TTIP und CETA – transatlantische Zusammenarbeit unter falschen Vorzeichen

Weitblick Artikel

TTIP und CETA – transatlantische Zusammenarbeit unter falschen Vorzeichen

Weitblick-Bild 2/14: Demo gegen TTIP

Das Trojanische Pferd als Symbol für den drohenden Abbau von Verbraucherschutz, Demokratie und Rechtsstaat durch TTIP und CETA. (Aktion vom BUND und „Mehr Demokratie“ am 16. September in Berlin). Foto: Der Freidenker • Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0

 
Kein anderes handelspolitisches Thema hat in den letzten Jahren so viele öffentliche Diskussionen ausgelöst wie das geplante Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP). Der Protest lenkte auch die Aufmerksamkeit auf ein sehr ähnliches Abkommen mit Kanada, das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA), zu dem bereits ein fertiger Abkommenstext vorliegt. Strittig ist noch, ob die nationalen Parlamente dem noch zustimmen müssen. Die Verhandlungen zum TTIP sind noch in vollem Gange – es ist aber zu erwarten, dass sich zumindest die Europäische Kommission, die die Verhandlungen für die EU führt, an den Ergebnissen im CETA orientieren wird.

Knackpunkt Investorenrechte

Ziel beider Abkommen ist es, die Bedingungen für Handels- und Investitionsflüsse zu verbessern. Dazu sollen die wenigen noch bestehenden Zölle im transatlantischen Handel weitgehend abgebaut werden. Einen größeren Effekt soll es aber haben, unterschiedliche Standards und Normen für die verschiedensten Waren – vom Hühnerfleisch über Autoaußenspiegel bis zu Chemikalien – entweder anzugleichen oder gegenseitig anzuerkennen. In der öffentlichen Debatte besonders umstritten, sogar bis auf Ebene der Regierungen, ist der Investorenschutz. Der geplante Mechanismus würde es Unternehmen ermöglichen, gegen staatliche Regulierungen, die ihre „legitimen Gewinnerwartungen“ beeinträchtigen, vor einem privaten Schiedsgericht zu klagen, das dann „benachteiligten“ Unternehmen Schadenersatz zusprechen kann. Dies wäre nur für europäische Investitionen in den USA und Kanada beziehungsweise Investitionen aus diesen Ländern in der EU möglich. Damit wären Investitionen im jeweils anderen Land besser geschützt als die im eigenen Land, wo Unternehmen nur den normalen Rechtsweg beschreiten können.

Im derzeitigen Text des CETA-Abkommens sind diese Investorenrechte enthalten. Die deutsche Bundesregierung hat offiziell allerdings noch nicht entschieden, ob sie dem in der bisherigen Form zustimmen will, Änderungen verlangt, oder die entsprechende Klausel ganz ablehnt. Letzteres ist unwahrscheinlich, obwohl einflussreiche Parteifreunde von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel diese Position vertreten. Wird der Investorenschutz im CETA verankert, wäre dies nicht nur ein wichtiges Signal für TTIP, sondern würde vielen US-amerikanischen Unternehmen durch ihre Niederlassungen in Kanada bereits eine Klage in der EU ermöglichen.

Wirtschaftsinteressen vor Umweltschutz

Im CETA-Text ist zudem vorgesehen, dass die EU und Kanada bei technischen Standards stärker zusammenarbeiten. Hier geht es darum, einerseits Handelshemmnisse durch unterschiedliche Bestimmungen abzubauen und andererseits ein hohes Niveau an Verbraucher- und Umweltschutz sicherzustellen. An der vorgesehenen Streitbeilegung wird allerdings deutlich, welches Ziel überwiegt: Während gegen ein Land, das wirtschaftliche Bestimmungen des CETA verletzt, auch wirtschaftliche Sanktionen verhängt werden können, bleibt es bei Meinungsverschiedenheiten im Umweltbereich bei Empfehlungen einer Expertenkommission.

Ein breites Bündnis von über 240 Organisationen aus verschiedenen europäischen Ländern spricht sich gegen diese einseitig auf Wirtschaftsinteressen ausgerichtete transatlantische Zusammenarbeit aus. Die Europäische Bürgerinitiative, die einen transparenten Neuansatz bei den Verhandlungen zu TTIP und CETA fordern wollte, wurde von der EU-Kommission aus fragwürdigen formalen Gründen nicht zugelassen. Gleichwohl findet in den nächsten Monaten eine europaweite Unterschriftensammlung statt, mit der das zivilgesellschaftliche Bündnis den europäischen Institutionen noch einmal den breiten Protest gegen die aktuelle Ausrichtung von CETA und TTIP vor Augen führen möchte. Germanwatch unterstützt diese Initiative (siehe "Selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative").
 

Tobias Reichert & Lutz Weischer