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Israels Krieg gegen Gaza: Dem verbalen Paradigmenwechsel der neuen Bundesregierung müssen nun auch Taten folgen

Erschüttert sehen wir, wie die aktuelle Regierung Israels im Krieg gegen die Palästinenser:innen seit 19 Monaten immer weiter eskaliert, dabei – so angekündigt – eine große Vertreibung vorbereitet und somit Menschenrechte und Völkerrecht massiv missachtet.

Jenseits der Verhältnismäßigkeit

Nach dem schrecklichen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 hatte Israel das Recht sich zu verteidigen. Das Recht auf Selbstverteidigung ist allerdings durch das Völkerrecht und die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte klar begrenzt. Es wurde und wird immer offensichtlicher, dass Israel seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen in diesem Konflikt nicht nachkommt, bei allen Aktionen und Reaktionen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, die Zivilbevölkerung zu schützen und humanitäre Grundbedürfnisse jederzeit sicherzustellen:

Der Gazastreifen wurde seit Kriegsbeginn zum Großteil zerstört. 1,9 Millionen Menschen – 90 Prozent der Bevölkerung Gazas – wurden vertrieben (Quelle). Mehr als 55.000 Palästinenser:innen wurden getötet (OCHA 11.6.2025). Laut UNRWA-Chef Rose sind bisher rund 16.000 tote Kinder (SZ, 5.6.25) zu beklagen. Eine dringende Warnung der FAO vom 12.5.2025  – als Reaktion auf die neueste IPC-Klassifizierung zeigte auf, dass fast die gesamte Bevölkerung des Gaza-Streifens, fast 2,1 Mio. Menschen, nach 19 Monaten Konflikt, Massenvertreibung und schwerwiegenden Einschränkungen der humanitären Hilfe kritischen Hungerrisiken unterliegt. Der Aufbau einer privaten Hilfsinfrastruktur klappt nicht und verstößt gegen die Regeln für humanitäre Hilfe. Zudem wurden Hunderte Palästinenser:innen getötet, bei Versuchen Lebensmittel von der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) zu bekommen (Quelle). Die hochumstrittene, von den USA und Israel gegründete private Stiftung verteilt unter Ausschluss jeglicher unparteilicher Hilfsorganisationen vereinzelt Hilfsgüter an vier der ursprünglich 400 Verteilungszentren in Gaza. Diese reichen bei Weitem nicht aus, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken.

Der Vorwurf von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowohl der Hamas als auch der israelischen Regierung war auch die Begründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) dafür, dass er am 21. November 2024 Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant und den Hamas-Führer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri Deif (Mohammed Deif) erlassen hat. 

Menschenrechte gelten für jeden Menschen, sie gelten universell. Oder, wie es die jüngst verstorbene Margot Friedländer ausgedrückt hat: „Es gibt kein christliches, kein jüdisches, kein muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“ Es gibt keine Menschen erster und zweiter Klasse. Den Schutz der Menschenwürde für jeden Menschen betrachten wir als Kern der deutschen Staatsraison.

Folgt dem verbalen Umsteuern der deutschen Regierung ein Umsteuern im Handeln?

Das lange und laute Schweigen der Bundesregierung hat die Sicht auf die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Verfechter der Menschenrechte insbesondere in vielen Ländern des Globalen Südens eingetrübt und stößt auch in der Bevölkerung Deutschlands zunehmend auf Unverständnis (Quelle). Der deutsche Kanzler Friedrich Merz hat Ende Mai angesichts der enormen Zuspitzung, die auf ein Räumen und Unbewohnbarmachen des Gazastreifens hinausläuft,  – zunächst auf verbaler Ebene – einen Paradigmenwechsel der deutschen Regierung eingeläutet und klargestellt, dass „die massiven militärischen Schläge der israelischen Armee im Gazastreifen“ keine Logik mehr erkennen lassen, „wie sie dem Ziel dienen, den Terror zu bekämpfen und die Geiseln zu befreien.“  

In ihrer Rede zur Eröffnung der Hamburg Sustainability Conference 2025 am 2. Juni hat Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan diese Kritik der neuen deutschen Regierung weiter konkretisiert und sich für einen „sofortigen Waffenstillstand“ eingesetzt: „Es kann und darf kein militärisches Ziel geben, das rechtfertigt, dass Kinder verhungern, dass Mütter ihre verletzten Kinder nicht behandeln lassen können, dass ganze Familien unter Trümmern begraben werden. Keine politische Strategie darf dazu führen, dass humanitäre Hilfe blockiert wird. Die israelische Regierung muss den Zugang für humanitäre Organisationen unverzüglich ermöglichen – vollständig und dauerhaft. (…) Ein sofortiger Waffenstillstand ist dringend notwendig.“

Und Reem Alabali Radovan machte auch klar: „Wenn der Zugang zu Hilfsgütern dauerhaft blockiert wird – wenn das Völkerrecht missachtet wird –, dann dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Dann müssen wir über Konsequenzen sprechen.“
Wir hoffen nicht nur auf die angekündigten Konsequenzen von der deutschen Regierung, sondern erwarten diese jetzt. Dies ist auch notwendig, um ihre Glaubwürdigkeit im Kampf um Völkerrecht und Menschenrechte nicht zu verlieren. 

Vom Reden zum Handeln

Germanwatch ist überzeugt: Das Einhalten klarer Regeln zum Schutz der Menschenrechte und des internationalen Völkerrechtes kann auch helfen, künftigen Gewaltspiralen vorzubeugen und das Existenzrecht Israels zu sichern. Und wenn diese Regeln grob missachtet werden, kann es als Reaktion nicht einfach bei Worten bleiben. Das Handeln der deutschen Regierung muss nach dem Paradigmenwechsel in Worten jetzt auch erkennen lassen, dass alles in den eigenen Kräften Stehende getan wird, um die Gewalt in Gaza zu beenden, dass humanitäre Hilfe und Versorgung wieder gewährleistet werden, weitere Zerstörungen von Häusern und der Gesundheitsinfrastruktur aufhören und keine Vertreibung geplant wird. 
Es ist ein positiver Schritt, dass auch Deutschland zu den 149 Staaten gehört, die am 18.06.25 in der UN-Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit eine Resolution zu Gaza angenommen haben. Diese fordert einen sofortigen, unkonditionierten und dauerhaften Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und die Wiederaufnahme von humanitärer Hilfe um die Hungersnot abzuwenden. (Quelle, Quelle)

Darüber hinaus sollte die Bundesregierung nach unserer Meinung:  

  • Alles tun, um den freien Zugang zu den Hilfsgütern zu ermöglichen wie in der Resolution der Generalversammlung gefordert.
  • Gemeinsam mit anderen EU-Staaten aktiv auf eine sofortige Waffenruhe drängen und darauf hinarbeiten.
  • Einen palästinensischen Staat anerkennen, um trotz jahrzehntelanger illegaler Besetzung, Vertreibung und Gewalt gegen Palästinenser:innen den Weg zu einer Zweistaatenlösung zu bahnen.
  • Nach Genfer Konvention und Völkergewohnheitsrecht sicherstellen, keine „Waffen oder Munition – oder Teile davon – zu transferieren, wenn aufgrund der Fakten oder früherer Verhaltensmuster zu erwarten ist, dass sie zur Verletzung des Völkerrechts eingesetzt werden" (Quelle). Die Genehmigung von Exporten von in Gaza nutzbaren Kriegswaffen an Israel kritisch überprüfen (Quelle). Dies ist auch dringlich, um eine deutsche Beihilfe zu Völkerrechtsverletzungen auszuschließen.
  • Respekt und Unterstützung der entsprechenden Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs mit all seinen Instrumenten ausdrücken. Dies bedeutet auch, dass die Haftbefehle in Deutschland vollstreckt werden müssen.  
  • Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Partnerschaftsabkommen der EU mit Israel überprüfen. Zu dessen Grundprinzipien gehört es, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte beruhen. Das Gegenargument, man wolle sich Gesprächskanäle offenhalten, verliert bei Wirkungslosigkeit der Gespräche an Relevanz.
  • Den Schutz der Juden und Jüdinnen in Deutschland verstärken und sich als Regierung und Gesellschaft gegen Antisemitismus einsetzen.
  • Konsequenzen aus der Kritik von Michael O’Flaherty, Kommissar für Menschenrechte des Europarats, vom 6.6.2025 an der deutschen Regierung ziehen, dass die Freiheiten zu friedvollem Protest und zum Ausdrücken der eigenen Meinung im Kontext des Gaza-Konflikts wiederholt und auf verschiedene Weise nicht gewährleistet wurden.

Gleichzeitig erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Hamas hinwirkt, Geiseln freizulassen. Der Einsatz von Zivilist:innen als menschliche Schutzschilde durch die Nutzung von Krankenhäusern, Schulen oder Wohnhäusern für die militärische Infrastruktur nimmt zivile Opfer in der palästinensischen Bevölkerung in Kauf.(*)


(*) viele Belege dafür finden sich hier.

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