Industrieländer sichern ihre Privilegien

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Industrieländer sichern ihre Privilegien

Ein Kommentar zum neuen WTO-Rahmenabkommen

 

Am 1.8.04 haben die Mitgliedsstaaten der WTO (World Trade Organisation - Welthandelsorganisation) ein Rahmenabkommen verabschiedet, das die Eckpunkte für die weiteren Verhandlungen innerhalb der so genannten Doha-Entwicklungsrunde festlegt. Germanwatch hatte im Vorfeld dieser Entscheidung in Konsultationen mit der EU-Kommission und dem Bundesministerium für Verbraucherschutz und Landwirtschaft insbesondere auf das drängende Problem des Dumpings im Agrarbereich und die Ungleichgewichte im Verhandlungsentwurf zu Lasten der sogenannten Entwicklungsländer hingewiesen.

Sowohl der europäische Handelskommissar als auch der US-Handelsbeauftragte waren hoch zufrieden mit dem Abschluss des Abkommens. Auch einige Entwicklungsländer äußerten sich zunächst positiv, da der Einstieg in den Ausstieg aus den Exportsubventionen der Industrieländer im Agrarbereich angestrebt wird. Allerdings fehlt ein Datum für die Beendigung des Dumpings durch Exportsubventionen, Exportkredite, Exportversicherungen, Staatshandelsgesellschaften und Nahrungsmittelhilfe. Frankreich hat nach Abschluss der Verhandlungen vorgeschlagen, das Jahr 2015 oder 2017 anzuvisieren. Das würde denjenigen, die jetzt unter dem Dumping leiden, wenig nützen. Die sonstigen Subventionsmöglichkeiten im Agrarbereiches haben mit dem neuen Abkommen eher zugenommen. Die USA haben sich innerhalb der sogenannten "blauen Box" ihre Zahlungen genehmigen lassen, mit denen sie ihre Bauern bei unerwartet niedrigen Preisen für Agrarerzeugnisse unterstützen. Darüber hinaus setzt die vorgesehene Reduzierung der allgemein als handelsverzerrend eingestuften Subventionen nicht bei der tatsächlichen Höhe an, sondern bei der "gebundenen" Höhe, d.h. einer fiktiven Grenze, die die WTO-Mitglieder vorher als Höchstgrenze für mögliche Subventionen festgelegt haben. Demnach könnte die EU ihre handelsverzerrenden Agrarsubventionen noch um über 20 Milliarden Euro erhöhen - trotz der vorgesehenen 20-prozentigen Reduzierung der gebundenen Subventionen.

Vehement kritisiert wurde auch das unfaire Verfahren der Verhandlungen in Genf. Viele Delegationen der Entwicklungsländer waren bis kurz vor Schluss von den Verhandlungen ausgeschlossen. Durch die spezielle Auswahl von bestimmten Delegierten und den Ausschluss anderer, durch gezielten Druck auf einzelne Delegationen sowie zermürbende Nachtsitzungen und enormen Zeitdruck war es den Delegierten aus den ärmeren Entwicklungsländern nicht möglich, den Text mit ihren Heimatländern abzustimmen und das volle Ausmaß der Bestimmungen des Abkommens abzusehen. Zudem wollte keiner die Schuld für ein erneutes Scheitern der Verhandlungen tragen.

Wegen der enormen Subventionen besonders in den USA ist die Existenzgrundlage von 10 Millionen Menschen in Westafrika gefährdet, die im Baumwollanbau arbeiten. Nicht einmal in diesem wichtigen Bereich für die ärmsten Länder war man zu einer Sonderbehandlung des Themas bereit, obwohl dies viele Entwicklungsländer gefordert hatten. Baumwolle soll in den normalen Agrarverhandlungen behandelt werden.

Auch von Germanwatch war die Einführung eines effektiven Schutzes für Entwicklungsländer vor den Dumpingprodukten der Industrieländer gefordert worden. Die Schutzmöglichkeiten durch zwei mögliche handelspolitische Instrumente, "Special Products" oder "Special Safeguard Mechanisms", werden im Dokument angesprochen, nicht aber präzisiert. Zur Vorzugsbehandlung der Entwicklungsländer gibt es ebenfalls nur knappe Hinweise. Dagegen haben aber auch Industrieländer mit dem Rahmenabkommen die Möglichkeit, nach eigener Einschätzung Produkte als "sensibel" einzustufen und die entsprechenden Märkte weiterhin in starkem Maße zu schützen.

Ob bei den nun anstehenden Agrarverhandlungen Entwicklungsaspekte eine prominente Rolle spielen werden, ist aufgrund der Formulierungen im neuen Rahmenabkommen noch offen. Für Germanwatch heißt dies Intensivierung der Lobbyarbeit, um Fortschritte für Kleinbauern in Entwicklungsländern zu erreichen.

Dr. Brigitta Herrmann

 

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