Statements zum Antibiotika-Appell "Wichtigste Antibiotika bewahren – stärkere Regulierung (in) der Tierhaltung!“

Ausführliche Statements zum Antibiotika-Appell

„Wir unterstützen die Initiative, die Reserveantibiotika für den Einsatz beim Menschen zu bewahren. Warum ist das wichtig? Es gibt immer mehr resistente Keime. Vielleicht hatten Sie, vielleicht habt ihr davon gehört. Die spielen im Krankenhaus als nosokomiale Infektionen eine große Rolle und Expert*innen schätzen, dass wenn wir nichts unternehmen, bis zum Jahr 2050 10 Millionen Menschen an diesen resistenten Keimen sterben könnten. Was ist zu tun? Auf der europäischen und auf der nationalen Ebene fordern wir, die Reserveantibiotika sollen das sein, was der Name nämlich sagt: Reserve. Sie sollten nicht in der industriellen Tierhaltung zum Einsatz kommen, denn wir haben einen Planeten, wir haben eine Gesundheit, das ist der One-Health-Ansatz – die Gesundheit von Tieren, von Menschen und der Umwelt gemeinsam zu denken. Und das heißt auch: sinnvoller Einsatz von Antibiotika, damit wir sie im 21. Jahrhundert für die Menschen haben, die sie dringend brauchen.“

Dr. Eckart von Hirschhausen | Arzt, Fernsehmoderator, Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen
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„Damit wir auch in Zukunft die Medizin, wie wir sie kennen gewährleisten können, brauchen wir funktionierende Antibiotikatherapien. Um diese sicherzustellen, benötigen wir zum einen die Eindämmung der Resistenzentwicklung und zum anderen die weitere Förderung der Entwicklung neuer Antibiotika. Damit die Entwicklung von Resistenzen eingedämmt wird ist es essentiell, dass Antibiotika optimal und nur wo es wirklich notwendig ist passgenau eingesetzt werden. Als erstes bei der Indikationsstellung, ob der Patient überhaupt ein Antibiotikum benötigt, und dann mit der Wahl des Antibiotikums, der passenden Dosis und der Anwendungsdauer, um die beste Wirksamkeit bei minimalen Nebenwirkungen gewährleisten zu können.

Die meisten Menschen sterben nicht am Infarkt, sondern am Infekt! Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese wertvollen Medikamente auch in Zukunft noch ihre Wirksamkeit behalten und eingesetzt werden können. Denn ohne wirksame Antibiotika wird die Medizin, wie wir sie heute kennen, nicht mehr möglich sein!“

Dr. Jana Schroeder | Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital, Infektiologin und Antibiotic Stewardship Expertin


 

„Um Antibiotikaresistenzen wirkungsvoll vorzubeugen, müssen wir die Tierhaltung grundlegend reformieren und dieser Prozess muss zwingend mit der der Zucht beginnen. Masttiere werden nur noch auf Leistung getrimmt, damit sie schnell wachsen und möglichst schnell auf die Schlachtbank und weiter ins Kühlregal wandern können. Diese überzüchteten Rassen sind aber anfälliger für Krankheiten und in Wechselwirkung mit schlechten Haltungsbedingungen - zu viele Tiere werden auf viel zu kleiner Fläche eingepfercht und damit enormem Stress und vielen Krankheitserregern ausgesetzt - bedingt das einen viel zu hohen Einsatz von Antibiotika um die Tiere gesund zu halten. Das Thema Antibiotikaresistenzen macht klar: Wesensgemäße Haltung ist nicht nur besser für die Tiere, sondern für uns alle. Zuletzt braucht es aber auch strengere Gesetze, vor allem für den Einsatz von Reserveantibiotika: Diese müssen ausschließlich den Menschen vorbehalten sein, mit strikten Ausnahmen nur für die Einzeltierbehandlung, zum Bespiel bei Haustieren.“

Sarah Wiener | Europaabgeordnete, Vorsitzende der AMR Interest Group im Europaparlament, Köchin


 

Antibiotika dürfen keine Betriebsmittel in der Tierhaltung sein, in unser aller Interesse. Deshalb müssen wir den Landwirten Mittel in die Hand geben und Wege aufzeigen, Tiere ohne Antibiotika aufziehen und halten zu können. So wie heute in der industriellen Massentierhaltung Antibiotika eingesetzt werden, für große "Tierstapel" über das Trinkwasser oder das Futter, ist die Einhaltung einer sachgerechten Dosierung nicht möglich und unsachgemäße Dosierungen sind eine der Hauptursachen für das Entstehen von Antibiotikaresistenzen. Der sachgerechte Einsatz von Antibiotika, nach fundierter tierärztlicher Diagnose am Einzeltier, stellt ein ungleich geringeres Risiko für die Bildung von Resistenzen dar. Der weitgehende Verzicht auf Reserveantibiotika, sollte dabei eine Selbstverständlichkeit für die behandelnden Tierärztinnen und Tierärzte sein, nur dann vertritt der Berufsstand der Tierärztinnen und Tierärzte den "One Health" Gedanken glaubwürdig.“

Dr. Rupert Ebner | Tierarzt für Tiere in der Landwirtschaft und Autor des Buches "Pillen vor die Säue".
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„Den Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung noch strenger als bislang zu regulieren, ist ein Anliegen, das auch vonseiten der Veterinärmedizin stark unterstützt werden muss, wollen wir diese wertvolle Medikamentengruppe nicht verlieren. Antibiotika retten Leben, aber eben nur solange, wie wir umsichtig damit umgehen. Die Probleme der heute dominierenden Tierzucht und -haltung müssen als Schlüsselproblem dazu klar benannt werden – die Tierschutzgesetzgebungen müssen vor allem dem Aspekt der Tiergesundheit noch deutlich mehr Rechnung tragen, als sie es bislang tun. Dabei wird auch unvermeidlich sein, Tierbesatzdichten und -bestände deutlich zu reduzieren. Aber auch im Haustiersektor kann und muss noch deutlicher gemacht werden, dass wir eine Verantwortung auch für unsere Nachfahren im Umgang mit Antibiotika tragen. Aus diesem Grund ist es unumgänglich, den Antibiotikaeinsatz massiv zu senken: nicht jede Krankheit, nicht jede Operation erfordert eine Antibiose. Ganz im Gegenteil: gerade ohne Antibiotika lassen sich oftmals sehr viel bessere Behandlungserfolge erzielen als mit. Die schnelle und einfache Antibiotikainjektion kann und darf uns keine angemessene Diagnostik ersetzen.“

Dr. Fred R. Willitzkatpraktizierender Tierarzt, Vorsitzender von Tierärzte im Notdienst International e.V.