"Jede Subvention verzerrt den Wettbewerb"

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"Jede Subvention verzerrt den Wettbewerb"

Interview mit Anne Kamau, WTO-Verhandlerin Kenias in Genf

 

Frau Kamau, was ist der Unterschied zwischen Bauern in Deutschland und in Ihrer Heimat?

Bauern in Deutschland sind reich, und sie bekommen viele Beihilfen. In Kenia sind sie sehr, sehr arm und kriegen keinerlei Unterstützung vom Staat. In Deutschland sind auch die Bauernhöfe viel größer, es scheint keine wirklich kleinen Farmen zu geben. Bei uns sind die Farmen sehr klein, manchmal nur einen halben Hektar groß, und da lebt eine Familie mit drei oder vier Kindern, mit Kühen... Verstehen Sie? In Kenia ist die Landwirtschaft ein Mittel zum Überleben, es geht nicht darum Gewinne zu machen so wie in Deutschland. Die Farmer hier im Norden, die haben wirklich Geld, manche könnten sogar ohne Landwirtschaft auskommen. Unsere Bauern dagegen sind völlig abhängig vom Ertrag ihrer Felder, ohne ihn können sie nicht überleben.

Was halten Sie von der Agrarpolitik der Europäischen Union?

Zuallererst ist es wichtig zu realisieren, dass jede Unterstützung, die die Bauern bekommen, den Wettbewerb verzerrt. Wenn Sie ihnen Geld geben, so ist das ein schlechter Anreiz, weil ihnen das einen Vorteil gegenüber Farmern in Entwicklungsländern verschafft. Das gilt auch für Subventionen, die zur Grünen Box (für Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen) gerechnet werden. Es gibt keinerlei Kontrolle, ob diese Subventionen dann nicht doch zur Produktion benutzt werden.

Gibt es Ihrer Meinung nach überhaupt Subventionen, die gerechtfertigt sind?

Ja, Subventionen aus der Grünen Box. Aber nur, wenn strenge Kriterien dafür entwickelt werden, die garantieren, dass die Grüne Box auch wirklich grün ist. Bis jetzt sind die Boxen nicht klar definiert und verschieben sich ständig. Das kann dazu führen, dass wettbewerbsverzerrende Subventionen in der Grünen Box landen.

Was ist gut an der Welthandelsorganisation, was müsste verändert werden?

Wir müssen am Verhandlungsablauf im Agrarbereich etwas ändern. Alle Mitgliedsstaaten müssen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Und wir müssen versuchen, das Doha-Mandat (der WTO-Ministerkonferenz 2001 in Doha, Katar) zu erfüllen und einen fairen Weltagrarhandel zu erreichen.

Was sind Ihre Ziele für die kommenden Verhandlungen in der WTO?

Wir wollen einen Konsens, dass die Agrarbeschlüsse "pro Entwicklung" sein sollen. Das heißt, wir müssen in der Lage sein unseren Landwirtschaftssektor am Leben zu erhalten und ihn produktiver und wettbewerbsfähiger machen. Er ist unser wichtigster Wirtschaftszweig, der über 80 Prozent des Bruttosozialproduktes einbringt. Unsere Bauern müssen ein Einkommen haben und ihre Familien ernähren können.

Das Interview führte Dr. Brigitta Herrmann
 

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