Pressemitteilung | 25.09.2023

Zu schwache Klima-Ambition von Bundesregierung und Flugwirtschaft

Zur heutigen Nationalen Luftfahrtkonferenz kritisiert Germanwatch die Zwischenergebnisse des Arbeitskreises "Klimaneutrale Luftfahrt" / Wieder immens wachsender Flugverkehr immer größeres Problem für Klimaschutz
Pressemitteilung

Berlin/Hamburg (25. Sep. 2023). Die am Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt der Bundesregierung teilnehmende Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch kritisiert die geringe Handlungsbereitschaft von Flugwirtschaft und Teilen der Bundesregierung beim Klimaschutz im Luftverkehr. Die bisher erarbeiteten Vorschläge des Arbeitskreises an die Bundesregierung, die bei der heutigen Nationalen Luftfahrtkonferenz in Hamburg vorgestellt werden, seien zu dürftig.

„Wir erwarten von Bundesregierung und Flugwirtschaft einen engagierten Aufbruch beim Klimaschutz im Luftverkehr. Diesem Anspruch werden die bisher vorliegenden Vorschläge nicht gerecht“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Die Bundesregierung sollte jetzt umgehend loslegen und die massiv wachsende Rolle des Flugverkehrs mit zusätzlichen Maßnahmen verringern.“

Der vom Bundeswirtschaftsministerium initiierte Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt mit Behörden, Wissenschaft, Wirtschafts- und Umweltverbänden ist aus Sicht von Germanwatch eine wichtige Chance für Impulse, damit diese und kommende Bundesregierungen den Flugverkehr auf einen glaubwürdigen Pfad zur notwendigen Klimaneutralität bis spätestens 2045  bringen können. „Dieser wichtige Dialog zwischen Fluglobby und Umweltseite war lange überfällig. Leider üben sich der Luftverkehrssektor und Teile der Bundesregierung noch immer in einer Blockadehaltung und wollen wirksamen Klimaschutz möglichst stark ausbremsen“, sagt Oldag Caspar, Bereichsleiter für Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch. „Wir erwarten ein wirkungsvolleres Engagement des Verkehrsministeriums und Bereitschaft zu konsequentem Handeln von der Flugwirtschaft. Nur so können wir Klimaneutralität bis in die 40er Jahre erreichen.“

Trippelschritte in die richtige Richtung reichen nicht

Die heute präsentierten Zwischenergebnisse kritisiert Germanwatch als Trippelschritte – zwar in die richtige Richtung, aber in Summe ungenügend. Wegen des immensen Energieverbrauchs des Fliegens und den von Flugzeugen erzeugten klimaschädlichen Zirruswolken reiche die wichtige Umstellung auf strombasiertes Kerosin allein nicht aus. Es brauche auch eine konstruktive Diskussion darüber, wie sich das massiv klimaschädliche starke Wachstum des Flugverkehrs eindämmen lässt.

Caspar: „Der Flugverkehr innerhalb Europas kann nach entsprechenden Investitionen zum Großteil auf die Schiene verlagert werden. Zudem: Ein Prozent der Weltbevölkerung ist für die Hälfte aller Passagierflüge global verantwortlich. An diese Gerechtigkeitslücke muss die Politik ran.“

Germanwatch weist auch die aufgebauschten Behauptungen der Luftverkehrsbranche zurück, dass Flugstrecken infolge ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen aus der EU heraus verlagert werden könnten. Eine am vergangenen Donnerstag vorgelegte Analyse des Forschungsinstituts Amsterdam Economics im Auftrag des Verbands Transport & Environment zeigt, dass nur sehr geringfügige Verlagerungen zu erwarten wären (vgl. Link unten).

Germanwatch fordert zudem die Bundesregierung auf, umgehend eine Initiative zur Vermeidung klimaschädlicher Kondensstreifen zu starten. Zwei Drittel der Erwärmungswirkung des Flugverkehrs kommt von Nicht-CO2-Faktoren – insbesondere den Kondensstreifen. Neben dem Umfliegen klimasensitiver Gebiete bedeutet das vor allem den Einsatz von reinerem Kerosin und immer größeren Anteilen erneuerbar hergestellten Flugsprits. Auch der Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt drängt wegen der Nicht-CO2-Effekte zum Handeln. Germanwatch empfiehlt, die Produktion emissionsärmerer Flugzeugtreibstoffe zu beschleunigen und nach dem Verursacherprinzip finanzieren zu lassen, unter anderem über eine Anhebung der Einnahmen aus der Ticketabgabe.

Christoph Bals: „Wir fordern den Luftverkehrssektor und Verkehrsminister Wissing zu einem lösungsorientierten Dialog auf. Bei einer Fortsetzung des Arbeitskreises sollten zudem mehr Akteure der Umweltseite beteiligt werden.“