Die Klimakrise lässt niemanden unberührt. Sie verändert nicht nur unser Klima, unsere Umwelt und unsere Lebensrealitäten, sondern auch unser emotionales Erleben. Die steigenden Temperaturen, das Artensterben, Extremwetterereignisse und soziale Ungerechtigkeiten, die durch die Klimakrise verschärft werden, lösen oft starke Gefühle aus. Verschiedene Studien (u. a. Hickmann et al. sowie Baum et al.) verbinden Klimaforschung mit psychologischer Forschung. Sie machen deutlich, dass Menschen weltweit auf die Klimakrise mit Angst, Wut, Scham und Trauer, bis hin zu Depressionen, reagieren.
Solche Gefühle entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie speisen sich aus der realen, wissenschaftlich belegten Bedrohungslage der multiplen Nachhaltigkeitskrise und der ständigen Konfrontation mit ihr – sei es in Form von Nachrichten, Diskussionen, direkten Umweltveränderungen oder ganz persönlichen Erfahrungen. Je intensiver sich Menschen mit der Klimakrise beschäftigen, desto stärker fällt die emotionale Reaktion oft aus. Diese Reaktion bleibt nicht ohne Folgen. Die unangenehmen Gefühle, die viele von uns mit der Klimakrise verbinden, sind nicht nur ein Ausdruck von Betroffenheit oder gefühlter Ohnmacht, sie beeinflussen auch unser Verhalten.
Wenn Gefühle uns bewegen
Die emotionale Belastung durch die Klimakrise kann zwei entgegengesetzte Effekte haben. Einerseits kann sie ein starker Antrieb sein, sich zu engagieren, etwas zu verändern, andere mitzunehmen und sich für eine klimagerechte Zukunft zu engagieren. Andererseits besteht die Gefahr, dass sie lähmt – dass die Ohnmacht über das Ausmaß der Krise und die unzureichenden politischen Reaktionen in eine Art Schockstarre führt. Diese Ambivalenz begegnet uns häufig in der Bildungsarbeit: Viele Menschen sind hoch motiviert zu handeln, drohen aber gleichzeitig durch ihr vermeintlich geringes Wirkpotenzial zu resignieren. Umso wichtiger ist es, zum einen zu vermitteln, welches Handlungsoptionen sind, die tatsächlich einen relevanten Beitrag zur Abmilderung der Klimakrise leisten, und zum anderen Wege aufzuzeigen, wie aus belastenden Emotionen konstruktives Handeln erwachsen kann.
Der ökologische Fußabdruck
Lange Zeit schon steht der ökologische Fußabdruck im Mittelpunkt klimapädagogischer Programme. Er ist einfach zu erklären, messbar, individuell beeinflussbar und liefert konkrete Anhaltspunkte für ein klimafreundlicheres Leben. Wer weniger fliegt, sich pflanzenbasiert ernährt oder Energie spart, reduziert den persönlichen CO₂-Ausstoß und trägt damit zur Emissionsminderung bei. Das Bewusstsein für den eigenen Konsum und seine Auswirkungen nimmt zu, und es ist zweifellos ein wichtiger Schritt in Richtung zu mehr Nachhaltigkeit.
Eine zu starke Fixierung auf den Fußabdruck, so wichtig er auch ist, trägt allerdings dazu bei, Menschen in ihrem Handeln zu vereinzeln. Statt systemische Probleme zu benennen, wird suggeriert, dass vor allem Individuen durch Verzicht und Konsumverhalten die Welt retten müssten. Diese Idee hat eine Geschichte: Schon 2004 brachte der Ölkonzern BP eine Kampagne zum CO₂-Rechner auf den Markt – mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit von unternehmerischer Verantwortung und politischen Hebeln auf das Verhalten der Konsument:innen zu lenken.
Die Konsequenzen dieser Individualisierung zeigen sich heute deutlich. Wer sich nachhaltig verhalten möchte, leidet an Strukturen, die dieses Verhalten erschweren oder sogar verhindern. Städte, die primär für den Autoverkehr geplant wurden, Kantinen ohne attraktive vegetarische Angebote oder fehlende politische Rahmenbedingungen machen es schwer, den eigenen Fußabdruck zu verringern.

Germanwatch e.V. / Holly McKelvey
Die zusätzliche Konfrontation mit Freund:innen und Bekannten, die mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen, während man selbst sich in zukunftsfähigem Verhalten übt, sowie das Ausbleiben großer spürbarer Effekte führen leicht dazu, dass das eigene klimaschützende Engagement ausgebremst wird. Was kann man tun, damit politische Lösungen nicht auf sich warten lassen?
Engagement mit Hand und Fuß
Genau an diesem Punkt setzt der Handabdruck an – ein Narrativ und Bildungskonzept, das Germanwatch seit nun 10 Jahren stetig ausbaut. Während der Fußabdruck fragt, wie wir negativen Einfluss vermeiden können, fragt der Handabdruck, wie wir positiven Einfluss nehmen können – und das gemeinsam, strukturell und mit Hebelwirkung. Er lädt dazu ein, die Bedingungen, unter denen wir leben, lernen, arbeiten und konsumieren, aktiv mitzugestalten, statt sie als unveränderlich hinzunehmen.
Der Versuch, sich in nicht- nachhaltigen Strukturen klimafreundlich zu verhalten, ist oft frustrierend. Wer dagegen an diesen Strukturen selbst ansetzt, kann deutlich mehr bewirken: In Städten mit sicherer und gut ausgebauter Fahrradinfrastruktur fällt es Menschen leichter, aufs Auto zu verzichten, und zwar dauerhaft. Wenn Schulen oder Sportvereine Ökostrom beziehen, vegetarische Optionen standardisieren oder nachhaltige Beschaffungskriterien einführen, profitieren viele Menschen gleichzeitig. Wenn in einem Bundesland durch eine Bürger:inneninitiative Naturschutzgebiete ausgeweitet werden und so der Bestand von Mooren geschützt wird, fördert dies Klima- und Artenschutz und schafft Naherholungsgebiete für Bürger:innen vor Ort.
Der Handabdruck richtet den Blick genau auf solche Potenziale: auf das Verändern von Rahmenbedingungen, auf gemeinsame Gestaltung, auf politische und gesellschaftliche Hebel.

Germanwatch e.V. / Holly McKelvey
Dabei ist der Handabdruck kein starres Programm. Er bietet Orientierung, aber keine Einbahnstraße. Menschen wählen selbst, wo, mit wem und in welchem Themenfeld sie aktiv werden möchten. Die Bandbreite reicht vom kleinen Projekt im Alltag bis hin zur Mitgestaltung kommunaler Politik oder der Beteiligung an zivilgesellschaftlichen Bündnissen. Wichtig ist dabei nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg: Die Erfahrung, dass man nicht allein ist, dass gemeinsames Engagement trägt und verändert, ist ein starker Motivator für bleibendes Engagement.
Handabdruck in der Praxis: die #climatechallenge
Seit über zwei Jahren vermittelt das Workshop-Format #climatechallenge diesen Ansatz an unterschiedlichste Zielgruppen: Schüler:innen, Studierende, Vereine, Kommunen und viele weitere Interessierte. Als deutschlandweites Format wurde es von Germanwatch, netzwerk n und dem Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel weiterentwickelt.
Der Einstieg des Bildungsformats erfolgt über den Fußabdruck: Die Teilnehmenden lernen, was große und kleine Hebel für CO₂-Reduktion im Alltag sind und versuchen einen Monat lang, ihren eigenen Fußabdruck zu verringern. Dabei erleben sie viele der beschriebenen Herausforderungen unmittelbar und reflektieren sie gemeinsam in der Gruppe.
Im Anschluss erfolgt der Perspektivwechsel: Die Teilnehmenden lernen ihren Handabdruck-Hebel kennen. Sie identifizieren strukturelle Hürden im eigenen Umfeld, entwickeln konkrete Ideen und planen eigene Projekte für strukturellen, nachhaltigen Wandel. Dabei geht es nicht um perfekt ausgearbeitete Masterpläne, sondern um erste Schritte in Richtung Veränderung – also Schritte, die sichtbar machen, dass Engagement wirkt.
Aus der #climatechallenge sind so deutschlandweit schon viele verschiedene Projekte für strukturelle Veränderung entstanden. Bachelorstudentin Lara zum Beispiel hat sich in ihrem Karnevalsverein dafür eingesetzt, bei Veranstaltungen eine vegetarische und damit klimafreundlichere Verpflegung anzubieten. Sie ist dafür mit den Verantwortlichen für die Veranstaltungsplanung ins Gespräch gegangen: Zusammen haben sie Rahmenbedingungen erarbeitet, die eine vegetarische und leicht umsetzbare Verpflegung ermöglichen, die zudem nichtverwertbare Reste reduziert. Gästen und Vereinsmitgliedern steht nun immer die Möglichkeit offen, sich für eine vegetarische Kost zu entscheiden. Lara hat so ihren Handabdruck mit der #climatechallenge vergrößert.
Deutlich über 500 Menschen haben bereits an der #climatechallenge teilgenommen. Sie informierten sich zielgruppengerecht über das enorme Ausmaß der Klimakrise und wurden gleichzeitig durch das Konzept des Handabdrucks befähigt, nicht in Resignation zu verfallen. Sie konnten lernen, die damit einhergehenden, unangenehmen Emotionen in wirksames und bestärkendes Engagement umzuwandeln.
Zusätzlich wurden im Rahmen der #climatechallenge über 300 Menschen zu Multiplikator:innen ausgebildet. Sie tragen auch nach Projektende ihr erworbenes Wissen darüber weiter, wie einer Vereinzelung im klimapolitischen Engagement entgegengewirkt wird: Wenn wir uns mit dem eigenen Handabdruck für eine wirksame sozial-ökologische Transformation einsetzen, beziehen wir notwendigerweise Verbündete mit ein, wir kommen mit Verantwortlichen ins Gespräch, suchen Kompromisse und gestalten Gesellschaft durch demokratische Aushandlungsprozesse.
Selbstwirksamkeit als Schlüssel
Die psychologische Wirkung dieses Handabdruck-Ansatzes in der #climatechallenge ist groß. Dieser verdrängt nicht die unangenehmen Emotionen, die viele Menschen im Angesicht der Klimakrise empfinden, oder redet sie klein. Im Gegenteil – er nimmt sie als legitime Reaktionen auf reale Bedrohungen ernst. Gleichzeitig werden Wege aufgezeigt, wie aus diesen Gefühlen Motivation entstehen kann. Der Handabdruck schafft Raum für Hoffnung, für Mitgestaltung und für Selbstwirksamkeit. Wer erlebt, dass sich durch eigenes Handeln Strukturen verändern lassen – sei es im Verein, in der Schule, im Stadtteil oder darüber hinaus – gewinnt ein neues Verhältnis zur Krise: statt eines Auslösers von Ohnmachtsgefühlen wird sie zum motivierenden und gemeinschaftlichen Handlungsanlass.
Diese Erfahrung verändert nicht nur das eigene Erleben, sondern auch das gesellschaftliche Klima. Wer Hoffnung teilt, stiftet Gemeinschaft. Wer Engagement sichtbar macht, inspiriert andere. Und wer gemeinsam mit anderen handelt, fühlt sich weniger allein – auch in schwierigen Zeiten.
Fazit: Transformation gestalten lernen
Die Klimakrise ist nicht allein durch individuelles Verhalten lösbar, und sie ist auch nicht nur ein technisches oder politisches Problem. Sie ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die emotional, strukturell und kulturell tiefgreifende Veränderungen erfordert. Der Handabdruck bietet einen Weg, diese Veränderungen mitzugestalten. Er ersetzt nicht den Fußabdruck, sondern ergänzt ihn durch eine Perspektive, die verbindet statt vereinzelt, die stärkt statt überfordert und die aus Ohnmacht echte Wirksamkeit macht. Engagement mit Hand und Fuß, zum Beispiel in der #climatechallenge zeigt: Bildung kann genau diese Brücke schaffen.