdessen hat sie die Interessen Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten sowie Chinas begünstigt“, so Bals weiter.

Endlich ein Fonds für Schäden und Verluste – doch wer zahlt?

Vor fast drei Jahrzehnten wurden die ersten Forderungen laut nach einem Fonds zur Antwort auf Schäden und Verluste infolge der Klimakrise – doch die reichen Staaten sperrten sich seitdem immer wieder. Nun haben sich die Verhandlungsparteien endlich auf einen Fonds geeinigt. „Die Einigung auf einen Fonds für Schäden und Verluste ist ein wichtiger Durchbruch. Gut ist auch, dass der Internationale Währungsfond aufgefordert worden ist, innovative Instrumente für die Finanzierung dieses Fonds zu entwickeln“, sagt Christoph Bals. „Die Bundesregierung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die EU und die anderen Industrieländer für einen interessanten Mix von Maßnahmen für die Bewältigung von Schäden und Verlusten erwärmen konnten.“

Fragen zur Ausgestaltung und zu Finanzierungsquellen sind nun in die Aufbauphase verschoben worden. David Ryfisch, Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch: „Viele schwierige Fragen wurden ins nächste Jahr verschoben. Es wird eine Art Sparschwein geben - aber wir wissen nicht, wie es aussehen wird, wer es füllt und wer es leeren darf.“ Besonders komplex wird die Frage, wie die größten CO2-Emittenten dazu bewegt werden können, einzuzahlen. „Die EU wollte China und die Golfstaaten zu Beitragszahlern machen – aber sie hatte am Schluss nicht den Mut für die notwendige Konfrontation. Im kommenden Jahr muss sich die EU dafür einsetzen, dass der Fonds auch gefüllt wird. Sie wird gemeinsam mit anderen für zusätzliche Finanzierungsquellen kämpfen müssen“, so Ryfisch weiter.

Allianz progressiver Staaten hält gegen Öl- und Gas-Lobby stand

Um Schäden und Verluste überhaupt im Bereich des Bewältigbaren zu halten, zählt jedes Zehntelgrad vermiedene Erderhitzung. Die Verhandlungsparteien konnten sich nur auf den Minimalkompromiss – das Bestätigen des Glasgower Klimapakts – einigen. Positiv ist der erstmalige Fokus auf Erneuerbare Energien. Der Pfad in Richtung 1,5 Grad wird nach dieser COP nur offenbleiben, wenn die großen Emittenten deutlich schneller Klimaschutz umsetzen.

„Dieser Weltklimagipfel war ein Abwehrkampf gegen die Öl- und Gas-Lobby. Die Lobby hat lange versucht aus der aktuellen Energiekrise Kapital zu schlagen, aber letztlich hat sich eine große Allianz progressiver Staaten dagegengestemmt. Auch wenn die Welt nach dieser COP noch immer weit entfernt vom Einhalten des 1,5 Grad-Limits ist, ist es zumindest gelungen, den Pfad dahin offen zu halten. Den Aufruf zur beschleunigten globalen Energiewende sollte Deutschland weiter unterstützen mit Länder-Partnerschaften für 100 Prozent Erneuerbare Energien“, fordert Bals.

 „Die deutsche Delegation hat hier bei der COP27 gezeigt was möglich ist, wenn die Ministerien gemeinsam mit Strategie und Substanz an einem Strang ziehen. Positive Beispiele sind die neuen Klimapartnerschaften mit Indonesien und Kenia, die die globale Energiewende beschleunigen sollen. Erschreckend ist allerdings, dass Bundeskanzler Scholz dies an anderer Stelle konterkariert, wenn er neue Gasfelder im Senegal finanzieren lässt. Germanwatch ist hier in Scharm El-Scheich einem Senegalisch-Deutschen Zivilgesellschafts-Netzwerk gegen diese Gasförderung beigetreten. Dieses Netzwerk setzt sich für bessere Wege zur Energiesicherheit ein. Die Bundesregierung sollte bis Ende des Jahres transparent überprüfen, ob ihre geplanten Aktivitäten die Klimaziele in Deutschland und den Energieexportländern gefährden“, so Christoph Bals.

Klimarahmenkonvention wirkt weitreichender – Finanzsektor im Fokus

Die Abschlusserklärung der Klimakonferenz nimmt erstmals auch den Finanzsektor in die Pflicht. „Ohne eine Neuausrichtung der globalen Finanzströme wird es nicht gelingen, das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. Die Bundesregierung sollte sich nun für die notwendige Reform der Zentralbanken sowie von IWF und Weltbank einsetzen. Das sollte zur Umsetzung der Strategie der Bundesregierung für ein nachhaltiges Finanzwesen gehören“, fordert David Ryfisch.