Berlin (30. Juli 2025). Mit ihrer Ausrichtung des Energiewende-Monitorings droht die Bundesregierung politische Handlungsbedarfe und industriepolitische Chancen zu verpassen. Inhaltlich belegen die dort neu hinzugezogenen Studien keine Kostenvorteile kurzfristig reduzierter Energiewende-Ambitionen, methodisch weisen sie die gemachten Annahmen nicht transparent aus. Damit eignet sich das Monitoring in dieser Form nicht als Entscheidungsgrundlage für die Politik, selbst wenn es langfristige Ziele und sogar konkrete Ausbauziele für Erneuerbare Energien bestätigen würde. Dies sind Kernerkenntnisse einer heute veröffentlichten Kurzstudie des Energieexperten Dr. Tim Meyer im Auftrag der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
Schon in der Beauftragung des Energiewende-Monitorings durch die Bundesregierung erkennt die Kurzstudie eine klare Voreingenommenheit, Kosteneinsparpotenziale durch ein Bremsen des Erneuerbaren-Ausbaus und mehr fossile Energienutzung zu identifizieren – anstatt Herausforderungen wie Modernisierung und Ausbau der Verteilnetze in den Blick zu nehmen, um die Energiewende kosteneffizient zu beschleunigen. Studien-Autor Meyer: „Die Ausschreibung erweckt den Eindruck, als wolle das Wirtschaftsministerium sich in eine Beobachterrolle eines „Weiter so“ zurückziehen, anstatt die sektorenübergreifende Gestaltungsaufgabe Energiewende entschlossen anzunehmen. So droht das Monitoring wichtige Dynamiken etwa bei Speichern zu unterschätzen, zugleich aber tatsächlich drängenden politischen Handlungsbedarf ebenso wie die industriepolitischen Chancen einer vorwärtsgewandten Modernisierungsagenda zu ignorieren.“
Die Kurzstudie untersucht auch die dem Monitoring zugrunde gelegten Energiewende-Studien. Sie zeigt, dass sich die große Bandbreite der Abschätzungen von fast 100 Prozent beim angenommenen Strombedarf im Jahr 2045 oder von über 120 Prozent bei Gaskraftwerken im Jahr 2030 (jeweils zwischen niedrigstem und höchstem Szenario) aus sehr unterschiedlichen Annahmen ableitet. Besonders problematisch ist, dass diese sehr relevanten Annahmen ebenso wie die ausgewiesenen Kosteneinsparpotenziale in den von Marktakteuren herangezogenen Szenarien zu erheblichen Teilen nicht erklärt und transparent ausgewiesen werden. Auch gebe es innere Widersprüche zwischen einigen politischen Botschaften und den tatsächlich ausgewiesenen Mengengerüsten und Zahlen, etwa mit Blick auf den Bau von Gaskraftwerken. Meyer: „Aufgrund des hohen Maßes an Intransparenz eignen sich diese Szenarien nicht als politische Entscheidungsgrundlage.“
Klimaziele werden teilweise in Szenarien nicht erreicht
Darüber hinaus zeigt die Kurzstudie, dass nicht alle zugrunde gelegten Szenarien das Ziel der Klimaneutralität erreichen. Christoph Bals, Politik-Vorstand von Germanwatch: „Der Koalitionsvertrag bekräftigt klar das Ziel der Klimaneutralität bis 2045, welches aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils 2021 beschlossen und zudem jüngst im Grundgesetz verankert wurde. Szenarien, die damit nicht im Einklang stehen, dürfen nicht als Grundlage für Empfehlungen des Monitoringberichts und damit für politische Entscheidungen genutzt werden.“
Einige der im Monitoring hinzugezogenen Szenarien von Marktakteuren setzen stark auf die Nutzung fossil basierten blauen Wasserstoffs oder von CCS. Problematisch ist dabei, dass weder Mengengerüste noch Kostenannahmen dieser und alternativer Technologien offengelegt und die Herausforderungen des Ausgleichs der dabei unvermeidlich verbleibenden Restemissionen durch negative Emissionen nicht angemessen adressiert werden. Bals: „Wir haben die Chance, durch die entschlossene Modernisierung unserer Energieinfrastruktur, den Ausbau der Erneuerbaren und die Nutzung von grünem Wasserstoff im Stromsektor schnell Emissionen zu senken und perspektivisch klimaneutral zu werden. Der Stromsektor leistet auch einen ständig steigenden Beitrag zur schnellen Dekarbonisierung der anderen Sektoren. Es gilt, die Ursachen aktueller Verzögerungen und Engpässe politisch zu adressieren, anstatt zugunsten fossiler Lösungen die Dekarbonisierung des Stromsektors zu verschleppen. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr klar gemacht, dass eine Verringerung der Ambitionen den Freiheitsraum der jungen Generation über Gebühr einschränkt, weil diese später unter noch mehr Druck handeln und in noch größeren Mengen Negativemissionen erzielen muss.“
Autor der Kurzstudie: Dr. Tim Meyer ist Inhaber von www.3Epunkt.de und Buchautor
Monitoring der Bundesregierung droht Energiewende auszubremsen
Kurzstudie im Auftrag von Germanwatch sieht gravierende Mängel in der Auftragsstellung für das geplante Energiewende-Monitoring - in den zugrunde gelegten Energiewendeszenarien aber keine Belege für die Notwendigkeit einer „Neuausrichtung“ von Energiepolitik