Sitzungssaal im Bundestag

Neuer Koalitionsvertrag: Deutschland muss entschlossener und zukunftsfähiger auftreten

Wie kann die neue Bundesregierung Deutschlands Handlungsfähigkeit sichern? Ein Analyse der Koalitionsziele durch unsere Expert:innen

In Zeiten geopolitischer Spannungen und wachsender globaler Herausforderungen kommt es mehr denn je auf eine entschlossene und strategisch ausgerichtete Bundesregierung an. Die neue Regierung darf nicht Sicherheit und den Schutz der ökologischen Lebensgrundlagen, Wohlstand und Zukunftsfähigkeit gegeneinander ausspielen. Gleichzeitig muss sie in Europa und weltweit Partnerschaften aufbauen, die auf Grundlage des Rechts die Feinde der Demokratie in die Schranken weisen. Nur mit einem Sicherheitsansatz, der Völkerrecht, soziale Sicherheit und Klimaschutz zusammendenkt, kann die Bundesregierung Deutschlands Handlungsfähigkeit langfristig sichern.

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD birgt hier Chancen, jedoch auch erhebliche Schwächen und Unsicherheiten. Dass  er trotz schwieriger Ausgangslage zügig erarbeitet wurde, setzt ein wichtiges Zeichen. Die neuen Koalitionspartner erkennen: Sicherheit bedeutet mehr als militärische Abschreckung oder eine auf die Ukraine fokussierte Verteidigungspolitik. Sie erfordert ebenso internationale Zusammenarbeit – gegen Hunger, Pandemien und die Klimakrise. Während der Koalitionsvertrag an einigen Stellen konkret ausformuliert, wie die ambitionierten Ziele erreicht werden sollen, bleibt er jedoch an vielen anderen zu vage. 

Damit Deutschland handlungsfähig bleibt, braucht es jetzt politische Entschlossenheit. Die Zivilgesellschaft spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie muss Druck machen, damit die Potenziale des Koalitionsvertrags tatsächlich genutzt werden. Die zentralen Weichenstellungen, die die neue Regierung jetzt national, auf EU-Ebene sowie international vornehmen muss, analysieren wir im folgenden Blogbeitrag.

Friedrich Merz ist neuer Bundeskanzler

I. National: Die Handlungsfähigkeit Deutschlands sichern

Das Sondervermögen zum Investitionsprogramm in die Klimaneutralität machen 

Im Sondervermögen liegt eine große Chance für Klimaschutz, wenn alle Ausgaben daraus im Einklang mit den Klimazielen getätigt werden. Dies gilt auch für die Investitionen, die in erster Linie anderen Zwecken dienen, wie der Modernisierung von Infrastrukturen, dem Bau von Kitas oder Wohnraum. Kompatibilität mit den Klimaneutralitätszielen und den SDGs sowie “do no significant harm” sollten deshalb als verbindliche Kriterien für alle Investitionen aus dem Sondervermögen etabliert werden. Zur Umsetzung sollte die Bundesregierung einen unbürokratischen und wirkungsvollen Klima-Check für die Ausgaben des Sondervermögens einführen – einer der wissenschaftlichen Beiräte der Bundesregierung könnte dies unabhängig begutachten. Ein wiederbelebtes  Klimakabinett könnte die institutionelle Überprüfung der Investitionen zeitnah sicherstellen. 

Die Mittel des Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollten komplementär zu den Infrastrukturausgaben dafür genutzt werden, Haushalte und Unternehmen gezielt beim Umstieg auf klimaneutrale Alternativen zu unterstützen: beim Heizungstausch, der Anschaffung von E-Autos sowie bei Investitionen in klimaneutrale Industrieprozesse und die Elektrifizierung im Gewerbe. Die Bedarfe werden hier mit der Einführung des ETS2 absehbar deutlich steigen.  Stärker als in der Vergangenheit muss dabei der Fokus auf Menschen mit geringen Einkommen liegen. Wo der Umstieg noch nicht möglich ist, braucht es zudem ein sozial gestaffeltes Klimageld. 

Einen besonders großen Teil der Mittel aus dem Sondervermögen will die Koalition für Verkehrsinvestitionen ausgeben. Mit Blick auf die Sanierungs-, Modernisierungs- und Ausbaubedarfe im Schienennetz ist das im Prinzip auch richtig. Dazu kommt die hohe Zahl maroder Brücken auch im Straßenverkehr. Der KoaV macht jedoch die Tür weit auf auch für den Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen. Neue oder verbreiterte Schnellstraßen würden mehr Autoverkehr erzeugen, zu mehr Energie- und Treibstoffverbrauch führen und die Klimazielerreichung ausgerechnet in dem Sektor weiter erschweren, der den vorgegebenen Klimazielen am weitesten hinterherhinkt. Wir fordern deshalb einen Kompass für den Einsatz der Schienen- und Straßenmilliarden, die Fokussierung der Mittel auf Sanierung von Brücken und Straßen sowie die Stärkung der Schiene. Mehr dazu in unserer Analyse des Verkehrskapitels im Koalitionsvertrag.

Mindestens 10 Prozent der KTF-Ausgaben müssen für internationale Klimaschutz- und Anpassungsinvestitionen in die internationale Klimafinanzierung fließen. Deutschland braucht hier angesichts des Vakuums nach dem Rückzug der USA unbedingt Handlungsfähigkeit. 

Großen Handlungsbedarf, über die jetzt gefundenen Beschlüsse hinaus, gibt es mit Blick auf die Kommunen. Gemeinde und Städte müssen über 40 Prozent der Zukunftsinvestitionen stemmen, unter anderem bei Wärmenetzen, Energieinfrastrukturen und Klimaanpassung. Die Einigung zum Sondervermögen gesteht ihnen aber maximal 20 Prozent der Mittel zu. Außerdem müssen die Kommunen aus dem bisherigen Bürokratiedschungel befreit werden. Eine Chance dafür bietet sich in Form einer ausreichend ausgestatteten bürokratiearmen Gemeinschaftsaufgabe für Klimaschutz- und -anpassung. Wir erwarten, dass sich der entsprechende Druck aus den Kommunen und den Ländern parteiübergreifend aufbauen wird.

Strompreissenkung zum Elektrifizierungs-Booster machen

Die Koalition hat sich vorgenommen, die Stromkosten für Unternehmen und Haushalte zu senken. Richtig ist: geringere Strompreise entlasten Verbraucher:innen und können die Elektrifizierung von Mobilität, Heizen und Industrie beschleunigen. Dadurch entstehen positive klimapolitische Effekte, weil die Nachfrage nach Primärenergie drastisch reduziert wird. Zugleich ist die Form der von der Regierung geplante Strompreissenkung per Minderung der Stromsteuer und Bezuschussung der Netzentgelte ineffizient und riskiert Fehlanreize und Überförderung. Daher kommt es darauf an, die kurzfristige Entlastung in langfristige Strategien zur Senkung der Stromkosten – insbesondere für die Industrie und die ärmere Hälfte der Bevölkerung – einzubetten und um klare Signale für Investitionen in die Elektrifizierung zu ergänzen: 

  • E-Autos und Wärmepumpe zum neuen Normal machen:  Geringere Strompreise können helfen, (Einzel- sowie Groß-)Wärmepumpen und E-Autos zur günstigeren Alternative für Verbraucher:innen insbesondere auch mit geringeren Einkommen zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass steigende CO2-Preise die hohen gesellschaftlichen Kosten fossiler Optionen sichtbar machen. Daher braucht es neben der Strompreissenkung ein klares Bekenntnis zum ETS 2 sowie gezielte Förderprogramme für die Sektorkopplung in Haushalten und KMU, kombiniert mit einer Informations- und Beratungsoffensive.
  • Elektrifizierung in der Industrie fördern: Damit die Strompreissenkung positive Klimawirkung in der Industrie entfalten kann, muss sie ausreichend langfristig ausgestaltet sein, um Investitionen in Elektrifizierung auszulösen. Zugleich sollte sie mit einem klaren Enddatum versehen sein, um eine Dauer-Subvention von vorneherein auszuschließen. 2030 bietet sich dafür als Jahr an, in dem die Strompreise dank ergänzender Maßnahmen erwartbar sinken werden. Dann sollte die Subvention enden, auch um - über den Anstieg zur Elektrifizierung hinaus, Energieeffizienz zu fördern.
  • Flexibilitäten anreizen: Ein flexibles Stromsystem ist der Schlüssel für langfristig geringere Preise und weniger fossile Energien. Allerdings senkt eine Reduktion der Strompreise auch den Anreiz, durch Flexibilisierung die eigenen Stromkosten zu senken. Umso wichtiger ist es, parallel zu den Strompreissenkungen bestehende Barrieren für Flexibilität schnellstmöglich abzubauen – durch die Abschaffung der so genannten Bandlastregelung sowie die Digitalisierung der Netze – und mittelfristig die Anreize für Flexibilität kontinuierlich zu erhöhen durch eine immer stärkere Weitergabe der Strommarkt-Preissignale an alle Marktteilnehmenden.
  • Soziale Wirkung verbessern: Eine Entlastung bei Stromsteuern und Netzentgelten kommt zwar allen zugute, doch profitieren reiche Haushalte mit tendenziell deutlich höheren Stromverbräuchen deutlich stärker. Wird dennoch dieser Weg gewählt, sollte ein soziales Klimageld für die untere Hälfte der Einkommensverteilung gezielt die Lasten des CO2-Preises dämpfen. Für eine breite Teilhabe an den Vorteilen der Elektrifizierung sind Förderprogramme sozial auszudifferenzieren. 
Solarpanels von oben

Einen Rahmen für den notwendigen wie begrenzten Beitrag von Negativemissionen entwickeln

Mit dem Koalitionsvertrag gibt sich die neue Bundesregierung den Auftrag, den notwendigen Hochlauf von sogenannten Negativemissions- oder Senkenprojekten so zu organisieren, dass er die Transformation zur Klimaneutralität effektiv unterstützt. Das erfordert zum einen, in allen Regulierungen und Anreizmechanismen konsequent das Grundprinzip zu operationalisieren, dass Negativemissionen keine Alternative zur notwendigen Transformation darstellen, sondern eine Ergänzung. Zum anderen braucht es einen effektiven und glaubwürdigen Umgang  mit den enormen Risiken in Bezug auf Permanenz und Nachhaltigkeit von Negativemissionen. Ein notwendiger erster Schritt ist daher, klarer auszudifferenzieren, wozu und für welche Bereiche Negativemissionen gebraucht werden, und auf diese Ziele bezogene Rahmenbedingungen einzuführen bzw. auf EU-Ebene zu unterstützen. 

Negative Emissionen werden für zwei Ziele gebraucht: 1) zur Kompensation von auch längerfristig nicht vermeidbaren Restemissionen, wie sie  bspw. in einigen Bereichen der Industrie auch nach Ausschöpfung der Emissionsminderungspotenziale durch Bedarfsreduktion, Kreislaufwirtschaft und Prozessumstellungen verbleiben; 2) zum Erzielen von  negativen Treibhausgasemissionen, wie Deutschland sie laut Klimaschutzgesetz ab 2050 erreichen muss. 

Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass eine Nutzung  oder gar Förderung von Negativemissionen nicht den Anreiz zur Emissionsvermeidung senkt. Das ist vor allem für die Kompensation von Restemissionen relevant: Hier gilt es, klar festzulegen und regelmäßig zu überprüfen, welche Emissionen technisch unvermeidbar sind und nur in diesen Fällen die Kompensation zuzulassen und einzufordern – das sollte auch die Grundlage für eine mögliche Verknüpfung mit dem EU Emissionshandel (ETS) sein. Für jegliche Nutzung von Negativemissionen ist zweitens wichtig, deren Qualität zu verifizieren und garantieren. Auch bei einer möglichen Verknüpfung mit dem ETS müssen Zertifikate für Negativemissionen von einer öffentlichen Institution validiert und ausgegeben werden. 

Rohstoffpartnerschaften fair, ökologisch und transparent ausrichten 

Um den Zugang zu Rohstoffen zu sichern, will die neue Regierung Rohstoffimporte diversifizieren und dazu Handels- und Rohstoffpartnerschaften auf Augenhöhe abschließen. Ein zunächst lobenswertes Vorhaben der Koalitionäre, denn die bisherigen Rohstoffpartnerschaften erfüllen dieses Kriterium leider meist (noch) nicht. Für Abkommen, von denen beide Parteien gleichermaßen profitieren, muss Deutschland verbindliche Angebote, etwa in den Bereichen Technologietransfer und Infrastruktur, und konkrete Finanzierungs- oder Absicherungszusagen machen. Nur dann können insbesondere Partnerländer der Entwicklungszusammenarbeit und deren Bevölkerungen ernsthaft von erweiterter Wertschöpfung profitieren.  Die Partnerschaften müssen transparent gestaltet sein, die lokale Bevölkerung und Zivilgesellschaft einbinden und dazu beitragen, dass Menschenrechte und Umweltstandards auch in den Export-und Verarbeitungsländern konsequent umgesetzt werden. In diesem Sinne muss die neue Bundesregierung auch bestehende Rohstoffpartnerschaften überarbeiten. Auch bei der heimischen Rohstoffförderung oder -wiedergewinnung gilt es, nicht nur “pragmatisch” bestehende Standards zu wahren, sondern höchste soziale und ökologische Kriterien anzulegen und der Bevölkerung Teilhabe zu ermöglichen. Projekte, die die Kreislaufwirtschaft fördern, müssen dabei vor neuen Abbauprojekten priorisiert werden. So sollte beispielsweise der Rohstofffonds – der künftig über mehr Mittel verfügt – den Fokus auf Sekundärrohstoffe legen. 

Digitale Wettbewerbsfähigkeit mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit verbinden

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) nehmen viel Raum im Koalitionsvertrag ein, Deutschland soll auf die „digitale Überholspur“. Klarer muss die Bundesregierung dabei werden, wie digitale Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität mit den Zielen von Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit in Einklang zu bringen sind. Das ist möglich, aber kein Selbstläufer.

Hinsichtlich der ökologischen Dimension von Digitalisierung und KI sollte die neue Bundesregierung bereits eingeführte Rahmensetzungen wie das Energieeffizienzgesetz mit Blick auf Rechenzentren beibehalten und steuerliche Anreize für mehr Abwärmenutzung ergänzend statt alternativ dazu einsetzen. Die bisherige klare Verantwortungszuweisung für das Thema ökologische Nachhaltigkeit von Digitalisierung innerhalb der Bundesregierung sollte fortgeführt und gestärkt werden. 

Für die weiter zunehmende gesellschaftspolitische Relevanz der Digitalisierung braucht es analog eine klare Zuständigkeit im neu geschaffenen Digitalministerium. Die Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zur Durchsetzung der EU-Plattformgesetze wie dem DMA und DSA, der Stärkung der digitalen Souveränität und der Entwicklung offener europäischer Plattformmodelle. Das ist angesichts der Zunahme von Desinformationen, Polarisierung und Hassrede im Netz richtig und dringlich. Es muss durch konkrete Schritte wie der ausreichenden personellen Ausstattung der zuständigen Behörden zügig umgesetzt werden. Das wichtige Ziel, unlautere Geschäftspraktiken von digitalen Plattformen zu verbieten, sollte auch das Verbot von tracking-basierter Werbung im Rahmen des Digital Fairness Act beinhalten. Beim Aufbau souveräner digitaler Infrastrukturen muss die Bundesregierung auch die demokratische Kontrolle sicherstellen – mit einer europäischen Tech-Oligarchie nach dem Vorbild der USA ist niemandem geholfen. Für die laut Koalitionsvertrag vorgesehene Stärkung von Open Source braucht es Verbindlichkeit, beispielsweise durch Open-Source-Quoten.

Stahlarbeiter am Hochofen

Potenziale der Kreislaufwirtschaft für Ressourcenschonung und klimaneutrale Industrie entfesseln 

Das Ziel der neuen Koalition, den Verbrauch von Primärrohstoffen zu senken, ist zentral für mehr Unabhängigkeit von Importen, für Klima- und Umweltschutz sowie für die durch beides beförderte Resilienz. Um dies umzusetzen, muss die Bundesregierung ausreichende Mittel für die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie bereitstellen – z. B. soweit klimarelevant, aus dem Klima- und Transformationsfonds oder dem Infrastrukturfonds. Infrastrukturprojekte und alle weiteren staatlichen Ausgaben sollten so gestaltet sein, dass sie einen Leitmarkt für treibhausgasneutrale und zirkuläre Produkte schaffen. Industriepolitisch sollte die neue Bundesregierung geeignete Rahmenbedingungen schaffen, damit gemeinsam mit den Emissionen auch der Ressourcenverbrauch der Industrie sinkt. Denn: eine konsequente Kreislaufwirtschaft senkt ganz nebenbei massiv den Treibhausgasausstoß der Schwerindustrie. Beispielsweise sollte das Förderprogramm der Klimaschutzverträge so umgestaltet werden, dass Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft förderfähig werden.

Es ist zu begrüßen, dass die Koalition Strategien der Abfallvermeidung und Reparaturen stärken und fördern möchte. Dies muss sie nun durch konkrete Umsetzungsschritte untermauern. Die Bundesregierung sollte sich in diesem Sinne beispielsweise die steuerliche Lenkungswirkung zunutze machen und Hersteller bzw. Dienstleister (z. B. in der  Elektro- und Elektronikbranche) vermehrt in die Verantwortung nehmen. Zudem sollte sie regulatorische Hürden abbauen, die innovative zirkuläre Strategien wie Remanufacturing oder Refurbishment ausbremsen. 

Lieferkettengesetz wirksam weiterentwickeln

Es ist richtig, dass die neue Bundesregierung grundsätzlich an einem Gesetz über internationale Unternehmensverantwortung festhalten und dafür das bisherige Lieferkettengesetz auf Grundlage der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) überarbeiten möchte. Dadurch könnte sie für betroffene Unternehmen langfristig Planungssicherheit und damit Handlungsfähigkeit schaffen. Dieses Ziel wird allerdings konterkariert durch die parallele Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Sanktionen des deutschen Gesetzes teilweise auszusetzen. Würde dieses Vorhaben umgesetzt, hätte das sehr problematische  Auswirkungen für die Menschen, die aktuell mit dem Gesetz dafür kämpfen, dass ihre Rechte respektiert werden. Es wäre zudem eine Fortsetzung des wenig nachvollziehbaren Schlingerkurses der Ampelregierung bei diesem wichtigen Thema – mit der zu erwartenden Verunsicherung bei Unternehmen. Diese Verunsicherung vergrößert die neue Koalition noch zusätzlich durch die prominent geäußerte, irreführende Auslegung des Koalitionsvertrages, das Lieferkettengesetz werde  komplett „abgeschafft“. 

Industriehafen

Besteuerung nach dem Verursacherprinzip

Das große Investitionspaket muss Investitionen fördern, die zusätzlich sind zum normalen Haushalt – so ist es festgelegt. Der Koalitionsvertrag wirft dennoch große Fragen auf, wie der Haushalt zukünftig ausgeglichen gestaltet werden soll. Dabei gäbe es Möglichkeiten, zusätzliche Einnahmen zu generieren, ohne die Wirtschaft zu beeinträchtigen oder finanziell schlechter gestellten  Bevölkerungsgruppen zu schaden, und dabei zugleich den Klimaschutz zu stärken: Abgaben und Steuern nach dem Verursacherprinzip. Der Anfang könnte eine Mindeststeuer auf Vermögen von Milliardär:innen und Centi-Millionär:innen sein. Länder wie Frankreich, Spanien und Brasilien gehen mit gutem Beispiel voran. Unter der CDU-Regierung Kohl gab es in den 90ern bereits eine Vermögenssteuer. Technisch ist ein solcher Ansatz besser umsetzbar als je zuvor. Und gerade aus Klimasicht wäre es gerechtfertigt, denn die Superreichen setzen ein Vielfaches an Emissionen frei im Vergleich zum deutschen Durchschnittsbürger. Beispielsweise verusachten Katy Petty und Lauren Sanchez mit ihrem 11-Minuten Flug ins All so viele Emissionen wie andere durchschnittlich in ihrem gesamten Leben. 

Nach einem bemerkenswerten, wenn auch nicht ausreichenden Schritt zur Besteuerung von Schifffahrtsemissionen, sollte ein weiterer stark verschmutzender Sektor folgen: die Luftfahrt. Auch hier sind sozial gerechte Abgaben möglich, beispielsweise durch einen Fokus auf Vielflieger, Business Class oder Privatjets. Nicht zuletzt braucht es diese Einnahmen dringend, um die Dekarbonisierung des Sektors, aber auch die Finanzierung von Schäden und Verlusten voranzutreiben. Die internationale Global Solidarity Levies Task Force erarbeitet gerade Vorschläge, wie Länder im Luftfahrtsektor vorangehen können. Daran kann sich die neue Bundesregierung orientieren.

Kind mit Megafon vor einer Klimademo in Berlin

Bildung für nachhaltige Entwicklung: - Gute Grundlagen – viel Engagement nötig

Demokratiebildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sind im Koalitionsvertrag verankert. Für die erfolgreiche Umsetzung müssen diese jetzt mit den „großen“ Prozessen der inner- und außerschulischen Bildung verknüpft werden. Die künftige Bundesregierung will „ein modernes Bildungssystem“, das „individuelle Bedarfe der Schüler:innen berücksichtigt und die Demokratie stärkt“. Das Ziel: mehr Bildungsgerechtigkeit, Inklusion und Zukunftskompetenzen.Der Koalitionsvertrag legt dafür einige Grundlagen: Bildung für nachhaltige Entwicklung, Demokratiebildung, mentale Gesundheit, Zukunftskompetenzen, Schüler:innenfirmen – diese Vorhaben sind zentrale Bestandteile des Koalitionsvertrags und sollen gestärkt oder ausgebaut werden. Dafür ist es sehr hilfreich, dass die neue Regierung plant, massiv in Bildung zu investieren und bundesweite Bildungsprogramme wie das Startchancenprogramm und der Digitalpakt Schule fortgeführt werden sollen. Jetzt besteht die Chance, BNE besser zu verankern, sowohl in der Beratung als auch in der begleitenden „Qualitätsoffensive Lehrkräfte“. Der Erwerb von Kompetenzen zieht sich durch alle Bereiche des Koalitionsvertrages, der Bildungsbereich schafft hierfür die Grundlagen.

Die neue Bundesregierung plant Ministerien umzustrukturieren: Das Bildungsressort soll aus dem bisherigen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) herausgelöst und in das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) integriert werden. Damit kann die gesamte Bildungskette, von der frühkindlichen Förderung über wichtige Teile der formalen und non-formalen, informellen Bildung bis zum lebenslangen Lernen, in einem Haus zusammengeführt werden. Der Ansatz wirkt bildungspolitisch schlüssig und kann wichtige Akzente setzen, um Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Ein gutes Ziel des Kolitionvertrages sind auch Vorschläge einer Kommission aus Bund und Ländern “zur Entbürokratisierung, für die beschleunigte Umsetzung gemeinsamer Projekte und für konstruktive Kooperation“ Wichtig ist, bei der Entbürokratisierung nicht den Kern der notwendigen Berichtspflichten zu entsorgen, die Arbeit der Kommission  mit BNE und Demokratiebildung fest zu verbinden und bereits früh in der Konzeption die Erfahrungen der (kommunalen) BNE-Netzwerke und der Nationalen Plattform BNE einzubeziehen.

Enttäuschend ist das Thema Jugendbeteiligung: Denn trotz Ankündigung eines nationalen Jugendgipfels bleibt die Beteiligung junger Menschen an politischen Prozessen unzureichend. Zur Demokratiebildung und Verantwortungsübernahme gehört das Erleben realer politischer Prozesse.Es fehlt die Jugendperspektive im politischen Entscheidungsprozess.

Breit verankerte BNE fördert nicht nur Wissen, sondern auch Handlungs- und Gestaltungskompetenzen, die notwendig sind, um die großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu meistern. Noch erscheint es so, dass der Erhalt der Lebensgrundlagen und der gesellschaftliche Zusammenhalt im Bildungsgeschehen eine nachgeordnete Rolle spielen. Es gilt die Umsetzung des Koalitionsvertrags so zu gestalten, dass  Nachhaltigkeit deutlich mehr zum Grundgewebe von Bildung wird. 

Bauernschlepper mit dem Brandenburger Tor im Hintergrund. Berlin, Deutschland, 18. Dezember.

Klimagerechte Ernährungssysteme vonnöten – Landwirtschaft und Ernährung zusammendenken

Die Bundesregierung muss die im Koalitionsvertrag verankerten Ansätze für resiliente, klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungssysteme – das Bekenntnis zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und zu einer auf bisherigen Dialogprozessen aufbauenden zukunftsfähigen Landwirtschaft – konsequent mit Leben füllen. Die angestrebte Verstetigung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz ist zu begrüßen, doch es fehlen klare und ambitionierte Ziele vor allem zur Wiedervernässung von Mooren. Der Umbau der Tierhaltung darf nicht ohne verbindlichen Klimaschutzrahmen erfolgen, um eine echte Reduktion der Treibhausgasemissionen sicherzustellen. Eine integrierte Landwirtschafts- und Ernährungsstrategie, die Produktion und Konsum gleichermaßen adressiert, bleibt überfällig. Hier sollte die Bundesregierung die Ernährungsstrategie der Vorgängerregierung weiterentwickeln und die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen – EU-Eiweißstrategie, Markteinführung alternativer Proteine, Erhöhung des Selbstversorgungsgrads mit Obst und Gemüse – kohärent bündeln und mit steuerlichen Anreizen flankieren. Für die Handlungsfähigkeit des Sektors ist zudem eine ambitionierte EU-Agrarpolitik entscheidend: Umwelt- und Klimaleistungen müssen stärker honoriert, kleinere Betriebe und junge bäuerliche Familien gezielt unterstützt werden – hierzu bleibt der Vertrag zu vage, hier muss die Bundesregierung dringend nachsteuern. Zusätzlich bedarf es entschlossener Initiativen, um das Leben im ländlichen Raum attraktiver zu machen, einschließlich der Bereitstellung öffentlicher und sozialer Dienstleistungen und des Aufbaus neuer nachhaltiger Wertschöpfungsketten auf der Basis von Land- und Forstwirtschaft.

EU-Flagge neben Deutschlandflagge

II. Europa: Die Handlungsfähigkeit der EU ausbauen

Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag auf von vielen nicht erwartete konkrete Vorgaben zu den europäischen und deutschen Klimazielen und ihrer Erreichung bis 2040 geeinigt. Das ist hilfreich, damit Deutschland auf EU-Ebene und international mit einer starken Stimme sprechen und den Klimaschutz vorantreiben kann. Die Formulierungen zum „Klimaschutz“ sind jedoch an vielen Stellen nicht immer eindeutig:

Mit ihrer frühzeitigen Positionierung für ein 2040-Klimaziel von 90 Prozent unter dem Niveau von 1990 zeigt sich die Bundesregieung in der laufenden Debatte als Vorreiterin eines relativ ambitionierten europäischen Klimaziels und stärkt damit der EU-Kommission den Rücken. Denn ein ambitioniertes Klimaziel der EU bietet auch die Grundlage für einen ernsthaften Dialog mit China, Indien und anderen Schwellenländern über die Ambition ihrer Ziele. Gleichwohl sind 90 Prozent in der EU der untere Rand dessen, was u. a. das wissenschaftliche Gremium des EU-Klimabeirates empfiehlt.  

Die Nutzung von Zertifikaten aus internationalen Emissionsreduktionsprojekten zur Anrechnung auf die 2040-Klimaziele, die auf maximal 3 Prozentpunkte eines 90%-Ziels begrenzt ist, beinhaltet je nach Ausgestaltung erhebliche Risiken und auch Chancen. Ein besonders großes Risiko ist verbunden mit der Nutzung dieser Zertifikate im Emissionshandel. Es muss sichergestellt sein, dass internationale Zertifikate nicht den Anreiz verringern, in die notwendige Transformation zu investieren, wie seinerzeit durch die Zertifikate des Kyoto-Protokolls (CDM und JI), und stattdessen Klimaschutz versprochen wird, der nicht hält, was er verspricht.  Zudem bestehen generelle Risiken bezüglich der Einhaltung ausreichender Qualitätsstandards. Chancen bestehen darin, dass die Koalition nun in Deutschland und der EU eine klar definierte strikte Begrenzung und einen hohen Qualitätsstandard zur Grundlage für die glaubwürdige Nutzung von internationalen Zertifikaten machen will. Dies ist zentral für die Integrität des Klimaschutzes und des Emissionshandelssystems in der EU.  Dieser Qualitätsstandard muss erst noch erarbeitet werden, was sorgfältiger fachlicher Arbeit bedarf.

Die Vorgaben im Koalitionsvertrag „hochqualifiziert“, „zertifiziert“ und „permanent“ zusammengenommen bedeuten aber auch, dass internationale Emissionsgutschriften in Zukunft kaum zu niedrigen Preisen verfügbar sein dürften. Das sollte die Bundesregierung in ihrer Politikplanung berücksichtigen. 

Zentral für die EU-Klimapolitik ist, dass die neue Bundesregierung hier endlich wieder mit einer Stimme spricht. Damit die EU den Europäischen Green Deal und den Clean Industrial Deal erfolgreich für Menschen und Umwelt umsetzen kann, ist auch mitentscheidend, dass Deutschland sich mit Polen und Frankreich wieder besser abstimmt. Das bereits von den drei Außenämtern beschlossene Grüne Weimarer Dreieck ist dafür eine sehr gute Grundlage, die jetzt auch von den Klima- und Energieministerien genutzt werden sollte. 

Hände eines Arbeiters in der Landwirtschaft

EU-Omnibus-Initiative und geplante „Vereinfachung“ von Nachhaltigkeitspflichten

Unbestritten besteht Handlungsbedarf bei der oft als wenig bürger:innenorientiert und unnötig bürokratisch wahrgenommenen deutschen Verwaltung. Jedoch erweckt der Koalitionsvertrag mitunter den Eindruck, die dringend benötigten gesetzlichen Leitplanken für eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft seien grundsätzlich schädliche Bürokratie. Dies ist ein gefährlicher Fehlschluss. Große Teile der im Koalitionsvertrag mehrfach begrüßten sog. EU-Omnibus-Initiative für eine „Vereinfachung“ von Nachhaltigkeitspflichten drohen den Erfolg des Europäischen Green Deals zu untergraben. Die künftige Bundesregierung muss verhindern, dass eine aktionistische, nicht evidenzbasierte Politik das Kind mit dem Bade ausschüttet. Die angekündigte (und durchaus wünschenswerte) „Vereinfachung“ von Sorgfalts- und Transparenzpflichten ist bei den meisten vorliegenden Vorschlägen nicht erkennbar. Stattdessen werden essenzielle Durchsetzungsinstrumente für die effektive Anwendung der nachhaltigkeitsbezogenen Sorgfaltspflichten für Unternehmen infrage gestellt. Dies sorgt für große Unsicherheit in Bezug auf die sozialen und ökologischen Ziele, aber auch für Kosten bei den Unternehmen.

Zudem drohen durch die EU-Pläne wichtige Nachhaltigkeitsdaten verloren zu gehen. Dadurch würde die Handlungsfähigkeit einer nachhaltigkeitsorientierten Finanzwirtschaft eingeschränkt. Denn: was nicht gemessen wird, kann nur im Blindflug gemanagt werden. Werden Risiken nicht vergleichbar berichtet, kann der Finanzmarkt seine Mittel nicht risikogerecht einsetzen. Auch bei der Kreislaufwirtschaft darf die von den Koalitionspartnern anvisierte Überprüfung von Berichtspflichten nicht dazu führen, jene Regelungen zu schwächen, die die Kreislaufwirtschaft fördern. Stattdessen sollte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für erhöhte Kapazitäten bei der EU-Kommission einsetzen. Diese sind notwendig, damit die Regelungen schnell konkretisiert werden und so Planbarkeit für Unternehmen sichergestellt werden kann.

Flaggen der Vereinten Nationen

III. International: Deutschlands Rolle als internationaler Partner stärken

Geplante Budgetkürzungen und Wegfall der Sonderbeauftragten für internationalen Klimaschutz

Es ist ein wichtiges und richtiges Signal, dass die neue Regierungskoalition anerkennt: Unsere Sicherheit endet nicht an nationalen Grenzen und darf nicht nur militärisch gedacht werden. Sie wird auch dort verteidigt, wo wir gemeinsam Hunger, Pandemien und die Klimakrise bekämpfen. Die angekündigte stärkere Verzahnung von Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik und das Bekenntnis zu multilateralen Strukturen sind Schritte in die richtige Richtung. Aber: Wer die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 verspricht, muss liefern. Eine Senkung der Gelder für internationale Entwicklungszusammenarbeit und Klimapolitik (ODA-Quote) – gerade jetzt, wo die USA als wichtiger Geber wegbrechen – widerspricht allen Bekenntnissen zur globalen Verantwortung. Zwar bleibt der Koalitionsvertrag eine konkrete Zielmarke schuldig, doch die angekündigte “angemessene Reduktion” widerspricht dem Anspruch, internationale Kooperation und Krisenbewältigung zu stärken. Jede Absenkung unter 0,7 Prozent des BIP ist nicht angemessen und führt zu Kürzungen im Vergleich zum Statusquo. Sie steht auch im Widerspruch zu dem Ziel, Deutschlands fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung zu leisten. Schon jetzt ist klar, dass die Aufstockung im notwendigen Ausmaß angesichts des Wegfalls der Mittel aus den USA nicht zustande kommen wird. Die notwendige Handlungsfähigkeit Deutschlands und der EU und ihre internationale Verantwortung werden so nicht gesichert – dies ist kein ausreichender Schutz unserer Sicherheit und der Menschenrechte. 

Humanitäre Hilfe

Auch in der humanitären Hilfe gibt es Licht und Schatten. Die Ankündigung einer auskömmlichen Finanzierung und die Stärkung von Frühwarnsystemen zur Krisenvermeidung sind wichtige Schritte. Doch angesichts der geplanten Budgetkürzungen bleibt fraglich, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Insbesondere der Umgang mit den Folgen des Klimawandels – etwa Extremwetterereignisse – muss stärker in den Fokus rücken, um die menschliche Sicherheit der Betroffenen nachhaltig zu gewährleisten.

Klimaaußenpolitik und ressortübergreifende Zusammenarbeit beim Klimaschutz

Die bisherige erfolgreiche Klimaaußenpolitik wird im Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt, was die Gefahr birgt, mühsam erreichte Fortschritte, wie z. B. die Klimaschwerpunktbotschaften zu verspielen. Damit Deutschland und die EU in volatilen geopolitischen Zeiten handlungsfähig und wirksam sind, muss Klima- und Entwicklungspolitik zu einem zentralen Pfeiler außenpolitischer Strategie werden – klar verankert, ausreichend finanziert und institutionell gestärkt. Dazu müssen zentrale Strukturen gesichert und wichtige Schlüsselpositionen besetzt werden. Nun fällt die wichtige Stelle als Sonderbeauftragter für Internationalen Klimaschutz ganz weg. Ob im Umwelt- und Klimaministerium wenigstens ein teilweiser Ausgleich neben dem Staatssektretär dazu geschaffen wird, ist noch unklar. Die Kombination von Nichterwähnung der Klimaaußenpolitik im Koalitionsvertrag, Verlagerung in ein als weniger relevant wahrgenommenes Ministerium und personeller Schwächung lässt eine  massive Schwächung für Deutschlands Rolle in der internationalen Klimapolitik und eine Selbstverzwergung Deutschlands bei diesem Schlüsselthema der Sicherheit befürchten. 

Positiv bewerten wir die geplante Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates und eines Nationalen Krisenstabs im Bundeskanzleramt. Diese neuen Strukturen müssen jedoch ressortübergreifend arbeiten und die Klimadimension von Sicherheit konsequent mitdenken – wie dies bereits in der deutschen Sicherheitsstrategie, von internationalen Institutionen wie der NATO und vom Bundesnachrichtendienst als zentral anerkannt wird. Deutschlands Bewerbung für einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2027/28 unterstützen wir ausdrücklich. Es wäre konsequent und notwendig, dort – wie schon in früheren Mitgliedschaften – die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels erneut als einen Schwerpunkt zu setzen.

Internationale Partnerschaften

Partnerschaften sind ein zentraler Pfeiler für die internationale Handlungsfähigkeit Deutschlands. Sie dürfen sich jedoch nicht allein auf die Sicherung deutscher und europäischer Wirtschaftsinteressen konzentrieren, auch wenn sie diese berücksichtigen können. Ebenso müssen sie die Bedürfnisse und Interessen der Partnerländer – wie lokale Wertschöpfung, finanzielle und technische Unterstützung und breite Partizipation – zum Ziel haben. Der Lackmustest für die Wirksamkeit der internationalen Zusammenarbeit ist, dass die notwendige Energiewende auch in anderen Regionen der Welt, etwa in den Ländern der Afrikanischen Union, mit der notwendigen Geschwindigkeit vorankommt. Die Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern bei ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sowie bei der Umsetzung internationaler Verpflichtungen (in den Bereichen Klima, Biodiversität und Gesundheit) schafft fairere Wettbewerbsbedingungen, öffnet regelbasiert Märkte und sichert Lieferketten. Die angekündigte Intensivierung der Beziehungen zu den Ländern des Globalen Südens ist wichtig und die neue Nord-Süd-Kommission könnte – sofern effektiv eingerichtet – ein zentrales Forum werden. Dabei sollten alle an der Partnerschaftsarbeit beteiligten Ressorts eingebunden werden. Gleichzeitig sollten aber auch nichtstaatliche Akteure und wichtige internationale Partner zur Stärkung und Weiterentwicklung der Partnerschaftsformate einbezogen werden. 

Wenn die Bundesregierung ihren Anspruch, eine werte- und interessengeleitete Außen-, Entwicklungs- und Klimapolitik zu betreiben, ernst meint, muss sie jetzt nachbessern: mit klaren Finanzierungszusagen, einer gestärkten Klimaaußenpolitik, echten Partnerschaften auf Augenhöhe und einem unmissverständlichen Bekenntnis zur globalen Verantwortung. 
 

Daten zum Blogbeitrag

Veröffentlichung:
Autor:innen:
Sylwia Andralojc-Bodych, Christoph Bals, Oldag Caspar, Cornelia Heydenreich, Petter Lydén, Stefan Rostock, David Ryfisch, Laura Schäfer, Ute Sudmann, Konstantinos Tsilimekis, Simon Wolf
Letzte Änderung:
Permalink: https://www.germanwatch.org/de/node/93133