Eine Reform des globalen Steuersystems ist dringend erforderlich, um Lasten fair zu verteilen sowie Klima- und Entwicklungsziele zu erreichen. Im zweiten Teil unserer Blogreihe anlässlich der 4. UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz (FfD4) in Sevilla analysieren wir, in welchem Ausmaß vor allem Superreiche und einige unterbesteuerte Industrien die Klimakrise befeuern. Wir zeigen außerdem, warum gerade Steuerreformen zum Schlüssel für eine erfolgreiche FfD4 werden könnten.
Vom 24. bis 26. Juni werden Amazon-Gründer Jeff Bezos und seine Verlobte Lauren Sánchez in Venedig ihre Hochzeit feiern. Auf einer Superyacht in der ikonischen Lagune wird 200 Gästen ein exklusives Spektakel geboten werden, das vom Aufwand vergleichbar mit einem G7-Gipfel ist. Die Bilder werden um die Welt gehen – Symbole für Luxus und Exklusivität, aber genauso für massive Emissionen. Auch der Zeitpunkt könnte symbolischer kaum sein: Kurz nach dem privaten Großevent werden Staats- und Regierungschefs bei der vierten UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) in Sevilla darüber beraten, wie sich öffentliche Güter in Ländern, die mit erheblichen Haushaltsbelastungen zu kämpfen haben, sowie in einem zunehmend angespannten globalen Finanzumfeld finanzieren lassen. Dieser Kontrast wirft eine zentrale Frage auf: Wer zahlt eigentlich die Rechnung, wenn Milliardäre feiern – in Zeiten multipler Krisen, wachsender Armut und sich häufender Klimakatastrophen?
Steuer(un)gerechtigkeit: Wer viel emittiert, sollte auch viel beitragen
Für eine gerechte wie effektive Klima- und Entwicklungsfinanzierung müssen diejenigen mit dem größten ökologischen Fußabdruck endlich stärker in die Pflicht genommen werden: die Superreichen. Sie gehören zu den Hauptverursachern der Klimakrise – mit Privatjets, Superyachten und Investitionen in fossile Industrien. Viele üben politischen Einfluss aus, um Klimapolitik zu blockieren. Global stößt das reichste 0,01 Prozent pro Kopf rund 2.300 Tonnen CO₂ pro Jahr aus – mehr als 1.600-mal so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. In Deutschland verursacht das reichste Prozent rund 15-mal mehr Emissionen als die untere Hälfte. Gleichzeitig umgehen Superreiche Steuern, indem sie Schlupflöcher und Steueroasen nutzen, und entziehen sich so ihrem Beitrag zum Gemeinwohl.
Dass es auch anders und vor allem fairer und effizienter geht, zeigen Studien wie die des Ökonomen Gabriel Zucman. Er schätzt, dass eine Besteuerung der weltweit rund 3.000 Milliardäre jährlich 200 bis 250 Milliarden US-Dollar einbringen könnte. Allein in Deutschland könnte eine Steuer auf Milliardärsvermögen jährlich 5,7 Milliarden Euro mobilisieren – dringend benötigte Mittel für den sozialen Ausgleich und den Klimaschutz.
Der CO₂-Ausstoß der Reichen ist kein Kavaliersdelikt
Privatjets sind nicht nur Inbegriff exklusiver Mobilität – sie belasten auch massiv das Klima. Obwohl sie bis zu 14-mal mehr CO₂ pro Passagier:in ausstoßen als Linienflüge, bleiben ihre Besitzer:innen von Kerosinsteuern, Mehrwertsteuer und strengen Umweltabgaben weitgehend verschont. Auch Jeff Bezos hat seine Flotte jüngst um einen neuen G700 erweitert – symbolträchtig für eine Welt, in der einige Wenige mit ihren Emissionen ungestraft davonkommen. Der Wert seiner Privatjetflotte wird nun auf über 200 Millionen Dollar geschätzt.
Doch die Luftfahrt ist nur die Spitze des Eisbergs. Der gesamte Transportsektor profitiert von internationalen Ausnahmeregeln, während andere Branchen die wachsenden Kosten der Klimakrise tragen. Auch Schifffahrt, Finanzmärkte und fossile Industrien bleiben in vielen Fällen unterbesteuert, obwohl sie überproportional zur Erderwärmung beitragen. Die Entscheidung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), Emissionen im Schifffahrtssektor zu bepreisen, war ein wichtiger erster Schritt. Doch nun braucht es systematische Solidaritätsabgaben, wie sie etwa die Vorschläge der Global Solidarity Taskforce vorsehen. Sie würden eine faire Lastenverteilung ermöglichen und dabei helfen, die Lücke bei der Finanzierung von Entwicklungs- und Klimamaßnahmen zu schließen.
Internationale Steuerregeln neu denken: Gerechtigkeit braucht globale Reformen
Jährlich verlieren afrikanische Staaten schätzungsweise 50 bis 100 Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidung internationaler Konzerne – teils mehr, als sie in Form von Entwicklungshilfe erhalten. Diese Verluste sind kein Zufall: Sie resultieren aus einem internationalen Steuersystem, das vor allem im Rahmen der OECD entwickelt wurde, wo Stimmen aus Afrika und anderen Teilen des Globalen Südens in der Vergangenheit marginalisiert wurden.
Doch die politische Dynamik verändert sich. Die Afrikanische Gruppe und die G77 setzen sich für einen neuen Ansatz ein: eine UN-Rahmenkonvention für internationale Steuerzusammenarbeit (UNFCITC). Damit könnten erstmals alle Staaten gleichberechtigt die globalen Steuerregeln mitgestalten – auch mit Blick auf Klima- und Umweltziele.
Europa – und insbesondere Deutschland – stehen hier in der Verantwortung. Sie müssen die UN-Rahmenkonvention aktiv unterstützen und als legitimes Forum anerkennen, in dem gerechte und klimaorientierte Steuerregeln festgelegt werden können. Nur so ist es möglich, schädlichen Steuerwettbewerb zu beenden, einen fairen globalen Steuerrahmen zu schaffen und dringend benötigte öffentliche Einnahmen zu sichern. Auf diese Weise würde man nicht nur globale Partnerschaften stärken, sondern auch die Finanzierung von sozial-ökologischen Transformationsprozessen fördern.
Warum Steuerreformen der Schlüssel zu einer erfolgreichen FfD4 sein könnten
Die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla ist eine seltene Gelegenheit: Sie fand das letzte Mal vor zehn Jahren statt und bietet nun die letzte große Chance vor der Ziellinie der Nachhaltigkeitsziele im Jahr 2030, um das globale Finanzsystem zu verändern. Unter allen Themenfeldern auf der Agenda besteht derzeit gerade in der Mobilisierung inländischer Ressourcen und der internationalen Steuerzusammenarbeit am meisten Potenzial für einen echten Durchbruch.
Im aktuellen Entwurf des Abschlussdokuments ist die UN-Rahmenkonvention eines der wenigen strukturellen Instrumente, das tiefgreifende Veränderungen ermöglichen könnte. Eine faire internationale Steuerkooperation würde es Ländern des Globalen Südens erlauben, verlässlichere öffentliche Einnahmen zu generieren – und so ihre Abhängigkeit von Schulden und schwankender Hilfe zu reduzieren. Gleichzeitig eröffnet sie dem Globalen Norden neue fiskalische Spielräume, um überfällige Klima- und Entwicklungszusagen einzulösen, gerade nach den ernüchternden Ergebnissen beim neuen Klimafinanzierungsziel (NCQG).
Deutschland steht an einem Wendepunkt: Multilateralismus gerät unter Druck, der globale Fortschritt ist ins Stocken geraten. Jetzt braucht es Führung – nicht mit leeren Phrasen, sondern mit klarer Haltung. FfD4 darf nicht scheitern. Internationale Steuerreformen unter dem Dach der UN müssen zum Herzstück der Konferenz werden – und der Klimaschutz muss dabei mitgedacht werden. Wer Umwelt und Gerechtigkeit ernst nimmt, muss dafür sorgen, dass auch Reiche und die klimaschädlichsten Branchen einen fairen Beitrag leisten. Nur mit globaler Solidarität und gerechter Verteilung schaffen wir die Wende.
Zum ersten Teil der Blogreihe geht es hier.