Pressemitteilung | 15.06.2023

Klimazwischenverhandlungen liefern nur formalen Minimalkonsens

Germanwatch zieht Bilanz zu zwei Wochen Klimaverhandlungen in Bonn: Die Regierungen wollen nicht als Blockierer dastehen und sind zu mehreren Vereinbarungen gekommen, doch die substanziellen Ergebnisse sind bei Weitem nicht ausreichend
Pressemitteilung

Bonn (15. Juni 2023). Nie zuvor wurde, nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, bei den Klimaverhandlungen konkreter über Umsetzungsmaßnahmen der globalen Klimaschutzbemühungen gesprochen. Dennoch sind die Ergebnisse nach fast zwei Wochen intensiven Verhandlungen ernüchternd. „Die Klimaverhandlungen sind in der Phase der Umsetzung angekommen und reden nicht mehr nur über Rahmenwerke und Regelbücher. Dennoch hat das Treffen in Bonn nur einen formalen Minimalkonsens geliefert. Es wurden Fortschritte gemacht, die formal einen Erfolg bei der nächsten Weltklimakonferenz COP28 ermöglichen könnten. Die wesentlichen Vorklärungen kamen aber kaum voran. Große Durchbrüche sind bei den Zwischenverhandlungen nicht vorgesehen, aber sie sollten doch auch von der Substanz her vorbereitet werden“, kommentiert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

„Einige Staaten, unter anderem die COP-Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, wollen vermeiden, dass das notwendige Runterfahren von Kohle, Öl und Gas ins Zentrum der Gespräche rückt. Dies würde die gewaltigen Gewinne gefährden, die insbesondere die Öl- und Gasexportländer in den letzten zwei Jahren eingefahren haben. Bisher werden sie dabei vor allem von den Schwellenländern unterstützt, die für sich selbst strikte Vorgaben beim Klimaschutz vermeiden wollen“, so Bals. „Auch andere Entwicklungsländer sind teilweise zurückhaltend. Sie befürchten, dass das Reden über das Verschieben von Finanzströmen – also beispielsweise Investitionen oder auch Subventionen für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz statt fossiler Technologien - nur ein Trick der Industrieländer ist, sich von ihren nicht eingehaltenen finanziellen Unterstützungsverpflichtungen zu befreien. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist das nachvollziebar. Es liegt nun an den progressiven Industrieländern, hier in den nächsten Wochen ausreichend Vertrauen aufzubauen, um gemeinsam in einer Koalition der ambitionierten Staaten, den nächsten Klimagipfel vor sich herzutreiben.“

Globale Bestandsaufnahme zum ersten Mal

Eine der wichtigsten Komponenten des Pariser Klimaabkommens, die globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) als Grundlage für die nationalen Zielnachbesserungen, wurde in diesem Jahr zum ersten Mal mit Leben gefüllt. Sie dient als Kontrollinstrument der nationalen Klimapläne (NDCs) und soll garantieren, dass die Anstrengungen bei der Emissionsreduzierung, der Anpassung an den Klimawandel, der Umschichtung der Finanzflüsse, der Unterstützung des Globalen Südens bei Schäden & Verlusten dem entspricht, was zur Erreichung der in Paris vereinbarten Ziele erforderlich ist – einschließlich der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad.
Die globale Bestandsaufnahme verlief in Bonn wie geplant und führte zu einem ersten Entwurf. "Es gibt notwendige Elemente, auf die man sich in Bonn geeinigt hat, aber es mangelt an Konkretheit. Vor der COP im November muss die globale Bestandsaufnahme vor allem den Fokus darauf legen, was noch vor 2035 geschehen muss, da die nächsten Jahre der Schlüssel zur Vermeidung katastrophaler Auswirkungen der Klimakrise sind", sagt Petter Lydén, Bereichsleiter Internationale Klimapolitik. Von nun an wird alle fünf Jahre eine solche globale Bestandsaufnahme durchgeführt, die als Maßstab für die künftige Nachbesserung der Klimapolitik dienen soll.

Finanzierung als das ewige Thema

Ziel der Zwischenverhandlungen war auch, ein Konzept zu finden, um den auf der vergangenen Klimakonferenz beschlossenen Fonds für Schäden und Verluste schnellstmöglich einrichten zu können. „Die Diskussionen in Bonn legten sehr unterschiedliche Positionen zu zentralen Fragen rund um den Fonds offen: Wer bekommt Zugang, wer zahlt wieviel ein, aus welchen zusätzlichen Quellen speist sich der Fonds und wie lässt er sich mit existierenden Initiativen koordinieren“, erklärt Laura Schäfer, Referentin für Klimarisikomanagement bei Germanwatch. „Diese Fragen müssen im nächsten Treffen des Übergangskommittees Ende August geklärt werden, um den Fonds auf der kommenden Klimakonferenz in Dubai betriebsbereit zu machen. Wichtig dabei sind vor allem die Einhaltung des Verursacherprinzips, die Abdeckung der langsam auftretenden Schäden - sowohl der ökonomischen als auch der nicht-ökonomischen - sowie der Fokus auf Zuschüssen, um Verschuldung nicht weiter anzukurbeln“, so Schäfer.

Bei den Diskussionen zum neuen Klimafinanzierungsziel nach 2025 wurden nicht ausreichend Fortschritte gemacht, um ein Fundament für signifikante Beschlüsse beim Weltklimagipfel zu legen. Dies erschüttert das – aufgrund der bisher nicht erfüllten 100 Mrd. US-Dollar-Zusage – geringe Vertrauen in den Globalen Norden weiter. „Nur messbare Fortschritte in der Klimafinanzierung noch in diesem Jahr werden den Knoten lösen können. Der erste Schritt dazu ist der Finanzgipfel in Paris kommende Woche. Wir brauchen einen konkreten Pfad, wie die Reform des globalen Finanzsystems von den Milliarden zur Billion führen kann“, so Schäfer weiter.