Klima- und Entwicklungsfinanzierung werden noch immer getrennt gedacht, obwohl sie zwei Seiten derselben Medaille sind. Im dritten Teil unserer Blogreihe zur 4. UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz (FfD4) in Sevilla beleuchten wir, warum das ursprüngliche Versprechen „neuer und zusätzlicher“ Klimafinanzierung gebrochen wurde und wie wir sicherstellen können, dass Sevilla nicht zum Rückschritt in der globalen Klima- und Entwicklungspolitik wird.
„Ist das jetzt ein Klimaprojekt oder ein Entwicklungsprojekt?“ – Diese Frage klingt harmlos, offenbart aber ein strukturelles Problem der internationalen Finanzarchitektur: Noch immer wird so getan, als ließen sich Klimakrise und Entwicklungsziele sauber voneinander trennen. Als gäbe es Projekte für den Klimaschutz und andere für Armutsbekämpfung. Als ob ein Solarkraftwerk in einem Land mit schlechtem Stromzugang nicht automatisch auch eine Entwicklungschance wäre. Oder als ob der Bau stabiler Schulgebäude, die extremem Wetter standhalten und im Notfall als Schutzräume dienen, nicht zugleich Bildung sichern und Menschen besser auf die Klimakrise vorbereiten würde.
Tatsächlich sind Klima- und Entwicklungsfinanzierung eng miteinander verflochten. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille – und trotzdem konkurrieren sie noch immer um dieselben knappen öffentlichen Mittel.
„New and Additional“ – ein Versprechen mit Verfallsdatum?
Schon bei der Verabschiedung der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) in den 1990ern war klar: Die Klimafinanzierung für den Globalen Süden soll sich aus neuen Geldern speisen, die zusätzlich zur klassischen Entwicklungsfinanzierung (ODA) gezahlt werden. Das war das zentrale Versprechen der Industrieländer – als historische Hauptverursacher der Klimakrise. In Artikel 4.3 der Konvention wurde dieses Prinzip erstmals eindeutig verankert: Klimafinanzierung darf nicht zulasten bestehender Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung gehen, sondern muss on top bereitgestellt werden. Die Realität sieht heute anders aus: Ein Großteil der öffentlichen Klimafinanzierung wird einfach zu der ODA gezählt. Neue Mittel? Fehlanzeige. Entwicklungs- und Klimafinanzierung müssen zusammengedacht werden. Problematisch ist daher nicht, dass Klimafinanzierung grundsätzlich als Teil der ODA gilt – sondern dass sie nicht zusätzlich zu den von den Industrieländern zugesagten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt wird.
Das Ergebnis ist eine zunehmend unübersichtliche Finanzierungslandschaft: Die Notwendigkeit, Klimafinanzierung deutlich aufzustocken, trifft auf die wachsenden Finanzierungsbedarfe in der Entwicklungspolitik. So hat etwa die Weltbank – als zentrale Akteurin der internationalen Entwicklungszusammenarbeit – ambitionierte Klimaziele formuliert. Ein wichtiger Schritt, für den sich die deutsche Bundesregierung eingesetzt hat. Doch gleichzeitig steigt der Druck auf bestehende Mittel: In besonders armen Ländern, die über die Internationale Entwicklungsorganisation der Weltbank (IDA) gefördert werden, drohen Zielkonflikte – etwa wenn Mittel in Klimaschutzprojekte fließen, die andernfalls in Bildung, Gesundheit oder soziale Sicherung investiert worden wären. Entscheidend ist daher, dass Mittel aufgestockt und Synergien zwischen Klima- und Entwicklungszielen gezielt genutzt werden. Entwicklungsprojekte müssen heute klimaresilient und emissionsarm sein – und umgekehrt sollten Klimainvestitionen entwicklungspolitisch wirksam sein.
Mainstreaming ist nicht genug
Auch in Deutschland zeigt sich das Dilemma: Der Großteil der internationalen Klimafinanzierung läuft über den Haushalt des Entwicklungsministeriums (BMZ). Klimaschutz wird dort vielfach „mitgedacht“, etwa durch sogenanntes Mainstreaming in klassische Entwicklungsprojekte – ein sinnvoller und wichtiger Ansatz. Doch das allein reicht nicht aus. Neben integriertem Klimaschutz braucht es auch gezielte Klimaprojekte, die die Ziele des Pariser Abkommens nicht nur berücksichtigen, sondern aktiv dazu beitragen, dass sie erreicht werden.
FfD4: Klimafinanzierung nicht unter den Tisch fallen lassen!
Gerade deshalb ist die FfD4 in Sevilla so wichtig. Sie ist der einzige inklusive Ort, an dem alle UN-Mitgliedstaaten gemeinsam über Reformen der globalen Architektur zur Entwicklungsfinanzierung beraten und Entscheidungen treffen. Und sie bietet eine historische Gelegenheit, die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung kohärenter zu gestalten – also die Verknüpfung von Klima- und Entwicklungszielen nicht nur zu erwähnen, sondern verbindlich zu verankern.
Doch was bislang aus dem Verhandlungsprozess durchsickert, stimmt wenig optimistisch. Ob folgende zentrale Punkte es in das Abschlusspapier schaffen, ist kurz vor der Konferenz weiterhin unklar:
- Explizite Erwähnung des neuen Klimafinanzierungsziels, der UNFCCC oder ihrer Prinzipien wie der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung der Länder (Common But Differentiated Responsibilities),
- Bekenntnis zu neuen und zusätzlichen Klimafinanzierungsmitteln,
- Zusage zur Stärkung der UNFCCC-Klimafonds.
Politische Dynamiken im FfD4 Verhandlungsprozess: Herausforderungen und Zwiespalt
Die Verhandlungen zur Klimafinanzierung auf der FfD4 spiegeln ein komplexes Geflecht aus Interessen und Machtverhältnissen wider. Einige Industrieländer – allen voran die USA, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgezogen haben und internationale Verpflichtungen im Bereich Klimafinanzierung nicht anerkennen – blockieren verbindlichere Formulierungen. Sie wollen finanzielle und politische Verpflichtungen auf internationaler Ebene möglichst gering halten.
Gleichzeitig stehen viele Länder des Globalen Südens vor einer besonderen Herausforderung: Sie sind massiv von der Klimakrise betroffen und benötigen dringend zusätzliche Unterstützung. Doch es fehlt ihnen oft an einer einheitlichen Verhandlungsposition. Viele befürchten, dass eine stärkere Fokussierung auf Klimafinanzierung bei insgesamt knappen öffentlichen Mitteln zu Verdrängungseffekten führen könnte – also zu weniger Mitteln für Bildung, Gesundheit oder soziale Sicherung.
Diese Gemengelage erschwert eine klare und wirksame Einbindung der Klimafinanzierung in das FfD4-Ergebnisdokument – und unterstreicht die Dringlichkeit, tatsächlich zusätzliche Mittel zu bewilligen und mehr Kohärenz zwischen Klima- und Entwicklungsfinanzierung herzustellen.
Was jetzt passieren muss
Damit Sevilla nicht zum Rückschritt in der globalen Klima- und Entwicklungspolitik wird, braucht es vier konkrete Schritte:
- Ein klares Bekenntnis zur zusätzlichen Klimafinanzierung
Entwicklung und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. New and additional muss heißen: mehr Mittel insgesamt, nicht nur ein neues Etikett. - Verankerung der UN-Klima-Prinzipien im FfD4-Abschlusstext
Nur so bleibt die Verbindung zwischen Klima- und Entwicklungsfinanzierung konsistent. Das in UNFCCC und Pariser Abkommen verankerte Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung muss festgehalten werden, damit Länder mit entsprechenden Möglichkeiten ihren Beitrag leisten. Insbesondere den besonders verletzlichen Ländern müssen weiterhin öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um eine gerechte und wirksame Finanzierung zu gewährleisten. Kredite können als ergänzendes Instrument dienen, sofern sie tragfähig und transparent sind und keine zusätzliche Überschuldung verursachen. - Einrichtung einer UN-Arbeitsgruppe
Eine Arbeitsgruppe unter der UN-Generalversammlung kann für mehr Klarheit und Transparenz bei der Berichterstattung über Klima- und Entwicklungsfinanzierung sorgen – und Doppelzählungen vermeiden helfen. - Stärkung der globalen Finanzarchitektur für mehr Kohärenz und Gerechtigkeit
Dazu gehört auch, dass Steuerreformen, der Umgang mit Schulden und der Ausstieg aus fossilen Subventionen auf die Klimaziele ausgerichtet werden.
Ein gemeinsames Projekt, das nicht scheitern darf
Die Klimakrise ist kein reines Umweltproblem. Sie ist ein entwicklungspolitisches Problem – und ein Gerechtigkeitsproblem. Wer versucht, Klimafinanzierung aus dem Finanzierungspaket für nachhaltige Entwicklung herauszuhalten, verschließt die Augen vor der Realität – und vor der historisch gewachsenen Verantwortung. FfD4 in Sevilla ist eine Chance, diese Realität anzuerkennen – und die Weichen dafür zu stellen, dass Klima- und Entwicklungsfinanzierung endlich als das behandelt werden, was sie sind: zwei Seiten derselben Medaille.